Wenn keine Rezession droht, heisst es von Marktstrategen oft: Aktien kaufen und Anleihen meiden. Damit unterstellen sie einen Zusammenhang zwischen den Renditen auf den verschiedenen Anlageklassen und dem Konjunkturzyklus.
Doch so einfach ist das nicht. Beispielhaft liebt der Energiesektor steigende Ölpreise, die meist während inflationären Phasen zulegen. Finanztitel hingegen lieben eine Umgebung, in der Wachstum und Inflation gleichzeitig anziehen. Es lohnt sich daher, die verschiedenen Phasen eines Konjunkturzyklus genauer zu betrachten.
Der Konjunkturzyklus kann anhand der Indikatoren Wachstum und Inflation hauptsächlich in vier Phasen eingeteilt werden. Erste Phase: Das inflationäre Wachstum. Hier ziehen Wachstum und die Inflation gleichzeitig an. Zweite Phase: Das disinflationäre Wachstum. Hier beschleunigt sich das Wachstum, während sich die Inflation vermindert. Dritte Phase: Deflationäre Stagnation. Hier geht das Preisniveau zurück und das Wachstum stagniert. Vierte Phase: Inflationäre Stagnation, auch Stagflation genannt. Hier stagniert das Wachstum und die Inflation nimmt zu.
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In welchen Phasen bieten sich welche Anlageklassen als Investition an? Hier ein Überblick:
1. Phase - Inflationäres Wachstum: Alles auf Aktien
Im Umfeld des inflationären Wachstums lohnen sich Investitionen in Aktien, da einerseits die Umsätze der Unternehmen steigen, andererseits die Firmen Preiserhöhungen vornehmen können. Dies hat einen doppelt positiven Effekt auf die Gewinne. Auf Sektorebene profitieren vor allem Zykliker wie Industriewerte, zyklische Konsumwerte, Rohstoff- und Finanztitel überproportional.
In stark inflationären Phasen wertet sich "Papiergeld" kontinuierlich ab. Davon profitiert Gold aufgrund seiner Funktion als Inflationsschutz. Trotzdem: "Dass Gold in einem inflationären Umfeld eine gute Anlage sein soll, ist ökonomisch schwer zu begründen", sagt Thomas Stucki, Anlagechef der St.Galler Kantonalbank zu cash. Seit dem starken Anstieg des Goldpreises während der Hochinflation in den 70er-Jahren habe das gelbe Metall jedoch den Mythos des Inflationsschutzes und diesen seither nicht mehr verloren.
2. Phase - Disinflationäres Wachstum: Aktien und Unternehmensanleihen
Das disinflationäre Wachstum ist für Aktien nur bedingt positiv. Denn Value-Aktien schlagen sich in einem disinflationären Umfeld eher schlecht, während Wachstumswerte im Technologie- oder Gesundheitssektor outperformen. Auch für Aktien von Unternehmen im nichtzyklischen Konsumsektor ist dieses Umfeld günstig. Dies zeigt sich exemplarisch in der Entwicklung seit 2009, das diesem Umfeld entsprochen hat.
In der disinflationären Phase können auch Unternehmensanleihen wie auch Hochzinsanleihen profitieren. Einerseits sinken aufgrund des Konjunkturwachstums die Kreditaufschläge, und zweitens halten sich die Notenbanken mit Zinssenkungen zurück. Daneben performen in diesem Umfeld auch Immobilienanlagen sowie Infrastrukturanlagen gut. Trotz fehlender Inflation steigen in diesem Wachstumsumfeld die Zinsen im Geldmarktbereich. Dies erhöht die Opportunitätskosten für Gold.
3. Phase - Deflationäre Stagnation: Cash ist Gold
Cash gewinnt während einer deflationären Deflation laufend an Kaufkraft, falls es nicht negativ verzinst wird. Aktien zeigen in diesem Umfeld keine gute Performance, da die nominelle Gewinnentwicklung der Unternehmen schwach ist. Doch Deflation ist ebenso kein gutes Umfeld für den Goldpreis. Laut Anastassios Frangulidis, Chefstratege von Pictet Asset Management, wird die Deflation – abgesehen von exogenen Schocks - durch eine Geldpolitik verursacht, die für die Bedürfnisse der Volkswirtschaft hohe Realzinsen toleriere.
Bei den Anleihen sind vor allem sichere Staatsanleihen gesucht. Da die meisten Notenbanken ein Inflationsziel von rund 2 Prozent anstreben, wird die Geldpolitik in einem deflationären Umfeld extrem expansiv. "Die Zinsen werden gesenkt und teilweise sogar in den negativen Bereich gedrückt. Davon profitieren Staatsanleihen", sagt Matthias Geissbühler, Anlagechef bei Raiffeisen.
4. Phase - Inflationäre Stagnation: Jetzt schlägt die Stunde für Gold
Inflationäre Stagnation begünstigt Goldanlagen. Gold gehöre dann zu den Gewinnern, weil die Realverzinsung meistens tief sei, so Frangulidis. Gold profitiert als Inflationsschutz und ist zudem krisenresistent. Im Allgemeinen suchen die Investoren in diesem Umfeld nach Realwerten wie Immobilien oder nicht zinssensitiven Aktien.
Innerhalb der Aktien profitieren die Unternehmen mit einer hohen Preissetzungsmacht. Stucki von der St.Galler Kantonalbank sagt zudem: "Wird die Inflation durch höhere Rohwarenpreise getrieben, ist der Grundstoff- und Energiesektor interessant. Steigende Zinsen helfen auch den Finanzwerten." Bargeld ist in einem solchen Umfeld bestenfalls ein "relativer" Gewinner gegenüber Anleihen. Denn in einem inflationären Umfeld findet eine Geldentwertung statt. Wenn aber die Inflation stark ansteigt, würde dies tendenziell mit Zinserhöhungen einhergehen, was vor allem für Anleihen negativ wäre.
Hilfreiche Indikatoren
Welche Prognose eintrifft, können Anleger selber verfolgen. Als wirtschaftliche Vorlaufindikatoren für Inflation und Wachstum sind die Einkaufermanagerindizes und Daten zum Konsumentenvertrauen geeignet. Ebenfalls wichtige Indikatoren sind die Preisentwicklungen an den Rohstoffmärkten. In Inflationsphasen steigen in der Regel auch die Preise der meisten Rohstoffe stark an.
Dazu sind zum Beispiel Kupfer und andere Industriemetalle als Anlagen geeignet. Kupfer gibt aber auch einen Hinweis auf das Wirtschaftswachstum. Der Kupferpreis sinkt, wenn die Wirtschaft ins Trudeln gerät. Denn dann wird von Investoren Kupfer meist abgestossen und stattdessen Gold gekauft. Und: Der "Baltic Dry Index" gibt die Entwicklung der Preise für Frachtraten von Containerschiffen wieder.
Dieser cash-Artikel erschien in der Originalversion am 23. April 2020.