Können Sie sich noch an den Januar 2018 erinnern? Falls Sie damals in Bitcoin investiert waren, dann sehr wahrscheinlich schon. Doch auch wer damals punkto Krypto-Assets an der Seitenlinie stand, kam um die Bitcoin-Hysterie kaum herum. Innerhalb von nur drei Monaten erlebte der Bitcoin-Kurs eine wahre Achterbahnfahrt, indem er von rund 7'500 Dollar hoch auf 20'000 Dollar rauschte, um anschliessend wieder auf 8'000 Dollar zu fallen. Im Laufe des Jahres 2018 brach der Kurs bis auf 3000 Dollar ein.
Ein ähnliches Szenario mit derartigen Kurssprüngen und -stürzen ist auch heute nicht komplett auszuschliessen. Doch es erscheint weniger wahrscheinlich als damals. Erstens sitzt bei vielen der Schock über den damaligen Bitcoin-Crash noch tief. Damals hatten sich auch – und vor allem – unerfahrene Anleger die Finger verbrannt, die auf den Bitcoin-Zug aufspringen wollten, um schnell Kasse zu machen.
Weniger Hysterie und Hype
Zweitens spricht ein theoretischer Aspekt gegen einen erneuten Turbo-Anstieg (und -Zerfall). In der Bitcoin-Szene wird vielerorts auf den Gartner-Hype-Zyklus hingewiesen (cash berichtete). Dieser Zyklus beschreibt die einzelnen Phasen der öffentlichen Aufmerksamkeit, die eine neue Technologie durchläuft (siehe Grafik). Auf eine erste Phase der Euphorie, die in völlig überzogenen Erwartungen mündet, folgt die grosse Ernüchterung.
Hype-Zyklus neuer Technologien nach Gartner Inc., Quelle: Wikipedia/CC BY-SA 3.0
Nach dem grossen Crash setzt anschliessend allerdings die "Enlightement"-Phase ein. In dieser Phase wird die neue Technologie nüchterner eingeschätzt, was es ihr erlaubt, sich sich langsam zu etablieren. Schaut man sich den Bitcoin-Kursverlauf der letzten drei Jahre an (siehe Graphik unten), erscheint diese Theorie durchaus plausibel – trotz jüngsten Kursrückgängen.
Hört man sich bei Experten zum zukünftigen Bitcoin-Kurs um, stellt man fest, dass das Gros der Analysten denn auch nicht mit riesen Kurssprüngen oder Abstürzen rechnet – einzelne Bitcoin-Bullen wie John McAfee, der für 2020 einen Kurs von zwei Millionen Dollar vorhersagt, mal ausgenommen. Allgemein rechnet man sogar mit einem leichten Anstieg für 2020. Hauptgrund ist das bevorstehende "Halving" im Mai 2020, welches zu einer weiteren Verknappung des (Coin-)Angebots führt. Ab dann wird das Schürfen von Bitcoins nur noch mit 6,25 Coins belohnt. Zum Vergleich: 2012 gabs noch 50 Coins als Belohnung.
Kursentwicklung des Bitcoin in den letzten drei Jahren, Quelle: cash.ch.
"Das eindeutig wichtigste Event für den Bitcoin-Kursverlauf 2020 ist das Halving im Mai", sagt auch Timo Emden von Emden Research gegenüber cash. Die Hoffnungen seien gross, dass die Kurse im Vorfeld des Halving-Datums anziehen werden. Vergangene Halvings haben gezeigt, dass solche Erwartungen durchaus berechtigt sind. Der Experte geht grundsätzlich davon aus, dass sich die Spannbreite des Bitcoin-Kurses "auf der Oberseite durchaus wieder über 10'000 Dollar" bewegen könne.
Wertsteigerung durch «Halving»
Auch für Daniel Egger, Chefstratege der Falcon Private Bank, ist das bevorstehende Halving der Preistreiber schlechthin für 2020. Die Logik dahinter: Die Grenzkosten für das Schürfen eines Bitcoin verdoppeln sich, wodurch es für die sogenannten Miner weniger luktrativ wird. Das drückt demzufolge das Angebot, wenn die Nachfrage ungefähr gleichbleibt.
Doch für Egger spricht noch ein anderer Punkt für den Bitcoin: das Verhältnis zwischen der weltweiten Geldmenge – alleine in der Schweiz übersteigt deren Grösse eine Billionen – und der Marktkapitalisierung von Kryptowährungen, die weltweit gerade einmal rund 200 Milliarden Dollar beträgt – allein 135 Milliarden davon fallen auf den Bitcoin. "Wenn nur ein kleiner Teil des umlaufenden Geldes in den Bitocin fliesst, wird das schon einen enormen Effekt haben", so der Falcon-Chefstratege.
Auch aus charttechnischer Sicht geht Egger davon aus, dass sich der Bitcoin 2020 im Aufwärtstrend befindet. Dabei sei es allerdings wichtig, dass der Kurs nach unten die Grenze von etwa 6300 Dollar nicht unterschreitet dürfe, ansonsten könne es weiter bergab gehen. Tut er das nicht, sehe er gute Chancen auf einen Anstieg bis Ende 2020 "zwischen 13'000 und 15'000 Dollar", so Egger.
Bitcoin bleibt Spekulationsobjekt
Allerdings ist für beide Experten klar: Der Bitcoin ist und bleibt eine hochspekulative Anlage. Faktoren, die den Bitcoin auch 2020 weiterhin belasten dürften, gibt es viele. "Es existieren beim Bitcoin noch immer grundsätzliche Fragen, die nicht geklärt wurden", so Emden. Darunter fallen vor allem regulatorische Unklarheiten. "Solange es keine einheitlichen Regeln gibt, fehlt es dem Bitcoin an Seriosität."
Heisst: Auch wenn die Volatilität zuletzt abgenommen hat, wird der Kurs der Kryptowährung eine gewisse Volatilität zwangsläufig beibehalten. Ob und wann sich Regeln für die Kryptowährung durchsetzen, hängt laut Emden auch und insbesondere von den USA ab. "Als die USA Bitcoin-Futures zugelassen haben, zogen andere Länder schnell nach".
Was ist der Bitcoin eigentlich?
Zuletzt stellt sich die Frage, was der Bitcoin eigentlich ist und zu was er sich entwickeln wird. Die ursprüngliche Idee einer Parallelwährung als Alternative zum staatlichen Währungsdiktat scheint schon lange obsolet geworden zu sein. "Der Bitcoin ist schon lange ein reines Spekulationsobjekt und wird auf absehbare Zeit nicht als Währung eingesetzt werden", ist Falcon-Experte Egger überzeugt.
Emden bläst da ins gleiche Horn: "Der Bitcoin ist und bleibt ein Zockerprodukt. Und das sage ich völlig wertfrei." Bitcoin als Zahlungsmittel ist für ihn auf absehbare Zeit unvorstellbar. Trotzdem scheint es wohl sicher, dass der Bitcoin die unangefochtene Nummer 1 bei Kryptowährungen bleiben wird. Dafür ist der Bitcoin zu weit verbreitet und hat sich als Basiswährung etabliert. "Bitcoin ist der Platzhirsch und wird auch langfristig die Nummer 1 bleiben", ist denn auch Emden überzeugt.