Wer in den letzten Jahren Aktien der Versandapotheke Zur Rose erwerben wollte, musste dies über den Over-the-Counter-Handel der Berner Kantonalbank tun. Das soll sich nun ändern. Das aus einer Einkaufsgemeinschaft von Ärzten herangewachsene Unternehmen wagt in diesen Tagen den Gang an die Schweizer Börse SIX. Nach Galenica Sante im April handelt es sich bereits um den zweiten Schweizer Börsengang aus dem Apothekenbereich im laufenden Jahr.

Die Zeichnungsfrist läuft bereits. Voraussichtlich werden die Bücher am kommenden Mittwoch, dem 5. Juli, um 14 Uhr mittags geschlossen. Bis dahin können Anleger innerhalb einer Preisspanne von 120 bis 140 Franken noch Aktien zeichnen.

Freuen dürfte sich vor allem, wer schon Titel besitzt. Lange Jahre war die Aktie zu Kursen zwischen 19 und 26 Franken gefangen. Als sich die Unternehmerfamilie Frey im September 2016 an der Versandapotheke beteiligte, um die Wachstumsstrategie vorantreiben zu können, setzte die bis dahin als Mauerblümchen verschrieene Aktie zu einem Höhenflug an. In den letzten Tagen wurden im Over-the-Counter-Handel in der Spitze sogar Kurse von bis zu 156 Franken bezahlt. Das entspricht einer Versechsfachung innerhalb von ziemlich genau einem Jahr.

Die Frage, die sich nun stellt: Soll man als Anleger nach diesem Höhenflug überhaupt noch Aktien von Zur Rose zeichnen? Eine Antwort findet sich in einer Kurz-Analyse der Zürcher Traditionsbank Julius Bär. Darin raten die beiden Autoren der eigenen Kundschaft beim Börsengang mitzumachen. Eine Einschränkung machen sie allerdings, würden sie aus Bewertungsgründen doch nur am unteren Ende der Preisspanne Aktien zeichnen.

Zur Rose ist eine Erfolgsgeschichte

Die für Julius Bär tätigen Analysten finden vor allem an den Wachstumsaussichten sichtlich Gefallen. Das Unternehmen profitiere von strukturellen Wachstumstreibern wie der alternden Gesellschaft oder dem medizinischen Fortschritt. Ausserdem sei die Marktdurchdringung im Online-Handel in den beiden Schlüsselmärkten Schweiz und Deutschland mit 8 und 4 Prozent noch relativ bescheiden, so schreiben sie.

Ihres Erachtens dürfte ein Grossteil des Erlöses aus dem Börsengang darauf verwendet werden, die Wachstumsstrategie in diesem Geschäftszweig voranzutreiben. Für die nächsten fünf Jahre trauen die Analysten Zur Rose ein jährliches Umsatzwachstum von zwischen 10 und 20 Prozent zu. In Kombination mit der vom Unternehmen selbst angestrebten operativen Marge (EBITDA) von 5 Prozent im Jahr 2021 errechnen sie für die Aktie vom unteren Ende der Preisspanne ein Kurspotenzial von rund 20 Prozent.

Atemberaubender Kursanstieg der Zur-Rose-Aktie in den letzten 12 Monaten (Quelle: www.cash.ch)

Ursprünglich eine Einkaufsgemeinschaft von und für Ärzte, ist Zur Rose spätestens nach der Übernahme der Onlineapotheke DocMorris im Jahr 2012 zu einem Pionier auf diesem Gebiet aufgestiegen. Dank Innovationen wie dem elektronischen Rezept oder Erfolgen vor Gericht wie dem kürzlich gefallenen Rabattverbot in der Europäischen Union treibt das Unternehmen die Digitalisierung im Apothekengeschäft noch immer aktiv voran.

Im vergangenen Jahr erzielte das Unternehmen einen Jahresumsatz von rund 880 Millionen Franken. Ein beachtlicher Anteil davon entfiel auf den Grosshandel und damit auf das ursprüngliche Kerngeschäft. Am unteren Ende der Preisspanne für den Börsengang errechnet sich ein Unternehmenswert von rund 800 Millionen Franken, was fast einem Jahresumsatz entspricht. Aufgrund hoher Vorabinvestitionen lässt sich die Gewinnentwicklung vorerst nur schwer abschätzen.

Neben der Familie Frey (ca. 20,7 Prozent) ist seit diesem Jahr auch die zum saudischen Königshaus gehördende Al Faisaliah Gruppe (ca. 6,1 Prozent) an Zur Rose beteiligt. Die Firmenverantwortlichen selbst halten rund 8,4 Prozent der Stimmen. Mit rund 64 Prozent stellen mehr als 2000 Ärzte sowie zahlreiche private sowie institutionelle Anleger das Schwergewicht im Aktionariat.

In den Fussstapfen von Überflieger DKSH

In Anbetracht der starken Kurssteigerung der letzten Monate dürfte die Verlockung bei den bisherigen Aktionären gross sein, zumindest einen Teil der aufgelaufenen Kursgewinne zu realisieren. Wer vor gut einem Jahr einstieg, konnte seinen Einsatz nämlich versechsfachen. Anteilseigner der ersten Stunde sitzen vermutlich sogar auf noch umfassenderen Kursgewinnen.

Der Wechsel vom Over-the-Counter-Handel der Berner Kantonalbank an die Schweizer Börse SIX erinnert stark an jenen von DKSH von der Berner Börse ans Haupttableau der SIX. Auch der Kurs der Aktie des traditionsreichen Marktexpansionsdienstleisters schoss damals schon im Vorfeld innerhalb knapp eines Jahres von 50 auf 90 Franken hoch, gefolgt von einem schmerzhaften Rücksetzer. Bis heute hat die Aktie die ursprünglichen Höchstkurse noch nicht wieder erreicht. Bleibt zu hoffen, dass Ähnliches den Zur-Rose-Aktionären erspart bleibt.