Es ist nicht lange her, da war der Katzenjammer über einen vermeintlichen Crash an der US-Technologiebörse Nasdaq laut. Mitte Februar "erlaubte" sich der Tech-Index eine Korrektur von knapp über 10 Prozent. Grund waren insbesondere die schnell anziehenden Renditen auf US-Staatsanleihen, die Ängste vor baldigen Zinserhöhungen schürten. 

Kursentwicklung des Nasdaq 100 in den letzten 12 Monaten, Grafik: cash.ch. 

Doch mittlerweile hat sich der Wind längst wieder gedreht. Bevor nächste Woche die sogenannten GAFAM-Unternehmen (Google-Alphabet, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft) ihre Bücher öffnen, notieren US-Technologiewerte wieder an ihren Allzeithochs. Die Erwartungen sind, ungewöhnlicherweise, nicht ganz so himmelhoch wie sonst. Trotzdem gibt es Chancen, dass GAFAM mit seinen Zahlen erneut die Analysten-Schätzungen "wegpusten" wird, wie in US-Medien gerne und häufig getitelt wird. 

Tech-Riesen waren nie wirklich weg

Das Momentum für die Tech-Aktien ist ohnehin längst wieder da, auch der Nasdaq 100 notiert nahe seinem Allzeithoch. Einerseits zeigte sich, dass Big Tech durchaus mit höheren Renditen auf US-Bonds umgehen kann. Zum anderen sind die Renditen auf zehnjährige US-Treasuries, entgegen der Markterwartung im Frühjahr, bereits wieder deutlich gesunken. "Solange die Renditen so niedrig bleiben, sind Tech-Aktien nicht überbewertet", sagt Freddie Lait von Latitude Investment Management. 

Für die GAFAM-Aktien gilt das umso mehr, als dass diese Firmen – im Gegensatz zu vielen anderen, neuen Tech-Buden – schon heute wahre Gelddruckmaschinen sind. Am kommenden Dienstag wird der Zahlenreigen der grössten US-Technologieunternehmen eröffnet. Dann warten mit Alphabet, Microsoft und Apple gleich drei US-Tech-Schwergewichte mit Zahlen zum zweiten Quartal auf. 

Apple: Kann der «GAFAM-Nachzügler» überraschen? 

Unter Beobachtung steht vor allem Apple. Die Aktie des iPhone-Herstellers aus Cupertino hinkt dieses Jahr den anderen vier GAFAM-Titeln hinterher. Seit Anfang steht "nur" ein Plus von rund 13 Prozent zu Buche. Das Unternehmen leidet dieses Jahr unter Lieferengpässen, die vor allem Komponenten der Macs und iPads betreffen. Doch es kursieren leise Hoffnungen am Markt, dass die Erwartungen der Wall-Street-Analysten zu pessimistisch sein könnten. 

Wedbush Securities glaubt, dass Apple bei den Q2-Quartalszahlen für eine positive Überraschung sorgen dürfte. Das US-Investmenthaus rechnet unter anderem mit einem dicken Plus im iPhone-Geschäft, welches vom Markt unterschätzt werde. Auch Brian White vom US-Broker Monness Crespi Hardt bezeichnet die Konsensschätzungen bei Apple als "zu konservativ" - und setzt ein Kursziel von 180 Dollar (aktueller Kurs: 146 Dollar). 

Kursentwicklung der Apple-Aktie seit Anfang Jahr, Grafik: cash.ch. 

Microsoft: Wie stark wächst das Cloud-Geschäft? 

Bei Microsoft ruhen die Hoffnungen vor allem auf dem Cloud-Dienst Azure. Starke Zuwächse in diesem Geschäft trieben den Aktienkurs dieses Jahr bereits um 30 Prozent nach oben. Derrick Wood von der US-Investmentbank Cowen erwartet hier starke Zuwächse und erhöht sein Kursziel auf 310 Dollar (aktueller Kurs: 286 Dollar). Zudem geht er von einer starken Erhöhung der Prognose aus. "Der Umsatz-Ausblick dürfte klar über den Erwartungen liegen", schreibt Wood in einer Note. 

KeyBanc Capital Markets hob das Kursziel vergangene Woche gar auf 330 Dollar an, auch im Hinblick auf das wachsende Geschäft mit Sicherheitssoftware. Die Margen hingegen könnten ein wenig unter Druck geraten. Microsoft investiert massiv in neue Dienste, was das Ergebnis entsprechend belastet. Allerdings ist das kein Geheimnis am Markt und sollte nicht für allzu grosse negative Überraschungen sorgen.  

Alphabet und Facebook nützt das Comeback des Werbegeschäfts 

Alphabet hat in dieser Berichtssaison am meisten Vorschusslorbeeren zu verteidigen. Die Aktie des Google-Mutterkonzerns ist mit einem Kursplus von 50 Prozent seit Anfang Jahr der Überflieger unter den GAFAM-Aktien. Die Wirtschaftserholung nach dem Corona-Schock hat den Werbemarkt wieder kräftig angekurbelt –  ein Kerngeschäft von Alphabet. Dass diesbezüglich mit weiter steigenden Umsätzen zu rechnen ist, darauf deuten die Zahlen von Twitter und Snap von vergangener Woche hin. Beide Firmen verzeichneten starke Zuwächse im Werbegeschäft. 

"Die Zahlen von Twitter und Snap zeigen, dass die Werbewirtschaft ihre Budgets wieder auf Vorkrisenniveau hochfährt. Wir glauben, dass auch Alphabet und Facebook diesbezüglich anständige Zuwächse melden werden", sagt Nazmul Islam, Analyst vom Researchhaus EMarketer. Auch Facebook hatte zuletzt von der Wirtschaftserholung kräftigt profitiert. Die Kalifornier präsentieren ihre Geschäftszahlen am Mittwoch. Auch hier könnte es positive Überraschungen geben. 

Im Fokus wird allerdings auch stehen, wie sich das Facebook-Management zur Fehde mit Apple äussert. Hintergrund: Das jüngste iOS-Updates von Apple schränkt die Fähigkeit von Facebook ein, die Aktivitäten der Benutzer auf Websites von Drittanbietern zu verfolgen. Der Markt befürchtet negative Auswirkungen auf das Geschäft.

Kursentwicklung der Alphabet-Aktie seit Anfang Jahr, Grafik: cash.ch. 

Amazon: Aktie reif für Ausbruch nach oben? 

Den Geschäftszahlen-Reigen schliesst am Donnerstag Amazon. Bis im Juni dümpelte die Aktie des Tech-Riesen fast elf Monate vor sich hin und war unter den GAFAM-Titeln klarer Underperformer. Und das, obwohl die Gewinnsteigerungen in dieser Periode stets überdurchschnittlich waren. Diese Diskrepanz zwischen Aktienkurs und Geschäftsentwicklung wird vom Markt zunehmend erkannt. Seit Mitte Juni zieht der Kurs wieder an. 

Lange ist es her, dass Amazon bei der Verkündung der Quartalszahlen die Erwartungen der Analysten nicht übertreffen konnte. Wenige zweifeln daran, dass es auch dieses Mal der Fall sein wird. Doch dieses Mal könnte die Aktie nach längerer zeit mal wieder mit Kurssprüngen auf die Ergebnisse reagieren. Der Titel ist noch immer billig, wie cash an dieser Stelle bereits dargelegt hat. Die Analysten sind bei Amazon ohnehin derart bullish, wie bei kaum einer anderen Aktie: Von 55 von Bloomberg erfassten Analysten raten 54 zum Kauf, keine einzige zum Verkauf.