Weniger Gewinn beim Schraubenspezialisten Bossard, tiefere Gewinnerwartungen beim Sensorenhersteller und Autozulieferer Sensirion, ein vorsichtiger Ausblick beim Logistikausrüster Interroll und weniger Umsatz im Kunststoffimperium Ems-Chemie: Die ersten Berichte darüber, wie bei Unternehmen die ersten sechs Monate verlaufen sind, geben ein ernüchterndes Bild ab.
Entsprechend sieht es an der Börse aus. Im Rückblick auf nur wenige Handelstage ist am Markt eine Reihe von Zyklikern eingebrochen. Interroll zum Beispiel hat innerhalb einer Woche fast 19 Prozent verloren, der Textilmaschinenbauer Rieter und der Autozulieferer Autoneum jeweils rund 11 Prozent. Sensirion, der ebenfalls im Autogeschäft engagierte Kabelmaschinenentwickler Komax oder der Technologieanbieter Comet haben rund 7 Prozent verloren.
"Es wird eine schwierige Berichtssaison"
Dass das negative Sentiment auch nicht vor grösser kapitalisierten Firmen haltmacht, zeigen der globale Bauchemiekonzern Sika, der Rohrleitungs- und Autoteilehersteller Georg Fischer und das Baugrossunternehmen Implenia, deren Aktienkurse innerhalb von fünf Tagen um die 6 bis 7 Prozent zurückgekommen sind.
Der schwere Stand von Autozulieferern und Chipherstellern an der Börse ist kein Zufall und kommt auch nicht unerwartet. Produktion und Nachfrage bei Autos sind weltweit am Sinken. Der Autoabsatz in Europa ist im ersten Quartal um 2 Prozent und in Nordamerika um 3 Prozent zurückgegangen, und dies trifft letztlich auch die Schweizer Zulieferbranche. Auf der Halbleiterindustrie wiederum lasten ein Konkurrenz- und Preiskampf, der Handelskonflikt und die Konjunkturdelle in China. Die generelle Furcht vor einer Konjunktureintrübung belastet alle Sparten und zeigte sich beim ausgeprägten Frühzykliker Bossard.
Einfache Erklärung für die Gewinnwarnungen von BASF, Bossard, Sensirion und Interroll sowie die scharfen Kurskorrekturen dieser Titel. Die wirtschaftliche Realität (vor allem im Industriesektor) und die Marktentwicklung sind zu stark auseinandergelaufen. #Aktien $BAS $DAX #PMI pic.twitter.com/s5DyCiG79V
— Matthias Geissbühler (@M_Geissbuehler) 11. Juli 2019
"Schlechterer Zahlen ist man sich am Markt bewusst gewesen, was allenfalls überrascht, ist das Ausmass", sagt Sven Bucher, Chefanalyst der Zürcher Kantonalbank. Die Chemiegruppe BASF in Deutschland hat vergangene Woche mit einer unerwartet deutlichen Gewinnwarnung die Märkte verunsichert. Der Optimismus ist auch in der Schweiz weiterhin verhalten: "Es dürfte eine eher schwierige Reporting Season werden", sagt Bucher.
Positiv werden nur wenige auffallen
In der Schweizer Autozulieferer- und der Halbleiterbranche sieht der ZKB-Research-Chef weiterhin ein erhöhtes Risiko für Anleger. Es werde wohl auch generell nicht viele Unternehmen geben, die positiv überraschen würden. "Wenn Unternehmen gut abschneiden werden, sind es eher die defensiv aufgestellten Pharma- und Nahrungsmittelunternehmen."
Ähnlich urteilt die Helvetische Bank. Diese empfiehlt zwar Anlegern, qualitativ hochstehende Industrieaktien wie Ems, aber auch Schindler oder Sika auf dem Radar zu behalten. Dies vor allem dann, wenn sich dort erneute Kursrückgänge abzeichnen, die Einstiegsgelegenheiten schaffen. Trotzdem: "In der aktuellen Situation halten wir uns allgemein betrachtet allerdings eher an grosskapitalisierte, defensive Aktien", schreiben die Analysten des Vermögensverwalters.
Dass eine holprige Berichtsaison kommt, will auch Fondsmanager Martin Lehmann von der Anlagegesellschaft 3V Asset Management nicht abstreiten. Die Verfassung der zyklischen Unternehmen sei indessen nicht überall gleich, womit sich auch die Aktienkurse unterschiedlich entwickeln dürften.
Der Kurs der Interroll-Aktie in den vergangenen 12 Monaten (Grafik: cash.ch)
Unternehmen wie Interroll oder auch Belimo und Lem seien lange sehr beliebt gewesen. "Sie verfügen immer noch über eine Performance, die wesentlich über dem Jahresanfang liegt. Interroll beispielsweise hat immer noch eine Jahresperformance von 37 Prozent, da würde ich durchaus eine Wette eingehen." Autoneum hingegen liege um 20 Prozent unter Jahresbeginn, habe einige hausgemachte Probleme in Nordamerika und hat wenig Marge als Spielraum. "Da würde ich im Moment nicht zukaufen", sagt Lehmann.
Nicht bei allen Unternehmen lässt sich der Trend so klar voraussagen. Georg Fischer, wo die Aktie unter Druck steht, gibt ein gemischtes Bild ab. Die Industriegruppe hat die Abhängigkeit von der Automobilindustrie reduziert, kann beim Aktienmarkt aber sehr wohl weiter abgestraft werden.
Im Downturn trennt sich die Spreu vom Weizen: Gut geführte, qualitativ hochstehende Firmen werden nach Lehmanns Einschätzung gut durch die Berichtssaison kommen, auch wenn konjunkturelle Abkühlungstendenzen da seien. "Interessant für Investoren bleiben jene Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell und besonders auch ihre Margen schützen können."
Starke Marge bei Ems
Weiterhin stark ist die Marge bei Ems, auch wenn der Umsatz – bedingt durch die lahmende Autokonjunktur – zurückgegangen ist, wie am vergangenen Freitag mitgeteilt wurde. Das Verhältnis vom Betriebsergebnis zum Umsatz (Ebit-Marge) hingegen erhöhte sich im ersten Halbjahr um 1,2 Prozentpunkte auf 27,3 Prozent. Dadurch erklärt sich, weswegen der Kurs der Aktie nach dem Halbjahresbericht zeitweise um 6 Prozent anstieg, nachdem er in den Tagen davor merklich gefallen war.
Ems ist in gewisser Hinsicht ein Ausnahmeunternehmen, was sich an der ungewöhnlich hohen Betriebsmarge ablesen lässt. Bei den übrigen Zyklikern müssen Investoren in der Tat genau hinschauen, was die Berichtssaison bringt. Einige Titel werden enttäuschen, aber Chancen bestehen weiterhin. Wer aber auf Nummer sicher gehen will, wird mit defensiven Anlagen besser fahren.