Die Aktien von Stadler Rail fallen im frühen Handel am Donnerstag bis 16 Prozent auf 18,85 Franken. Das ist ein neues Allzeittief. Schon das ganze Jahr hindurch bekundet die Aktie Mühe. Anfang Jahr kostete der Titel noch fast 31 Franken.

Am Donnerstag der nächste Nackenschlag: Der Ostschweizer Zugbauer muss seine Prognosen für 2024 senken. Grund ist vorab die Unwetterkatastrophe von Ende Oktober in Spanien. Das Werk in Valencia blieb zwar unbeschädigt. Mehrere Aussenlager von Stadler Valencia seien jedoch in Mitleidenschaft gezogen worden. Und vor allem wurden rund 30 Zulieferer von Stadler Valencia laut einer Mitteilung hart getroffen. Diese könnten die benötigten Komponenten nicht liefern und das Stadler-Werk arbeite aktuell reduziert.

Einen Rückstand arbeitet auch Stadler-Zulieferer Constellium im Wallis ab, nachdem dessen Werk im Juni überflutet wurde. Der Hersteller von Aluminium-Profilen werde seinen Rückstand aber wohl erst Ende August 2025 aufgeholt haben. Und in Österreich wurde im September ein Inbetriebssetzungszentrum von Stadler überflutet.

"Die Auswirkungen der Naturkatastrophen bei Stadler Rail übersteigen unsere Befürchtungen erheblich", schreibt die Zürcher Kantonalbank in einem Kommentar. Das operative Ergebnis könnte für 2024 um bis zu 50 Prozent unter Plan liegen. Damit wäre eine Dividendenkürzung wohl unausweichlich.

Die angestrebte Trendwende hin zu beschleunigtem Wachstum und signifikant steigenden EBIT-Margen sei für 2025 kaum mehr realistisch, schreibt die ZKB weiter. Somit drohe ein weiteres Übergangsjahr.

Research Partners senkte am Donnerstag die Anlageempfehlung für die Aktie von Stadler Rail auf "Halten" von zuvor "Kaufen", das Kursziel wurde neu bei 23,20 Franken festgelegt. Die UBS rät zum Verkauf der Aktie, die Bank Vontobel nimmt sowohl Anlageempfehlung sowie Kursziel von 38 Franken "in Revision".

Die Probleme von Stader Rail in Berlin gehen allerdings nicht auf Unwetter zurück. Das Unternehmen hatte 2019 eine grosse Ausschreibung der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gewonnen. Nach einem Rekurs von Alstom und Covid kam laut der Mitteilung zuletzt noch ein Software-Problem hinzu. Die BVG hätten bisher erst 376 der 1500 Wagen bestellt, das Werk in Berlin-Pankow sei daher zu wenig ausgelastet.

"Wir erwarten keine Gegenbewegung im Kurs vor März 2025"

Die Ereignisse werden die EBIT-Marge im Jahr 2024 um maximal 2 Prozentpunkte schmälern, erklärte Stadler Rail. Davor hatte das Unternehmen noch mit einer Profitabilität von mehr als 5 Prozent gerechnet. Gleichzeitig könne das bisher angestrebte Umsatzziel von 3,5 bis 3,7 Milliarden Franken in 2024 nicht mehr erreicht werden, steht im Communiqué von Stadler Rail. Ein Teil des Umsatzes verschiebe sich ins Jahr 2025. In welchem Ausmass, könne aktuell aber noch nicht beziffert werden.

Stadler Rail setzt gleichzeitig die Guidance für die Geschäftsjahre 2025 und 2026 aus, da die Auswirkungen noch nicht abschätzbar seien. Dies werde das Unternehmen im ersten Jahresviertel 2025 nachholen, sobald das Budget 2025 überarbeitet und die Finanzplanung für die Folgejahre erstellt sei.

Schon nach der Bekanntgabe der Halbjahreszahlen im Juli kam es zu "Verleiderverkäufen" durch Investoren, was bereits auf tiefer liegende Probleme schliessen liess. Der Betriebsgewinn EBIT sackte um 41 Prozent auf 28,2 Millionen Franken ab. Die Betriebsgewinnmarge verschlechterte sich auf 2,2 Prozent von 3,7 Prozent im Vorjahr. Das war die tiefste Profitabilität seit dem ersten Semester 2020. 

Vom Hype um die "Volksaktie" Stadler Rail ist jedenfalls nichts mehr übrig. Wer nach dem Börsengang von Stadler Rail im April 2019 und besonders rund um das Allzeithoch im November 2019 bei 49 Franken Aktien kaufte, sitzt heute auf stattlichen Buchverlusten. Der IPO-Ausgabepreis der Aktie betrug 38 Franken und der Eröffnungsnotierung lag bei 42 Franken am selben Tag. Firmenpatron Peter Spuhler selbst hatte im Vorfeld des Börsengangs den Begriff der "Volksaktie" ins Spiel gebracht und stand damit in der Gunst der Anleger. Banken hatten Mühe, die Nachfrage von Kunden zu befriedigen.

Die Bewertung der Aktie sei nun zwar günstig, schreibt die ZKB weiter. Aber die Dividendenunterstützung fehle. "Wir erwarten keine Gegenbewegung im Kurs vor März 2025".

 

Daniel Hügli
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