An der Schweizer Börse dreht sich (fast) alles um den Swiss Market Index (SMI). Der Leitindex deckt rund 80 Prozent des Gesamtkapitals des Schweizer Aktienmarktes ab und wird als Basis- sowie Referenzwert für zahlreiche Indexprodukte verwendet.
Das war nicht immer so: Ins Leben gerufen wurde der SMI am 30. Juni 1988. Damals noch ohne grosses Tamtam. Den Zeitungen war die Einführung allerhöchstens eine Randnotiz wert - was vielleicht auch damit zu tun hat, dass die Wochenzeitung cash erst ein Jahr später, am 8. September 1989, ins Leben gerufen wurde.
Wie cash ist auch der Handel der Schweizer Börse inzwischen vollelektronisch. Der Ringhandel mit den schreienden Händlern wird im August 1996 durch ein elektronisches Handelssystem abgelöst. Doch der eigentliche Start in die Moderne begann für die Schweizer Börse bereits bei der Einführung des SMI. Inwiefern dies den Börsenhandel modernisierte, erfahren Sie im ersten von insgesamt acht wissenswerten Fakten über den Schweizer Leitindex:
1. Der SMI brachte die Börsenhändler um ihre Mittagspause
Der SMI wurde mit dem Hintergedanken eingeführt, ein Basisindex für den Handel mit Derivaten zu schaffen. Doch damit dies möglich war, musste ein permanenter Handel möglich sein. Zuvor wurde jede Aktie in Einzelauktionen nur ein paar Minuten am Tag gehandelt, existierende Indices konnten deswegen nur einmal pro Tag berechnet werden. Neu wurden die grössten Schweizer Aktien fortlaufend handelbar, dazu musste die bisher übliche Mittagspause für Aktienhändler gestrichen werden. Heute ist der Aktienhandel an der Schweizer Börse durchgehend von 9 bis 17.30 Uhr möglich.
2. Seit der Gründung hat sich der SMI fast versechsfacht
Der Startwert für den SMI wurde auf 1500 Punkte festgelegt, inzwischen sind es 8530 Punkte - das entspricht einer Zunahme von 470 Prozent. Vom Allzeithoch vom 5. Januar 2018 bei 9558 Punkten hat sich der Leitindex inzwischen wieder um 12 Prozent entfernt. Der tiefste je erreichte Wert datiert vom 14. Januar 1991 bei 1279 Punkten - es war die Zeit kurz vor Ausbruch des zweiten Golfkrieges.
3. Nur einmal verlor der SMI an einem Tag über 10 Prozent
Zwar sorgte die Aufhebung des Euro-Mindestkurses am 15. Januar 2015 für eine gewaltige Abwärtsbewegung am SMI (minus 8,67 Prozent), doch reicht das nicht zum Titel "Schlechtester Schweizer Handelstag aller Zeiten". Diesen bekommt der 16. Oktober 1989 mit einem Minus von 10,54 Prozent. Damals liessen Sorgen um eine Liquiditätskrise aufgrund der Überschuldung einiger US-Firmen die Börsen weltweit purzeln.
Den stärksten Börsentag gab es am 13. Oktober 2008 mit plus 11,39 Prozent, als die USA inmitten der Finanzkrise die Teilverstaatlichung von Grossbanken ankündigte. Nur drei Tage später folgte die UBS-Rettung durch Bund und SNB via Notrecht. In nachfolgender SIX-Grafik die grössten Kursbewegungen im SMI:
Der Swiss Market Index seit der Gründung Ende Juni 1988, Quelle: Schweizer Börse SIX
4. Pargesa und Pirelli waren zu Beginn im Leitindex
Die erste Zusammensetzung des SMI bei der Gründung umfasste 24 Titel (zur Tabelle mit den ersten SMI-Mitgliedern). Darunter finden sich - aus heutiger Optik - einige Überraschungen: Etwa die Genfer Beteiligungsgesellschaft Pargesa, die zwar immer noch an der Schweizer Börse kotiert ist, aber nur noch wenig Beachtung findet. Auch der italienische Reifenhersteller Pirelli - der 2015 von ChemChina übernommen wurde - war bis 1992 im SMI drin. Genau genommen handelte es sich dabei um die Société Internationale Pirelli mit Sitz in Basel, die ausländische Beteiligungen des Reifenkonzerns verwaltete.
5. Einzig die Swissair ist ganz verschwunden
Die Gründerliste birgt zwar einige heute nicht mehr geläufige Namen, doch hat sich nur gerade eine Firma der SMI-Urbesetzung ganz aufgelöst: Die Swissair. Viele hielten es für unmöglich, doch im Oktober 2001 war die einst stolze Schweizer Fluggesellschaft pleite. Auch die Elektrowatt, einst ein bekannter Name, gibt es in der damaligen Form nicht mehr. Die in der Energieversorgung und Elektroindustrie tätige Firma mit Sitz in Zürich wurde Ende der 1990er zerschlagen. Die einzelnen Geschäftsteile wurden verkauft und sind heute Teil von Firmen wie Axpo, Siemens, Pöyry oder Landis & Gyr.
6. Der Leitindex ist geprägt von Grossfusionen
Insgesamt waren 10 der heutigen 20 SMI-Mitglieder schon bei der Gründung dabei. Allerdings haben viele aufgrund von Übernahmen und Fusionen neue Namen: Im Pharmabereich schlossen sich Ciba Geigy und Sandoz 1996 zu Novartis zusammen. Aus dem Schweizerischen Bankverein und der Schweizerischen Bankgesellschaft wurde 1997 die UBS. Die Schweizerische Volksbank und die Schweizerische Kreditanstalt wurden 1993 zur Credit Suisse. Brown Boveri fusionierte mit Asea aus Schweden zu ABB und auch Adia (heute Adecco) sowie Holderbank (heute LafargeHolcim) veränderten aufgrund von Zusammenschlüssen ihre Namen.
7. Inhaberaktien sind heute verpönt
Der SMI führte 1988 viele Titel doppelt: Einmal als Inhaberaktie, einmal als Partizipationsschein. Erstere sind inzwischen weitgehend verpönt, da diese anonym gehalten werden können und in der Vergangenheit mit Fällen von Geldwäscherei und Steuerhinterziehung in Verbindung gebracht wurden. Der Bundesrat hat sich Anfang 2018 dafür eingesetzt, die Inhaberaktien - derzeit betrifft dies noch 30 Prozent aller Aktiengesellschaften der Schweiz - ganz abzuschaffen und in Namenaktien umzuwandeln. Aus dem SMI führt derzeit einzig Swatch noch eine Inhaberaktie.
8. Europas grösstes Unternehmen stammt aus dem SMI
Nestlé ist mit einem Börsenwert von 239 Milliarden Franken die grösste Firma ganz Europas. Auch die Pharmaschwergewichte Novartis und Roche sind in den Top 5 vertreten. Diese drei Titel sind denn auch hauptverantwortlich für die internationale Anziehungskraft des Schweizer Leitindex. Jedoch führen sie auch zu einem Klumpenrisiko: Allein diese drei grössten Schweizer Titel haben im SMI ein Gewicht von 55 Prozent - Das Schicksal des Leitindex hängt also sehr stark von ihnen ab.
Das ist der SMI bei der Gründung am 30. Juni 1988
Titel | Branche | Heutiger Name / übergangen in |
Adia I | Personalvermittlung | Adecco |
Brown Boveri (BBC) I | Technologie | ABB |
Ciba-Geigy I | Pharma | Novartis |
Ciba-Geigy PS | Pharma | Novartis |
Sandoz PS | Pharma | Novartis |
Elektrowatt I | Elektrizität | Axpo, Siemens, Landis & Gyr, Pöyry |
Hoffmann-La Roche GS | Pharma | Roche |
Holderbank I | Zement | LafargeHolcim |
Jacobs Suchard I | Nahrungsmittel | Mondelez |
Nestlé I | Nahrungsmittel | Nestlé |
Nestlé PS | Nahrungsmittel | Nestlé |
Oerlikon-Bührle I | Industrie | OC Oerlikon |
Pargesa I | Beteiligungsgesellschaft | Pargesa |
Pirelli I | Reifenhersteller | Pirelli |
Schweiz. Rückversicherung PS | Versicherungen | Swiss Re |
Schweiz. Bankgesellschaft I | Banken | UBS |
Schweiz. Bankgesellschaft PS | Banken | UBS |
Schweiz. Bankverein I | Banken | UBS |
Schweiz. Bankverein PS | Banken | UBS |
Schweiz. Volksbank | Banken | Credit Suisse |
Schweiz. Kreditanstalt I | Banken | Credit Suisse |
Swissair I | Fluggesellschaft | Konkurs |
Winterthur I | Versicherungen | AXA Winterthur |
Zürich I | Versicherungen | Zurich |
I =Inhaberaktien, PS=Partizipationsschein, GS=Genussschein / Quelle: Schweizer Börse SIX und cash.ch