Den Anfang hat Sri Lanka gemacht: Das Land hat Zahlungen an ausländische Anleihegläubiger eingestellt, nachdem Lebensmittel- und Kraftstoffkosten explodiert waren. Russland folgte im Juni als Folge immer weiterer Sanktionen. Im Blick stehen nun El Salvador, Ghana, Ägypten, Tunesien und Pakistan – Nationen, die Bloomberg Economics als anfällig für mögliche Zahlungsausfälle ansieht.
"Schuldenrisiken und Schuldenkrisen sind nicht hypothetisch" bei einigen Ländern mit niedrigen Einkommen, sagte Carmen Reinhart, Chefvolkswirtin der Weltbank, zu Bloomberg Television. "Sie sind schon da."
Droht ein Dominoeffekt?
Die Zahl der Schwellenländer mit Staatsanleihen, die auf notleidendem Niveau handeln – Renditen, die darauf hindeuten, dass Anleger einen Zahlungsausfall für eine reale Möglichkeit halten – hat sich in den letzten sechs Monaten mehr als verdoppelt, so von Bloomberg zusammengestellte Daten. In diesen 19 Nationen leben mehr als 900 Millionen Menschen.
Auf dem Spiel stehen 237 Milliarden Dollar an Anleihen, die in der Hand ausländischer Gläubiger sind. Das entspricht etwa 17 Prozent der 1,4 Billionen Dollar an Staatsschulden aus Schwellenländern, die auf Dollar, Euro oder Yen lauten.
Die Vergangenheit zeigt: der finanzielle Zusammenbruch eines Landes kann einen Dominoeffekt erzeugen. Eine solche Ansteckung manifestiert sich darin, dass Händler Geld aus Ländern mit ähnlichen wirtschaftlichen Problemen sofort abziehen und damit deren Absturz beschleunigen. Auslöser waren in der Schuldenkrise Lateinamerikas in den 1980er Jahren zügige Zinsanhebungen der Federal Reserve, um die Inflation einzudämmen. Der Wert des Dollars stieg und Entwicklungsländer taten sich schwer, ihre ausländischen Anleihen zu bedienen. Heute ist es ganz ähnlich.
Am stärksten im Feuer stehen kleinere Länder. Grössere wie China, Indien, Mexiko und Brasilien können relativ robuste Aussenbilanzen und Devisenreserven anführen.
Gelder werden abgezogen
Politische Unruhen als Folge der steigenden Nahrungsmittel- und Energiekosten werfen einen Schatten auf bevorstehende Anleihezahlungen in hochverschuldeten Nationen wie Ghana und Ägypten. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine sorgt für Druck auf die Rohstoffpreise, die Zinssätze steigen weltweit, genauso wie der US-Dollar. Viele meinen, mit dem Geld solle besser der eigenen Bevölkerung geholfen werden.
Viele Schwellenländer haben während der Covid-Pandemie Anleihen für ausländische Gläubiger begeben, als die Nachfrage hoch und die Fremdkapitalkosten niedrig waren. Doch nun steigen die Zinsen und Gelder werden abgezogen.
Nach Angaben des Institute of International Finance zogen ausländische Vermögensverwalter im Juni aus sich entwickelnden Volkswirtschaften 4 Milliarden Dollar an Anleihen und Aktien ab, der vierte Monat in Folge mit Abflüssen.
Die politischen Unruhen in Sri Lanka wurden durch fehlenden Strom und hohe Inflation angefacht. Das könnte auch anderen Ländern bevorstehen.
(Bloomberg)