Es sei beunruhigend, dass die deutsche Bankenlobby im Kampf gegen schärfere Eigenkapitalregeln Unterstützung von den Aufsichtsbehörden und der Politik bekomme, sagte die Wissenschaftlerin der "Welt am Sonntag". "Wir müssen aufpassen, dass die Bankenregulierung in Europa nicht für die falschen Ziele missbraucht wird. Es geht bei der Bankenaufsicht nicht darum, die Wettbewerbskraft der Institute zu stärken oder Mittelstand und Infrastruktur zu fördern. Erstes Ziel muss immer sein, die Finanzstabilität zu stärken", stellte Schnabel fest.
Die US-Wettbewerber seien im Zuge der weltweiten Finanzkrise 2008 zwangsweise mit Kapital vollgepumpt worden. Deswegen stünden sie nun deutlich besser da. "Europa hat das verpasst, damit müssen wir leben", so Schnabel.
Wenn man sehe, dass mehr als die Hälfte der grossen EU-Banken derart wenig Eigenkapital halte, dass bei einem Verlust von fünf Prozent des Portfoliowerts das gesamte Eigenkapital weg wäre - da sage es einem schon der gesunde Menschenverstand, dass das viel zu wenig sei.
Fusionen würden das Problem nicht lösen. Deswegen sei es gut, dass Überlegungen für einen Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank vorerst vom Tisch seien. Auch grenzüberschreitende Deals in Europa seien nicht sinnvoll. "Dann hätten wir zehn europäische Champions, die man wegen ihrer Systemrelevanz im Notfall erst recht nicht abwickeln könnte", so Schnabel.
Europa müsse den Mut haben, marode Institute auch abzuwickeln. Das würde den Wettbewerbern helfen. Es werde aber jetzt bei der italienischen Krisenbank Monte dei Paschi, die bereits mehrfach vom Staat gerettet werden musste, wieder vorerst über eine Sanierung nachgedacht.
(AWP)