Und die Nachfrage nach europäischen Vermögenswerten ist so hoch, dass die Gemeinschaftswährung erstmals seit der Zunahme des Finanzierungsdrucks in diesem Jahr nur einen Katzensprung davon entfernt ist, teurer als der Dollar zu sein.

Rückenwind erhält der Euro von einer Reihe von Faktoren. Zum einen hat der Hilfsfonds der Europäischen Union stark dazu beigetragen, die Besorgnis bezüglich der strukturellen Risiken des Blocks zu verringern. Auch sehen die Bemühungen zur Bekämpfung des Coronavirus und zur Wiederbelebung der Wirtschaft im Vergleich zu den USA vielversprechender aus. Diese Faktoren bilden die Grundlage für eine langfristige Veränderung für den Euro.

"Dies ist keine Frage des Wachstums in diesem oder im nächsten Jahr oder Prognosen zum Zyklus - es ist wirklich etwas strukturelleres", sagte Nicolas Veron vom Peterson Institute for International Economics. "Die Haushaltsvereinbarung verändert die Sichtweise der Finanzmärkte auf die Eurozone in bedeutender Weise", sagte er. "Es ist eine grosse Stärkung der EU und des Euro."

Die Euphorie über den Paradigmen-Wandel beim Euro ist so gross, dass Aktien, deren Nachfrage normalerweise sinkt, wenn ihre zugrunde liegende Währung stärker wird, zulegen. Die Händler haben bezüglich der Wachstumsunterschiede zwischen Europa und den USA kapituliert. Und die Renditen einiger hochrentierlicher Staatsanleihen im 27 Länder umfassenden Block sind auf das Niveau vor dem Lockdown gesunken.

Die grosse Veränderung

Mit dem bahnbrechenden 750 Milliarden Euro schweren Paket hat sich das Schicksal des Euro gewandelt. Im Juli ist es gelungen, nach jahrelangem erfolglosen, politischen Gerangel eine Vereinbarung zu erreichen. Der Hilfsfonds, der durch die Ausgabe von gemeinsamen Bonds finanziert wird, hat dazu beigetragen, die Befürchtungen eines Auseinanderfallens der Währungsgemeinschaft zu zerstreuen.

Zusammen mit den quantitativen Lockerungsprogrammen der Europäischen Zentralbank hat dies dazu geführt, dass die Renditedifferenz zwischen italienischen und deutschen Benchmark-Anleihen auf den niedrigsten Wert seit Februar gefallen ist. Diese Messgrösse für das Risiko in Europa war im März gestiegen.

"Es ist eine starker Faktor für den Euro", sagte Tony Small, Leiter der europäischen Zinsstrategie bei Morgan Stanley. "Ein grosser Teil des Risikos, das mit einem Auseinanderfallen des Euro verbunden wird, dürfte in der Einschätzung des Marktes verschwunden sein. Stattdessen gibt es einen attraktiven Emittenten von hoher Qualität, der die gesamte Kreditqualität des Euro nach oben ziehen wird."

Im Juli legte der Euro um 4,8 Prozent zu und durchbrach eine bearische Trendlinie, die die Gewinne seit 2008 begrenzt hatte, was Potenzial für weitere Rallies freisetzt. Angesichts dieser Entwicklung haben die Analysten auch rasch ihre Prognosen nach oben revidiert.

Zwar hat die Gemeinschaftswährung im August am Kassamarkt eine Verschnaufpause eingelegt hat, jedoch stiegen laut CFTC-Daten die Netto-Long-Positionen im Euro auf ein Allzeithoch.

Es ist relativ

Die Rahmenbedingungen der Gemeinschaftswährung sind im Vergleich zum Dollar besonders stark, geht aus Bloomberg-Berechnungen der CFTC-Daten hervor. Bei der US-Devise sind die Netto-Short-Positionen gegenüber den grossen Pendants auf den höchsten Stand seit 2012 gestiegen.

Eine Messgrösse für den Greenback verzeichnete den schlimmsten Juli seit 2010 und beendete den Monat nahe dem niedrigsten Stand seit fast zwei Jahren. Belastend wirken die zunehmende Zahl von Infektionen in den USA, die 5 Millionen überstieg, die fragmentierte Reaktion der Nation auf das Virus, die Schwierigkeiten im Kongress in Washington eine Einigung auf ein weiteres Fiskalpaket zu erreichen sowie eine möglicherweise umstrittene Präsidentschaftswahl im November.

Diese Risiken sprechen für den Euro.

Es gibt Anzeichen dafür, dass es dem Euroraum gelungen ist, die Verbindung zwischen der Wiederöffnung von Volkswirtschaften und einer Virus-Eskalation zu durchbrechen, was die Wachstumsprognosen anschiebt. Obwohl der Lockdown und der anfängliche Konjunktureinbruch in Europa grösser waren, dürfte das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2021 um 5,5 Prozent zulegen, was Schätzungen zufolge etwa 1,5 Prozentpunkte über den Prognosen für die USA liegt, zeigen von Bloomberg zusammengestellte Schätzungen.

Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds ist dies seit 1992 nur acht Mal geschehen.

Euro bei 1,30 Dollar?

Nachdem die Realrenditen in den USA auf einem Rekordtief liegen und schneller fallen als anderswo, fliessen Investments zurück nach Europa, wo die Reaktion der Regierung auf das Virus vorhersehbarer ist, sagte Jordan Rochester, Devisenanalyst bei Nomura International in London.

Bis sich diese Dynamik ändert oder es eine zweite Welle gibt, rät Kenneth Broux, ein Stratege bei Société Générale in London, mittelfristig zu Euro-Käufen in Schwächephasen.

"Es ist nicht nur das Wachstum", sagte Peter Chatwell, Leiter Multi-Asset-Strategie bei Mizuho International, die einen Anstieg der Gemeinschaftswährung auf 1,30 Dollar bis Juli 2021 erwartet. "Es ist auch politisch so, dass der Euro noch nie so stark war und noch nie so nahe daran war, richtig konstruiert zu sein."

(Bloomberg)