"Trump verhängt neue Zölle für chinesische Waren"; "China schlägt im Handelsstreit zurück"; "Nehmen die USA deutsche Autobauer ins Visier?" - Meldungen wie diese liest man nicht nur täglich oder gar fast stündlich, sie beeinflussen derzeit stark die Aktienmärkte.

Anlegerinnen und Anleger, die in den vergangenen Tagen und Wochen die Märkte beobachtet oder dort gehandelt haben, können ein Lied davon singen. Nach unten geht’s, wenn eine neue Befürchtung um eine Verschärfung der Handelsstreitigkeiten der USA gegen China und Europa die Runde macht. Kurse können genauso schnell wieder anziehen: Dann etwa, wenn Zeichen einer scheinbaren Entspannung zwischen US-Präsident Donald Trumps Administration und den Regierungen in China und Europa hektisch Kauforder auslösen.

Konflikt oder Krieg?

Die Charakterisierung des Konflikts ist allerdings nicht einheitlich. In der englischsprachigen Welt wird der Begriff "trade war" recht unbekümmert verwendet – aber ist schon gerechtfertigt, von einem "Krieg" zu sprechen?  

 

 

Daniel Kalt, Chefökonom für die Schweiz bei der Grossbank UBS, findet im cash-Talk auf den aktuellen Zeitpunkt bezogen beruhigende Worte: "Wir sind im Moment noch in der Vorphase eines Handelskriegs." Die Stahl- und Aluminiumzölle sowie Importbesteuerungen auf 50 Milliarden Warenvolumen aus China rechtfertigten noch nicht das Prädikat "Handelskrieg". Die USA haben diese Massnahmen zum Schutz der eigenen Wirtschaft bereits eingeführt.

Die Wahrscheinlichkeit einer vollen Eskalation stehe aber im Raum, sagt Kalt: "Kritisch wird es dann, wenn die Amerikaner – wie angeplant – auf weitere 200 Milliarden Importvolumen aus China zehn Prozent Zölle erheben und dann auch noch auf die europäische Autoindustrie losgehen." Präsident Trump hat schon mehrfach gedroht, auf europäische Autos in den USA bis zu 25 Prozent Zoll zu erlassen.

Noch keine Flucht in den Franken

Wenn dann Gegenmassnahmen aus China und Europa kämen, wäre ein Handelskrieg da, sagt Kalt. Für diesen Fall besteht die Befürchtung, dass der globale Konflikt auch die Währungen erfasst. Ein Weltlauf, wer am besten und schnellsten abwerten kann, hätte im internationalen Devisenmarkt mit ziemlicher Sicherheit eine Folge: ein stärkerer Franken.

Die Schweizer Devise wäre dann wieder eine der begehrtesten Fluchtwährungen. Die Nationalbank bekäme bei ihren Bemühungen, den Franken abzuschwächen, starken Gegenwind. Dieses Fanal sieht Kalt aber noch nicht: "Ein Währungskrieg mit mehrfachen Runden von kompetitiven Abwertungen der grossen Währung – davon sind wir noch relativ weit weg."

Der Euro-Franken-Kurs seit Anfang 2017. Auffallend ist der erste deutliche Kursanstieg des Euro im April 2017. UBS-Chefökonom Daniel Kalt bringt dies mit der sich damals abzeichnenden Wahl von Emmanuel Macron zum französischen Präsidenten in Verbindung, die politische Instabilität in Europa beseitigt habe (Grafik: cash.ch).

Somit dürfte der für die Schweizer Wirtschaft höchst wichtige Euro-Franken-Kurs im Moment stabil bleiben. Im April 2017 lag der Kurs knapp unter 1,07. Jetzt, fünf Quartale später, steht das Wechselverhältnis zwischen Euro und Franken bei 1,1662. "Das ist ein Niveau, mit dem sich viele Exporteure arrangieren können", sagt Kalt.

Aber nicht für jedes Unternehmen sei dieses Niveau eine Erleichterung, wie die Probleme beispielsweise des Detailhandels zeigten. "Der faire Wechselkurs ist nicht für jede Branche am selben Ort." Aus Sicht der UBS müsste der Kurs, um die wirtschaftlichen Gewichte zu spiegeln, bei mindestens 1,20 liegen. Nicht unmittelbar, aber in den nächsten sechs bis zwölf Monaten steigt der Euro-Franken-Kurs gemäss der offiziellen Einschätzung der UBS auf 1,20 oder gar darüber.

Vergangenes Jahr hatten die Prognostiker der Grossbank übrigens mit ihrer Währungsprognose recht behalten: Als der Kurs im April 2017 bei 1,07 stand, sagten die UBS-Devisenforscher relativ einsam ein Level von 1,16 voraus und ernteten dafür auch einiges an Kritik oder Unverständnis. Das Kursverhältnis von 1 zu 1,16 erreichte das Währungspaar dann zum ersten Mal nach der Aufhebung der Franken-Untergrenze im Januar 2015 im vergangenen Oktober .

«Protektionistische» Negativzinsen

Keine Veränderung sieht Kalt bei den Negativzinsen der Nationalbank, jedenfalls nicht, bevor nicht die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen anhebt. Die SNB hält an den Negativzinsen fest, um im Sinne einer Währungsstabilisierung den Zinsabstand zur EZB aufrechtzuerhalten. Seit Anfang 2015 liegt der Leitzins in der Schweiz bei –0,75 Prozent. Die Schweizer Finanzindustrie im Allgemeinen und die UBS und ihre Ökonomen im Speziellen haben sich schon wiederholt kritisch zur Zinspolitik geäussert – ohne, dass die Nationalbank ihre Parameter geändert hätte.

Kalt gibt aber zu bedenken, dass die Negativzinsen auch eine gewisse protektionistische Massnahme der Schweiz darstellten. Die Folgen seien nicht unbedingt gerecht: "Sie sind ein Schutzmechanismus für die Export- und Binnenindustrie, während die Kosten und die schädlichen Nebenwirkungen der Negativzinsen in weiten Teilen der Gesellschaft verteilt werden." Kalt kritisiert insbesondere die Belastungen der Negativzinsen in der Vorsorgeindustrie und die Verzerrungen am Immobilienmarkt, die sich als Folge der Schweizer Geldpolitik ergäben.

Im cash-Talk erinnert sich Daniel Kalt an den Sommer 2011, als der Euro-Franken-Kurs dramatisch in Richtung Parität fiel. Er äussert sich überdies zu den gerade aktualisierten Prognosen der UBS-Wirtschaftsforscher, die für das laufende Jahr robuste 2,4 Prozent Wachstum des Schweizer Bruttoinlandprodukts erwarten. Kalt weist aber auch darauf hin, dass die UBS für 2018 eine Wachstumsabschwächung auf 1,9 Prozent erwartet.