Dies signalisiert eine Simulationsrechnung der Wirtschaftsforschungsinstitute, die an der deutschen Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose mitarbeiten. Im Median der Simulationsläufe "ergibt sich bei einem sofortigen Lieferstopp keine Gasversorgungslücke bis Ende kommenden Jahres", heisst es in der gemeinsamen Studie von Ifo Institut, IfW Kiel, Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle und RWI Essen. "Grund dafür ist, dass zwischenzeitlich mehr Gas nach Deutschland geströmt ist und gespeichert wurde, als sonst im kommenden Jahr gefehlt hätte."
Waren die deutschen Gasspeicher im April nur zu 30 Prozent gefüllt, so hat der Füllstand zuletzt 58 Prozent erreicht. Die Simulationen für Gasverfügbarkeit und Speicherfüllstände für einen sofortigen Lieferstopp zeigen im Median der Ergebnisse, dass die Speicher bis Ende 2023 positive Füllstände aufweisen dürften und damit die industriellen Verbraucher nicht rationiert werden müssen.
Erhebliche Risiken bleiben dennoch: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent ergebe sich im kommenden Jahr eine Gaslücke von mindestens 23,8 TWh, so die Experten. Im schlimmsten angenommen Szenario fehlten sogar fast 160 TWh. Aus daraus resultierenden Produktionsausfällen in den gasintensiven Industrien und ihren unmittelbaren Abnehmern drohte im schlimmsten Fall ein Wertschöpfungsverlust von 283 Milliarden Euro, was 8,9 Prozent der Wirtschaftsleistung des Jahres 2021 entsprechen würde.
"Die Politik sollte auf marktwirtschaftliche Instrumente setzen, um die Anpassung an den negativen Energieschock möglichst effizient zu gestalten", so die Empfehlung der Institute. Die russischen Erdgaslieferungen nach Europa über die Nord-Stream-Pipeline liegen auch am Dienstag bei rund 40 Prozent der Kapazität. Die BASF hatte vergangene Woche mitgeteilt, ihre Chemieproduktion angesichts der gestiegenen Gaspreise und der Aktivierung der zweiten Stufen des Notfallplans Gas womöglich zu drosseln.
(Bloomberg)