Der US-Technologiekonzern Facebook hat einer früheren Mitarbeiterin zufolge in mehreren Fällen sein Gewinnstreben über den Kampf gegen Hassrede und Falschinformationen gestellt. Deswegen hätten ihre Anwälte mindestens acht Beschwerden bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereicht, sagte die frühere Produktmanagerin des Falschinformationsteams von Facebook, Frances Haugen, dem Fernsehsender CBS. Die beiden EU-Politikerinnen Christel Schaldemose und Alexandra Geese, die mit Haugen in Kontakt stehen, fordern nun Ermittlungen gegen den US-Konzern. Man dürfe es diesen Unternehmen nicht selbst überlassen, sich zu regulieren, sagte die Dänin Schaldemose der Nachrichtenagentur Reuters.

Dafür soll künftig EU-weit der Digital Services Act (DSA) sorgen, der neue Regeln für den Umgang mit Nutzerdaten aufstellen will und dessen Entwurf gerade bearbeitet wird. In Deutschland gibt es bereits seit 2018 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), unter das Plattformen mit einer grossen Reichweite fallen und nach dem strafbare Inhalte von sozialen Medien wie Facebook, Twitter oder YouTube schnell und konsequent gelöscht werden müssen.

Eine Sprecherin des Justizministeriums sagte, dass es für die Bundesregierung sehr wichtig sei, dass Hasskriminalität im Internet bekämpft und strafbare Posts gelöscht würden. Weil ohnehin regelmässige Gespräche mit Facebook stattfänden, sei nun aber kein gesondertes Treffen geplant. Die Plattformbetreiber müssten halbjährliche Transparenzberichte abgeben. Sie erinnerte daran, dass im Einzelfall in Deutschland bereits Bussgelder gegen Facebook verhängt worden seien.

Haugen: Facebook lügt bei Fortschritten

Haugen wirft Facebook unter anderem vor, die Öffentlichkeit zu belügen, wenn es um die Fortschritte des Unternehmens bei der Bekämpfung von Hassrede und Falschinformationen auf seiner Plattform geht. Zwar agiere niemand im Unternehmen "böswillig", jedoch gebe es falsche Anreize. Eine Facebook-Sprecherin sagte: "Zu suggerieren, dass wir schlechte Inhalte fördern und nichts tun, ist einfach nicht wahr." Haugen, die vor Facebook für Google und Pinterest tätig war, sagte, dass die Plattform genutzt wurde, um den Angriff auf das US-Kapitol Anfang des Jahres zu organisieren, nachdem Sicherheitsanforderungen gesenkt worden waren. Der für die Aussenkommunikation zuständige Facebook-Manager Nick Clegg nannte diese Anschuldigung "lächerlich". Haugen will am Dienstag an einer Anhörung im US-Senat teilnehmen und sich dazu äussern, welchen Schaden Hassrede und Falschinformationen Mädchen zufügen können. Auch auf der Technologiekonferenz Websummit in Lissabon im November wird sie erwartet.

Laut ihrem Anwalt John Tye hat Haugen einige interne Dokumente mit Generalanwälten einiger US-Bundesstaaten wie Kalifornien, Vermont und Tennessee geteilt. Die der SEC vorliegenden Beschwerden basieren auf der Anforderung an Facebook als börsennotiertes Unternehmen, Investoren nicht anzulügen oder Informationen zurückzuhalten. Ihm zufolge steht Haugen im Austausch mit Politikern in Europa und will auch vor dem britischen Parlament sprechen. Tye hat die gemeinnützige Organisation Whistleblower Aid in das Leben gerufen.

Der Aktienkurs von Facebook fällt am Montagabend um über fünf Prozent auf den tiefsten Stand seit Juni. 

(Reuters)