Lufthansa schickt seine zur Zeit überzähligen Langstreckenjets neuerdings nach Mauritius, die Dominikanische Republik oder Namibia, also zu Sonnenzielen, die sich nachfragseitig früher erholen dürften als das angestammte Geschäftsreisesegment der Lufthansa. Im Zuge dessen hat das Unternehmen auch eine Vereinbarung mit Condor gekündigt, die dem kleineren Wettbewerber über 50 Jahre lang Passagiere per Lufthansas Kurzstreckennetz zugeführt hat - schliesslich will der grosse Rivale der kleinen Condor nun auf vielen dieser Strecken Passagiere abjagen.
Condor hat dagegen Beschwerden beim Bundeskartellamt eingelegt - schliesslich könnte es ums Überleben gehen. Das ist Condor quasi schon gewohnt: Bei der Pleite der Konzernmutter Thomas Cook ging viel Geld verloren, das in England geparkt war. Den anschliessend geplanten Verkauf an die polnische LOT hat der Ausbruch der Pandemie verhindert. Der Staat sprang zweimal mit Hilfskrediten ein.
Lufthansa scheint im Wettbewerb nun eine härtere Gangart einzulegen, so dass sich mancher Politiker sich fragt, ob die Zusage, sich im Zuge der Staatshilfe aus dem Tagesgeschäft der Lufthansa herauszuhalten, richtig war.
Verdrängungskampf
"Das Leben wird schwer werden für Condor," so Daniel Roeska, Analyst bei Sanford C. Bernstein in London. "Lufthansa muss Geld verdienen und dieses Geld ist derzeit leichter im Privat- als im Geschäftsreiseverkehr zu verdienen. Warum sollte Lufthansa die Condor mit billigen Zubringertickets subventionieren?"
Das Problem beschäftigt Regierungen in ganz Europa: Fluggesellschaften werden staatlich gestützt und je mehr Geld vonnöten ist, desto eher stellt sich die Frage, wer erhaltenswert ist und welche Bedingungen and die Hilfe geknüpft werden sollten.
Condor hält dagegen und argumentiert, die Lufthansa würde ihre Marktmacht missbrauchen und die 9 Milliarden Euro Staatshilfe auch dazu benutzen, um Billigtickets anzubieten. Andere Fluggesellschaften kämen allein schon deshalb als Zubringer kaum in Frage, weil niemand ausser der Lufthansa mehr innerdeutsch fliegt.
Die ungarische Wizz Air schimpft beispielsweise bereits, sie könnte in London Gatwick und anderswo aufgrund von Protektionismus nicht wie gewünscht expandieren. In Frankreich wird diskutiert, ob Air France KLM im Zuge der Aufstockung seiner Staatshilfe Landerechte in Paris Orly abgeben muss.
Obwohl die Bundesregierung bei Lufthansa selbst als nun grösster Aktionär nicht operativ eingreifen will, frustriert es manche in Berlin, dass der Strategieschwenk der Lufthansa auf Kosten der Condor stattzufinden scheint. Es gäbe auch Sorge, der Staatskredit über 550 Millionen Euro könnte bei einer Pleite der Condor futsch sein, so eine nicht namentlich genannte Person.
Condor klagt über Kampfpreise
In vergangenen Jahren hatte die Lufthansa nur vereinzelt Ziele der Condor neu angeboten. Diesen Sommer hat sich die Zahl vervielfacht. Condor argumentiert, Lufthansa missbrauche seine Marktmacht mit der Kündigung des Kooperationsvertrags und gehe ausserdem mit Kampfpreisen in den Wettbewerb.
"Steuergelder sollten dafür eingesetzt werden, das Überleben von Unternehmen während der Corona-Krise zu sichern, aber nicht, um andere Unternehmen aus dem Markt zu drängen," so Condor-Vorstandschef Ralf Teckentrup.
Das Bundeskartellamt hat inzwischen förmlich ein Missbrauchsverfahren eingeleitet und will "sorgfältig prüfen, ob auf den ohnehin hochkonzentrierten Flugverkehrsmärkten eine weitere Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen durch kartellrechtswidriges Verhalten erfolgt."
Der Vertrag zur Staatshilfe für Lufthansa sieht explizit vor, dass es dadurch nicht zu Verzerrungen kommen soll und inkludiert "Massnahmen zur Wahrung eines wirksamen Wettbewerbs" auf den Märkten, auf denen Lufthansa über "beträchtliche" Marktmacht verfügt.
Ein Lufthansa-Sprecher lehnte einen Kommentar ab mit Verweis auf das laufende Verfahren. Zu seinem Vorstoss auf Langstreckenrouten sagte das Unternehmen vergangene Woche, es wäre "verantwortungslos, die Auslastung unserer Flugzeuge zu vernachlässigen und dadurch zusätzliche Arbeitsplätze zu gefährden."
Lufthansa mit grosser Verdrängung
Lufthansa hat sich bereits früher gegen Konkurrenten durchgesetzt.
Für Air Berlin, die im Hoch immerhin gut 150 Flugzeuge hatte, war 2017 Schluss. Germania, die sich 2002 beim Bundeskartellamt erfolgreich gegen Dumpingpreise der Lufthansa beklagt hatte, ging 2019 insolvent.
Neben Condor hat die Lufthansa in Deutschland noch die TUIfly als Wettbewerber, die gerade ihre Flotte halbiert. Die wahren Gegner jedoch sind schon lange Billigflieger Ryanair Holdings sowie EasyJet. Ryanair konnte zumindest in Frankfurt nicht wie geplant Fuss fassen und EasyJet ist wieder auf dem Rückzug nach dem gescheiterten Versuch, die durch Air Berlin entstandene Lücke in der Hauptstadt zu füllen.
Über Jahre half die Lufthansa, Langstreckenmaschinen der Condor zu füllen. 2007 liess Lufthansa ihr Vorkaufsrecht ungenutzt und Condor ging an den deutsch-britischen Reiseveranstalter Thomas Cook Group. 2019 hätte die Lufthansa Condor gern übernommen, doch es kam zur Pleite der Mutter Thomas Cook. Der Staat sprang mit einem Notkredit ein die polnische LOT war als Käufer auserkoren. Die Pandemie machte die Transaktion jedoch zunichte.
Lufthansa auf touristischer Langstrecke nur bedingt erfolgreich
Lufthansa hatte mit der touristischen Langstrecke bereits Erfahrung, wenn auch nur bedingt erfolgreich. Aus Köln/Bonn und später Düsseldorf flog die Konzerntochter Eurowings diverse Sonnenziele an. Inzwischen wurden diese Strecken alle nach Frankfurt verschoben - Lufthansas grösstes Drehkreuz und auch das Zentrum der Aktivitäten von Condor.
Condor hält dagegen und fliegt im Sommer ab Zürich, einem Drehkreuz der Lufthansa.
Für Fluggesellschaften, die in Deutschland antreten, ist die Herausforderung nun, "es mit Lufthansa als einem staatlich gestützten Monopolisten" aufnehmen zu müssen, so Ryanair-Chef Michael O’Leary diese Woche in einem Interview mit Bloomberg. "Das ist einfach nur anti-Wettbewerb und es verzerrt den Markt komplett, aber das ist nun mal der Punkt, an dem wir jetzt sind."
(Bloomberg)