Noch ein Viertel der Amerikaner traut Donald Trump, wie eine diese Woche publizierte Studie deutlich macht. Das ist ein krasser Unterscheid zum Januar, als der amtierende Präsident am Weltwirschaftsforum in Davos seine Wirtschaftspolitik pries und quasi schon als wiedergewählt betrachtet wurde.

Dazwischen liegt die Coronaviruskrise, die Trumps Status schwer beschädigt hat. Das Wirtschaftswunder ist dahin, und Trump hat mit mehreren ungeschickten und teils bizarren Manövern selbst zu seinem Ansehensverlust beigetragen. Ausserdem hat der Tod des Schwarzen George Floyd durch einen Polizisten soziale Unruhen ausgelöst, welche die USA neben der Pandemiekrise noch mehr erschütterten und die politische Führung unter Druck setzen.  

Umfragen zufolge könnte der demokratische Herausforderer Joe Biden die Präsidentenwahlen im November sogar relativ leicht gewinnen. Doch trotz Rekord-Coronainfektionen und einer tiefgreifenden Rezession und Arbeitslosigkeit in den USA bleibt eine Präsidentenrennen vier Monate vor den Wahlen relativ schwer prognostizierbar.

Wirtschaftsthemen bleiben wichtig

Mehrere Faktoren werden noch einen Einfluss auf den Wahlausgang haben. So könnten drei Millionen Farmer in den umkämpften Bundesstaaten (als solche werden dieses jahr Florida, Pennsylvania, Michigan, Minnesota, Maine, Nebraska, New Hampshire, North Carolina und Wisconsin) eine wichtige Rolle spielen. 

Auch könnten die Fernsehduelle das Blatt zugunsten von Trump wenden, zumal es immer wieder negative Gerüchte um Bidens Gesundheitszustand gibt. Trump hat die Fähigkeit, seine Gegner zu pulverisieren - reagieren diese falsch auf einen Angriff, sinkt ihr Ansehen in der Öffentlichkeit. Im Endeffekt spielt aber wie immer die Wirtschaft eine zentrale Rolle. 

Ob Bidens unter dem Strich mehr auf Regulation und höhere Steuern abzielende Wirtschaftspolitik wirklich verfangen wird, lässt sich noch schwer abschätzen. Die Wirtschaftszahlen im dritten Quartal werden den Wählern am stärksten in Erinnerung sein, wenn sie im November an die Urne gehen.

Amerikaner sind Aktionäre

Normalerweise verpasst ein amtierender US-Präsident die Wiederwahl, wenn die Wirtschaft schlechter läuft als bei seinem Amtsantritt. In diesen krisenhaften Zeiten aber kann es gut sein, dass schon Anzeichen einer Erholung für den Amtsinhaber sprechen. Auch die hohen Arbeitslosenzahlen könnten sich bis dann zumindest sichtbar reduziert haben.

Eine grössere Rolle wird aber auch noch ein spezifischer Teil des Wirtschaftslebens spielen: Die Börse. Trump hat seit seinem Amtsantritt im Januar 2017 immer für sich in Anspruch genommen, dass die steigenden Aktienkurse die Folge seiner Wirtschaftspolitik seien. Auch wenn Trump gern Erfolge anderer für sich verbucht, per se falsch ist dies nicht. Trumps Steuersenkungen für Unternehmen und Deregulierungen sind zwei der Treiber der Börsenhausse gewesen.

Der Dow Jones steht jetzt bei 26'870 Punkten deutlich tiefer als vor der Coronakrise, als er einen Rekordstand von 29'568 Punkten erreicht hatte. Allerdings steht der US-Leitindex auch nicht tiefer als im Oktober 2019. Der S&P 500, der von vielen als eigentlicher Gradmesser des US-Aktienmarktes gesehen wird, liegt bei 3227 Punkten auf dem Level von Anfang Januar 2020. Als Trump Präsident wurde, war der Indexstand 2270 Punkte. 

Der S&P 500 seit der Amtsübernahme von Donald Trump im Januar 2017 (Chart: cash.ch).

Dies ist politisch von Bedeutung. In den USA repräsentieren Aktien rund die Hälfte des Vermögens von US-Privathaushalten. Ältere Amerikaner und nicht zuletzt viele Rentner beispielsweise im politisch stark mitentscheidenden Florida sind Aktionäre. Schon seit den 1950er Jahren wird Aktiensparen empfohlen: Damit sind die USA mehr als anderere westliche Staaten zu einem Land der Börsenanleger geworden.

«Einzigartige Situation»

"Diese Situation ist einzigartig", schreiben die Vermögensverwalter von Mirabaud Securities in einem Marktkommentar. "Dies bedeutet, dass der US-Präsident die ganze Zeit um die Performance des Aktienmarktes besorgt ist." Die hohe Aktienquote in den Privatvermögen der US-Bürger erklärt auch, weswegen Trump die Notenbank Federal Reserve so häufig für ihre Zinspolitik angegriffen hat: Der Präsident wünschte sich möglichst tiefe Zinsen, weil dies den Anstieg von Aktienkursen begünstigt.

Möglich ist, dass Trump mit politischen Entscheidungen den Börsenverlauf auf den Zeitpunkt der Wahlen hin zu beeinflussen versucht. Laut Mirabaud liegt der Schluss nahe, dass dies in den vergangenen dreieinhalb Jahren schon der Fall gewesen ist.

Die wichtigen Entscheidungen im Handelskonflikt mit China ab Januar 2018 seien immer gefallen, wenn sich der S&P 500 auf Rekordständen bewegt habe. Ein solches Verhalten einer US-Regierung sei "ohne Beispiel", schreibt Mirabaud: "Es nützt aber den Aktionären in den USA und Trumps Wählerschaft."