Wenn es eine Anlageklasse gibt, die seit Wochen bei Investoren gefragt ist, dann sind es Staatsanleihen von sehr guter Qualität. Und das sind vor allem US-Statsanleihen, weil sie im Gegensatz zu anderen Obligationen mit exzellenter Bonität (wie Schweiz, Niederlande oder Deutschland) noch eine positive Rendite brachten.
Doch auch dieser Vorteil schwindet langsam. Die Marktverwerfungen wegen des Ölpreiskrieges und wegen der Ausbreitung des Coronavirus hat die Nachfrage nach den Papieren weiter befeuert: Was dazu führt, dass die zehnjährigen US-Staatsanleihen am Montag nur noch 0,48 Prozent rentieren. Erst vor kurzem war die Rendite zum ersten Mal überhaupt unter die Schwelle von 1 Prozent gefallen. Die zweijährige Rendite steht noch mit 0,28 Prozent zu Buche. und die 30-jährigen Anleihen sind nun zum ersten Mal überhaupt unter die Schwelle von 1 Prozent gefallen.
"Die panikartige Flucht in die Staatsanleihen ist ein Hinweis darauf, dass der Tiefpunkt
noch nicht erreicht ist", schreibt Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank in einem Kommentar am Montagmorgen.
Angesichts des Renditezerfalls rechnet der Markt nun auch mit einer radikalen Senkung der Leitzinsen durch die US-Notenbank. Die Marktteilnehmer haben nun eine US-Leitzinssenkung von gleich 0,75 Prozent eingepreist, wenn die Federal Reserve am 18. März zum nächsten mal tagt. Das brächte den Leitzins auf 0,25 bis 0,5 Prozent, nachdem die Fed letzte Woche den Zins bereits um 50 Basispunkte gesenkt hatte.
Druck auf SNB steigt
Viele Marktteilnehmer erwarten dann eine weitere Zinssenkung auf Null Prozent bis Ende Jahr. Im Raum stehen auch zusätzliche geldpolitische Lockerungsmassnahmen, auch als Quantitative Easing (QE) bekannt - je nach Verlauf der Konjunktur.
Chris Rands denkt gar einen Schritt weiter: "Je länger ich darüber nachdenke, desto sinnvoller erscheint mir, dass die US-Leitzinsen sehr, sehr bald unter die Marke von Null Prozent fallen wird", sagt der Portfolio-Manager von Nikko Asset management in Syndey zu Bloomberg. "Ich wäre nicht überrascht, wenn die USA Negativzinsen ausprobierten." Der damalige Fed-Chef Ben Bernanke hatte den Leitzins während der Finanzkrise von 5,25 Prozent im Jahr 2007 auf 0 bis 0,25 Prozent im Jahr 2009 gesenkt. Auch im Jahr 2016 standen die US-Leitzinsen bei 0 bis 0,25 Prozent.
Noch vor der Fed wird die Europäische Zentralbank (EZB) und vielleicht auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) handeln. Investoren am Geldmarkt spekulieren wegen der Coronavirus-Krise inzwischen auf zwei Zinssenkungen der EZB bis Anfang Juni. Das heisst, dass die EZB ihren Einlagenzins in zwei Schritten um 0,20 Prozentpunkte auf minus 0,70 Prozent senken wird. Die EZB könnte schon vor dem nächsten Donnerstag, wenn sie ihre reguläre Sitzung abhält, jederzeit eingreifen - wie es die Fed letzte Woche getan hat.
Unter Druck kommt auch die Schweizerische Nationalbank. Seit 2015 hält sie den Negativzins bei 0,75 Prozent, was in der Schweiz aber immer lauter kritisiert wird. Der Aufwertungsdruck auf den Franken nimmt aber weiter zu, am Montagmorgen stieg er bis auf 1,0544 pro Euro und 0,9183 pro Dollar - trotz mutmasslicher SNB-Interventionen am Devisenmarkt in den letzten Wochen. Eine Absenkung des SNB-Leitzinses auf minus 1 Prozent ist wahrscheinlicher wie nie zuvor. Die SNB gibt ihren Zinsentscheid am 19. März bekannt. Gut möglich aber, dass sie gleich nach dem EZB-Zinsentscheid am nächsten Donnerstag handeln wird.