Mit dem Status S würden die Geflüchteten rasch ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz erhalten, ohne dass sie ein ordentliches Asylverfahren durchlaufen müssten, schreibt der Bundesrat. Auch könne sich die Schweiz so der Lösung der Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten anschliessen.
Menschen, die die Ukraine nach dem Angriff Russlands vor einer guten Woche verliessen, sollten rasche und unbürokratisch aufgenommen werden, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter am Freitag in Bern vor den Medien.
Etwa eine Million Personen sei bereits aus der Ukraine ausgereist, berichtete die Justizministerin. Wie viele es ihnen gleichtun würden, sei nicht abschätzbar. Doch: "Wir gehen davon aus, dass die Zahlen in den nächsten Wochen markant steigen werden."
Optionen geprüft
Ukrainer können ohne Visum einreisen und sich 90 Tage lang frei im Schengen-Raum bewegen. Für die Zeit danach suchte der Bundesrat nach Möglichkeiten. Nach der Prüfung verschiedener Optionen schlug er nun den Schutzstatus S vor, wie ihn das Asylgesetz vorsieht. Wird er aktiviert, wäre es das erste Mal, dass auf ihn zurückgegriffen wird.
Mit dem Status S kann Schutzbedürftigen während einer schweren Gefährdung wie einem Krieg vorübergehend Schutz gewährt werden. Eingeführt, aber nicht genutzt wurde der Status S aufgrund der Erfahrungen der Jugoslawien-Kriege in den 1990er-Jahren. Damals suchten viele Menschen im Ausland Schutz.
Schutzsuchende Ukrainer und Ukrainerinnen sollen gemäss Bundesrat mit dem Ausweis S bis zu ein Jahr lang in der Schweiz bleiben können. Ihr Aufenthaltsrecht kann aber verlängert werden. Familienangehörige - Keller-Sutter nannte Ehegatten, registrierte Partnerinnen und Partner, minderjährige Kinder - können sofort nachziehen.
Der Status S erlaube es, das Asylsystem zu entlasten und für reguläre Verfahren für Flüchtlinge und Migranten aus anderen Ländern frei zu halten, sagte Keller-Sutter. Hebt der Bund den vorübergehenden Schutzstatus S nach fünf Jahren nicht auf, erhalten die Betroffenen eine Aufenthaltsbewilligung B.
Kantone werden entschädigt
Für die Unterbringung der Flüchtlinge müssen die Kantone sorgen, sobald der Schutzstatus S erteilt ist. Als Entschädigung erhalten sie vom Bund eine Globalpauschale für die Unterbringung, die obligatorische Krankenkasse und die Betreuung der Geflüchteten. Diese können auch bei Privatpersonen wohnen.
"Die Solidarität in der Bevölkerung ist gross", stellte Keller-Sutter fest. Bei der Sozialhilfe seien Menschen mit Status S den vorläufig Aufgenommenen gleichgestellt. Man hoffe zudem, dass sie rasch eine Erwerbsarbeit aufnehmen könnten.
In einigen Punkten schlägt der Bundesrat - damit die Schweizer Regelung gleichwertig mit jener in der EU ist- Anpassungen am Status S vor. Damit werde sichergestellt, dass die Schutzsuchenden auch nach dem Ablauf der 90-Tage-Frist im Schengen-Raum reisen und nach einem Monat eine Erwerbsarbeit aufnehmen könnten.
Beschluss in der EU
Die Innen- und Justizminister der EU hatten am Donnerstag einen vorübergehenden Schutz für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer beschlossen. Der Rat aktivierte dazu erstmals die 2001 eingeführte TPD-Richtlinie (Temporary Protection Directive). Diese gilt für alle EU-Mitgliedstaaten, ist aber für die Schweiz nicht direkt anwendbar.
Die Schweiz liege mit dem Schutzstatus etwa gleichauf mit der EU, sagte Keller-Sutter. Thema der Konsultation sei auch, wie mit ausländischen Staatsbürgern umgegangen werde, die aus der Ukraine ausreisten. Sie hätten aber ohnehin die Möglichkeit, Asylgesuche zu stellen.
Zunächst und bis kommenden Mittwoch will der Bundesrat nun zum Status S die Kantone, Städte und Gemeinden, Hilfswerke und das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR anhören. Voraussichtlich in einer Woche wird der Bundesrat laut Keller Sutter definitiv entscheiden. Die Anhörung ist von Gesetzes wegen vorgesehen.
(AWP)