"Die Welt hat sich in den vergangenen drei Monaten dramatisch verändert", sagte IWF-Chefökonomin Gita Gopinath am Dienstag zum neuen Weltwirtschaftsausblick. 2020 werde vermutlich die schlimmste Rezession seit der Grossen Depression in den 1930er Jahren bringen. "Diese Krise ist wie keine andere bisher." Die wirtschaftliche Lage sei noch schlimmer als in der Finanzkrise 2008/09. Für das nächste Jahr erwartet der IWF eine kräftige Erholung, räumt aber ein, dass diese Schätzung in erster Linie von der Dauer der Pandemie abhängt und am Ende auch Makulatur sein kann.

Die Weltwirtschaft wird laut IWF 2020 um 3,0 Prozent schrumpfen. Bei seiner Januar-Schätzung war der Fonds noch von einem Wachstum von 3,3 Prozent ausgegangen. In der Finanzkrise 2008/09 hatte die Weltwirtschaft in etwa stagniert, damals waren primär Industriestaaten betroffen. Doch jetzt sind de facto alle Länder in Mitleidenschaft gezogen. Positiv wertete der IWF die schnellen und umfangreichen Rettungsprogramme zahlreicher Regierungen, die sich auf mehrere Billionen Dollar summieren. Dazu kämen die Hilfen der Notenbanken rund um den Globus.

Gopinath sagte, die wirtschaftlichen Verluste durch die Pandemie dürften sich 2020 und 2021 zusammen auf rund neun Billionen Dollar summieren - mehr als die Volkswirtschaften von Deutschland und Japan gemeinsam ausmachen. Wahrscheinlich werde der Höhepunkt der Krise im Laufe des zweiten Quartals 2020 erreicht und dann eine allmähliche Erholung im zweiten Halbjahr einsetzen. 2021 dürfte die Weltwirtschaft um 5,8 Prozent wachsen. Trotzdem werde die Verschuldung deutlich anziehen. Hier fürchten manche Ökonomen bereits die nächste Krise.

Die IWF-Frühjahrestagung, die traditionell mit dem Weltwirtschaftsausblick eingeläutet wird, findet wegen der hohen Ansteckungsgefahr dieses Jahr nur per Videokonferenzen statt. Normalerweise reisen dafür rund 10'000 Gäste in die US-Hauptstadt.

Chinas Wirtschaft dürfte 2020 nicht schrumpfen

Für die USA als weltgrösste Volkswirtschaft erwartet der IWF 2020 ein Minus von 5,9 Prozent. Die Wirtschaft der Euro-Zone dürfte um 7,5 Prozent schrumpfen, Deutschlands Wirtschaftsleistung um 7,0 Prozent. Schlechter sieht die Lage in den besonders stark von der Pandemie betroffenen Ländern Italien und Spanien aus. Hier rechnet der IWF mit einem Minus von 9,1 beziehungsweise 8,0 Prozent.

Die Schwellen- und Entwicklungsländer dürften zusammen ein Prozent Wirtschaftsleistung verlieren. Besser sind die Schätzungen für China, wo die Einschränkungen des öffentlichen Lebens bereits wieder gelockert worden sind. Hier gebe es bereits Zeichen der Erholung, so Gopinath. Die Wirtschaft der Volksrepublik dürfte 2020 um 1,2 Prozent wachsen - und 2021 um 9,2 Prozent. Auch für die anderen Länder erwartet der Fonds mehr oder weniger kräftige Erholungen - für Deutschland 2021 zum Beispiel ein Plus von 5,2 Prozent.

Die Pandemie könnte sich aber als dauerhafter herausstellen, hiess es in dem IWF-Bericht. Das sei momentan die grösste Unbekannte in den Prognosen. Sollte sich die gesundheitliche Lage 2021 nicht bessern, könnten die Schätzungen für die Weltwirtschaft im schlimmsten Fall um acht Prozentpunkte nach unten abweichen - dann würde sich die Rezession nächstes Jahr also fortsetzen.

Schuldenerleichterungen für die ärmsten Länder der Welt

Die sieben führenden Industriestaaten wollen unter bestimmten Bedingungen Schuldenerleichterungen für besonders arme Staaten mittragen. Stundungen von Zinszahlungen und Tilgungen könne es für einen befristeten Zeitraum geben, hiess es in einer gemeinsamen Erklärung der G7-Finanzminister und Notenbankchefs. Voraussetzung dafür sei aber, dass dies China und die anderen G20-Schwellenländer unterstützten. Auf freiwilliger Basis sollten auch private Investoren mitmachen. Die G20-Länder beraten am Mittwoch über das Thema.

Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller hatte bereits am Montag in einem Reuters-Interview ein einjähriges Schuldenmoratorium für 76 von der Pandemie betroffene Staaten gefordert. Auch der CSU-Politiker sieht die G20 in der Pflicht. Es gehe um ein Volumen von rund 14 Milliarden Dollar. "Sollte das nicht ausreichen, wäre ein Schuldenerlass für die 47 am wenigsten entwickelten Länder der nächste Schritt."

Der IWF hat 25 extrem armen Ländern aus seinem Notfallsfonds CCRT bereits Schuldenerleichterungen gewährt. Davon profitieren unter anderem Haiti, Mali, Nepal, Niger, Ruanda, Togo und Jemen. Die Hilfen sind dabei zunächst auf sechs Monate befristet. Der CCRT hat ein Volumen von 500 Millionen Dollar, soll aber auf 1,4 Milliarden aufgestockt werden - wäre damit aber immer noch nur ein kleiner Teil des IWF. Dieser kann insgesamt eine Billion Dollar verleihen.

Der IWF warnte auch vor erheblichen Gefahren für das Finanzsystem: "Diese Krise stellt eine sehr ernste Bedrohung dar für die Stabilität des globalen Finanzsystems." Banken stünden zwar grundsätzlich besser da als während der Finanzkrise. Es bestehe trotzdem die Gefahr, dass sie die Kreditversorgung der Wirtschaft zurückfahren könnten, was die konjunkturelle Talfahrt nur noch verstärken würde. 

(Reuters)