Das geht aus einer Stellungnahme des rumänischen Verfassungsgericht hervor. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshof vom Dienstag, wonach EU-Recht sogar über der nationalen Verfassung steht. Demnach können rumänische Gerichte in bestimmten Fällen Entscheidungen des Verfassungsgerichts des Landes ignorieren. Dies sei etwa der Fall, wenn im Kampf gegen Korruption andernfalls die Gefahr drohe, dass Verurteilte straflos blieben.

Diese Rechtssprechung könne in Rumänien nicht angewendet werden, solange die Verfassung nicht entsprechend geändert worden sei, erklärte das Verfassungsgericht am Donnerstagabend.

Hintergrund des EuGH-Urteils vom Dienstag sind Fälle vor dem obersten rumänischen Gerichtshof. Dieser hatte ehemalige Parlamentarier und Minister etwa wegen Korruption und Einflussnahme in Zusammenhang mit EU-Mitteln verurteilt. Danach erklärte der Verfassungsgerichtshof die Entscheidungen aus formellen Gründen für nichtig. Dadurch könnten sich die Fälle jedoch in die Länge ziehen und verjähren. Dem EuGH zufolge könnte dies eine "wirksame und abschreckende Sanktionierung von Personen verhindern, die die höchsten Ämter des rumänischen Staates bekleiden" und wegen Betrugs oder Korruption im Amt verurteilt worden seien.

Das südosteuropäische Land steht seit dem EU-Beitritt 2007 unter besonderer Beobachtung der EU-Kommission, weil es damals nicht alle Vorgaben gegen Korruption und organisiertes Verbrechen sowie zur Stärkung der Justiz erfüllte.

Nach anfänglichen Fortschritten durch eine verstärkte Aktivität der Antikorruptionseinheit der Staatsanwaltschaft herrscht Kritikern zufolge nahezu ein Stillstand. Als einer der Gründe dafür gilt eine 2018 von der damaligen sozialdemokratischen Regierung geschaffene Sondereinheit der Staatsanwaltschaft (SIIJ), die allein das Recht hat, gegen Richter und Staatsanwälte zu ermitteln. Das entzieht der Antikorruptionseinheit Kompetenzen. Die EU-Kommission verlangt seit langem, dass die Sondereinheit SIIJ abgeschafft wird.

(AWP)