"Die Banken müssen sich ... auf einen Anstieg notleidender Kredite einstellen und zumindest die Klippeneffekte abmildern, die aufgrund der zeitlichen Begrenzung der Stützungsprogramme eintreten können", teilten die Aufseher der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag in Frankfurt mit. Das Kreditrisiko sei "als eine der grössten Herausforderungen zu betrachten, mit denen der Bankensektor und die Aufsichtsbehörden in den kommenden Monaten konfrontiert sein werden".

Zwar seien die Banken deutlich solider in die aktuelle Krise gegangen als noch zu Zeiten der Finanzkrise 2008/2009, stellten die Aufseher fest: "Anfang 2020 waren die Banken im Euroraum wesentlich besser mit Kapital ausgestattet und deutlich besser gegen einen Konjunktureinbruch gewappnet als in der weltweiten Finanzkrise."

Dennoch sei "immer noch Wachsamkeit geboten". Herausforderungen bestünden "in mehreren kritischen Bereichen", im Zentrum stehe dabei das Risiko einer plötzlichen Zunahme von Krediten, die nicht mehr bedient werden (Non-performing loans/NPL). In manchen Anlageklassen bestehe zudem das Risiko von Preiskorrekturen, etwa an den Immobilienmärkten: "Die Wohnimmobilienmärkte im Euroraum haben sich bislang zwar gut behauptet, die Preise für Wohnimmobilien sind aber weiter gestiegen, obwohl es Anzeichen für eine Überbewertung gibt."

Die EZB-Bankaufsicht bewertet in einem sogenannte "SREP"-Prozess ("Supervisory Review and Evaluation Process") regelmässig unter anderem die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells und die Angemessenheit des Risikomanagements von Banken. Im Ergebnis legen die Behörden individuelle Kapitalzuschläge für Banken fest und bestimmen unter anderem, wie viel Geld die Institute als Dividende an ihre Anteilseigner ausschütten dürfen.

Aufforderung zu Dividendenverzicht

Angesichts des angespannten wirtschaftlichen Umfeldes in Folge der anhaltenden Pandemie hat die EZB die Banken im Euroraum bereits aufgefordert, möglichst noch bis Ende September 2021 keine Dividenden auszuschütten und auf Aktienrückkäufe zu verzichten. Auch bei Bonuszahlungen mahnen die Aufseher zu grösstmöglicher Zurückhaltung.

Insgesamt blieben die SREP-Kapitalanforderungen und -Empfehlungen im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Sie lagen im Durchschnitt bei rund 14 Prozent. 9 von 112 geprüften Instituten lagen den Angaben zufolge mit ihrer Kapitalausstattung unterhalb der Anforderungen von vor der Corona-Krise. Um die Banken in der Pandemie zu entlasten, hatten die EZB-Bankenaufseher Geldhäusern im Euroraum erlaubt, zeitlich begrenzt die sonst gültigen Vorgaben für Kapital- und Liquiditätspuffer zu unterschreiten.

"Zu Beginn des Jahres 2021 steht allen von uns beaufsichtigten Banken ausreichend Spielraum für die Verlustabsorption zur Verfügung", sagte der Chef der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria. "Seit dem dritten Quartal 2020 sind die von uns beaufsichtigten Banken gut kapitalisiert." Die EZB beaufsichtigt seit November 2014 die grössten Banken und Bankengruppen im Euroraum direkt, derzeit sind dies 115 Institute, die für fast 82 Prozent des Marktes im Währungsraum der 19 Länder stehen.

Die Profitabilität dieser Institute werde sich allerdings im laufenden Jahr "nur leicht verbessern und sich bei düsteren Gewinnaussichten weiterhin auf niedrigem Niveau bewegen", fasste Enria zusammen. Die EZB-Bankenaufsicht erwartet weitere Kostensenkungen - auch auf Basis der Erfahrungen mit digitalen Techniken und geringerer Nutzung von Filialen in der Pandemie.

(AWP)