Warum steigen die Gaspreise?

Viele Versorger kaufen Gas an den Grosshandelsmärkten ein. Wie in jedem Markt können die Preise je nach Nachfrage steigen oder fallen. Zum Herbst und Winter steigen die Preise in der Regel wegen der Heizsaison und des verstärkten Stromverbrauchs für die Beleuchtung. Derzeit kommen aber weitere Faktoren hinzu:

Die Gasspeicher in Europa sind nicht so hoch gefüllt wie im vergangenen Jahr, sagen Experten. Die Preise für Verschmutzungsrechte (CO2-Zertifikate), die etwa für den Betrieb von Gaskraftwerken benötigt werden, sind stark gestiegen. Tanker mit verflüssigtem Erdgas (LNG) steuern statt Europa Asien an, wo noch höhere Preise zu erzielen sind. Die Grosshandelspreise am wichtigen niederländischen Gas-Handelspunkt TTF sind deshalb seit Januar um mehr als 400 Prozent gestiegen. Die Grosshandelspreise für Strom haben sich verdoppelt.

Wie lange bleibt die Lage so? 

Die Heizsaison hat gerade erst begonnen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Grosshandelspreise in diesem Jahr noch stark sinken werden. Auch im kommenden Jahr blieben sie wohl hoch, sagen viele Experten. Russland will nach den Worten von Präsident Wladimir Putin nun mehr Gas nach Europa transportieren. Der russische Gazprom ist schon jetzt der wichtigste Lieferant Europas.

Offen ist, wann die Gas-Pipeline Nord Stream 2 in Betrieb geht, die weiters Gas von Russland nach Europa bringen kann. Die Export-Möglichkeiten Russlands seien allerdings möglicherweise begrenzt, erklärt die Bank of America. Die eigenen Speicher in Russland werden noch gefüllt und die Produktion laufe bereits so hoch wie zuletzt vor fast zehn Jahren. Der norwegische Konzern Equinor - der zweitgrösste Gaslieferant für Europa - hat angekündigt, ebenfalls den Hahn weiter aufzudrehen.

Warum steigen die Preise für die Haushaltskunden?

Die Gas-Versorger geben die Grosshandelspreise an die Verbraucher weiter. Bei den Strompreisen kommt noch hinzu, dass der Preis in Deutschland mit Steuern, Abgaben und Umlagen belastet ist, mit denen etwa der Ausbau des Ökostroms gefördert wird. Nach Angaben des Stromlobbyverbandes BDEW machen diese Faktoren 51 Prozent des Preises aus. Beschaffung, Netzkosten und Vertrieb kommen auf 49 Prozent.

Wie haben sich die Preise für Haushaltskunden entwickelt?

Die Gaskosten für einen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 20'000 Kilowattstunden liegen nach Angaben des Vergleichportals verivox.de im Oktober 2021 bei durchschnittlich 1.402 Euro pro Jahr. Vor einem Jahr seien es noch 1.094 Euro gewesen - ein Plus von rund 28 Prozent. Die durchschnittlichen Strompreise für Haushalte haben sich dem Portal zufolge in den letzten zwölf Monaten um 9,3 Prozent verteuert und im Oktober ein neues Allzeithoch erreicht. Für einen Privathaushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 kWh seien die Stromkosten von 1148 Euro auf 1255 Euro gestiegen.

Wieso geraten manche Anbieter unter Druck?

Grosse Energieversorger sichern ihre Beschaffungskosten langfristig gegen hohe Preissprünge ab. Kleinere Unternehmen, die sich kurzfristig eindecken, geraten unter Druck, weil für sie die Preiszusagen nun zum Minusgeschäft werden können. In Grossbritannien sind mehre Anbieter pleitegegangen. In Deutschland teilte im September die im niedersächsischen Salzbergen ansässige Firma Deutsche Energiepool mit, vielen Kunden die Gas-Lieferverträge gekündigt zu haben. "In den letzten Monaten haben sich die Beschaffungspreise für Erdgas und für Strom am Terminmarkt rund verdreifacht, die Preise für kurzfristige Beschaffung sind rund verfünffacht", erklärte das Unternehmen. In den vergangenen Tagen machte der Anbieter Immergrün mit der Kündigung von Stromlieferverträgen Schlagzeilen. Wie viele Kunden betroffen sind, ist offen.

Was macht die Politik?

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen sich auf ihrem Gipfel Ende Oktober mit den hohen Gaspreisen und möglichen Lieferproblemen beschäftigen. EU-Energiekommissarin Kadri Simson hat angekündigt, dass sie bald einen Plan zur Reform des europäischen Gasmarktes vorlegen will. Spanien und Italien haben einen gemeinsamen Gaseinkauf der EU vorgeschlagen. Damit hätten die Länder eine stärkere Position beim Einkauf. Belgien sieht das skeptisch. Die Bundesregierung hatte solche Pläne stets abgelehnt. Zu den Optionen gehört auch eine strategische Reserve. Einige Länder wollen mit Zuschüssen oder Preisdeckeln die Lasten der Verbraucher lindern. Verbraucherschützer raten dazu, die Preise zu vergleichen und gegebenenfalls den Anbieter zu wechseln. 

(Reuters)