Deutsch ist die Muttersprache von einem Viertel der Bewohner der Eurozone. Und es ist die Sprache des mächtigsten EU- und Euro-Mitglieds und eines der einflussreichsten Mitgliedern, nämlich Deutschlands und Österreichs. Deswegen ist es nachvollziehbar, dass die kosmopolitische Französin Lagarde versucht, diese Sprache zu erlernen, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg schreibt.
Das Verhältnis der Europäischen Zentralbank (EZB) zu Deutschland, wo die Notenbank mit Frankfurt ja auch ihren Sitz und Lagarde neuerdings ihren Wohnsitz haben, ist nicht einfach. Vor allem die Anleihenkäufe und die Negativzinspolitik kommen nicht gut an. Dies auf deutsch erklären zu können, könnte für Lagarde in Vorteil sein.
"Es ist ein grosser Vorteil, wenn man lokal kommunizieren kann", sagte Philipp Hildebrand, Blackrock-Vizechairman und früherer Chef der Schweizerischen Nationalbank, zu Bloomberg. "Die Deutschen denken immer wieder, dass die EZB zu wenig gut kommuniziere." Hildebrand kennt sich aus, denn die Schweiz hat für sich schon vier verschiedene Sprachen. Auch wenn der weltgewandte Hildebrand 2012, ziemlich unglamourös, wegen einer privaten Devisenaffäre aus dem Amt des Schweizer Notenbankchefs gestürzt war.
Neujahrsvorsatz für die Chefin?
Lagarde tut also gut daran, deutsch zu lernen zum Neujahrsvorsatz zu nehmen. Keine einfache Aufgabe: Nominativa haben drei Geschlechter, während es im französischen nur zwei sind. Endungen müssen angepasst werden. Wörter kommen anders als in Lagardes Muttersprache am Ende eines Satzes vor, und ihre Deklination folgt keinen genauen Regeln.
Der US-Schriftsteller Mark Twain schrieb 1880 ein Essay mit dem Titel: "The Awful German Language" (die fürchterliche deutsche Sprache"), nachdem er ziemliche Mühen erlebte, in diesem Idiom Fuss zu fassen. Die "Erfinder" der deutschen Sprache hätten wohl grosses Vergnügen dabei gehabt, die Sprache in allen erdenklichen Weisen zu verkomplizieren, lästerte Twain in seinem Aufsatz.
In der Tat: Wörter wie "Eigenmittelanforderungen" oder "Anleihenkaufprogramm" dürften für Lagarde eine Herausforderung darstellen. Aber die EZB-Chefin, die am 1. Januar 64 Jahre alt wird, scheint diesem Test mit Lust entgegenzusehen.
Sie sagte diesen Monat gegenüber Politikern, dass sie sowohl deutsch als auch die Sprache der Notenbanken lerne. Von Hause aus ist Lagarde, ehemals Ministerin in Frankreich und dann Chefin des Weltwährungsfonds, nämlich Juristin. Gemäss der Kulturinstitution Goethe-Institut braucht man allerdings 240 Lektionen, um eine grundlegende Kenntnis der deutschen Sprache zu erlangen.
Trichet versuchte es auch, Draghi nicht
Der erste EZB-Chef Wim Duisenberg konnte als Niederländer gut deutsch. Jean-Claude Trichet, ebenfalls Franzose, machte zumindest einen Effort. 2009 hielt er eine Rede auf deutsch, als der Euro zehn Jahre alt wurde. Allerdings sagt man ihm nach, er hätte die deutsche Mentalität mit der Zeit sehr gut verstanden.
Lagardes Vorgänger Mario Draghi, der bis im vergangenen Herbst an der Spitze der Euro-Notenbank gestanden hatte, bemühte sich nie um das Erlernen der deutschen Sprache. Die Negativzinsen und das kontroverse Anleihenkaufprogramm gehen massgeblich auf Draghi zurück, weswegen man ihm in Deutschland besonders argwöhnisch entgegensah. Offensichtlich beruhte die latente Abneigung auf Gegenseitigkeit.
Er sagte zweimal den Halbsatz "Nein zu allem". Damit meinte Draghi, dass aus gewissen Kreisen alles kritisiert werde, was er an geldpolitischen Mitteln in die Wege geleitet habe.