Jetzt ist die Tezos-Stiftung, die 232 Mio. Dollar in einem ICO eingesammelt hat, in eine sehr amerikanische Beschäftigung verwickelt: eine Runde von Klagen.
Das Fundraising der Non-Profit-Organisation propagierte ein völlig neues Modell für die Blockchain-Technologie, die Kryptowährungen untermauert. Doch nun behauptet eine Gruppe von Investoren vor einem kalifornischen Gericht, dass die Unternehmer, die hinter der Emission stehen, den Kauf von "Tezzie"-Tokens im Rahmen einer wohltätigen Spende irreführend vermarktet haben, was die Anleger mit leeren Händen dastehen lassen würde, wenn das Projekt zusammenbricht.
Die Schweiz liegt an zweiter Stelle direkt hinter den USA beim Kapital, das über Initial Coin Offerings oder ICOs beschafft wurde, wobei die meisten Transaktionen von Ausländern, die in die Schweiz strömen, initiiert wurden , wie es in einem Bericht des Risikokapitalunternehmens Atomico aus dem Jahr 2017 heisst. Dieser Fall nun hat weitreichende Auswirkungen auf die Zukunft der Schweiz als Sprungbrett für ICOs.
Kommen keine Token-Unternehmer mehr in die Schweiz?
"Wird der Richter die Darstellung akzeptieren, dass dies wie eine Werbung im Radio war und alles, was man bekommt, eine Einkaufstasche ist - oder war es eine Investition, bei der jeder einen Ertrag erwartete", fragt Stephen Palley, ein Anwalt, der den Bereich Kryptowährungen der Kanzlei Anderson Kill in Washington leitet. "Die Struktur wurde missbraucht und die Ära von Token-Unternehmern, die in die Schweiz gehen, um Schweizer Stiftungen zu gründen, ist wahrscheinlich vorbei."
Der Vorsitzende der US-Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission, Jay Clayton, sagte bereits im vergangenen Monat, dass die ICOs einer neuen Prüfung unterzogen werden, da der Markt wahrscheinlich voller Betrug sei. Die SEC hat eine Reihe von Vorladungen an ICO-Betreiber als Teil eines breitangelegten Durchgreifens verschickt.
Die Tezos-Klage "sollte Schweizer oder andere ausländische Unternehmer und Enthusiasten dazu veranlassen, einzuhalten, wenn sie darüber nachdenken, über eine ICO-Struktur, die nicht den Registrierungsanforderungen des Securities Act entspricht, Gelder für ein US-Geschäft oder von US-Investoren zu beschaffen", sagt der Bostoner Rechtsanwalt Joel Fleming, der einige der Kläger vertritt.
Bei einer Anhörung in San Francisco am 15. März wird erwartet, dass die Investoren ihre Sammelklagen konsolidieren. Die Klage kommt zusätzlich zu einem separaten Streit zwischen den Mitgründern von Tezos, einem französisch-amerikanischen Ehepaar namens Kathleen und Arthur Breitman, und dem Südafrikaner Johann Gevers, einem der Pioniere hinter den Bemühungen von Zug, sich selbst zu einem Kryptowährungs-Drehkreuz aufzuschwingen. Die Breitmans haben Gevers Misswirtschaft und Interessenkonflikte vorgeworfen.
1 Milliarde Dollar?
Die Einsätze beim Tezos-Projekt seien auf mehr als 1 Milliarde Dollar gestiegen behaupten die Kläger, da der Wert der Ether- und Bitcoin-Tokens, die verwendet wurden, um im Juli in das ICO zu investieren, gestiegen ist. Ein Bitcoin war zuletzt knapp 8400 Dollar wert. Die führende Kryptowährung hat in dieser Woche 25 Prozent verloren.
Ende letzten Jahres hatte die für Stiftungen zuständige Schweizer Aufsichtsbehörde Tezos untersucht und verlangt, dass ein weiteres Verwaltungsratsmitglied bestellt wird, um die Unabhängigkeit der Stiftung zu stärken. Am 22. Februar trat Gevers als Präsident der Tezos-Stiftung zurück, und fünf Tage später wurde ein völlig neuer Verwaltungsrat berufen.
Oliver Bussmann, der mit Gevers zusammengearbeitet hat, um Crypto Valley zu etablieren, räumt ein, dass der Tezos-Streit negative Auswirkungen hatte. Aber er sagt auch, er sei froh, dass Tezos mit einem neuen Verwaltungsrat und dem Rücktritt Gevers "ihre festgefahrene Situation gelöst hat und sich vorwärts bewegen kann".
"Nach Monaten behindernder Interferenzen, Obstruktionen und Angriffen hat die Tezos-Stiftung wieder die Fähigkeit zu handeln erlangt", schrieb Gevers am 19. Januar in Tweets. "In einer vertrauensvollen Umgebung wird das Unmögliche möglich. In einer wenig vertrauenswürdigen Umgebung wird sogar das Mögliche unmöglich. "
US-Bezirksrichter Richard Seeborg hatte am 1. Februar jegliche Aktionen in der geplanten Sammelklage aufgeschoben, bis zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die Frage, ob Gerichte der Bundesstaaten in der Lage sind, einen solchen Fall zu behandeln. Rechtsanwalt Brian Klein, der die Investmentfirma Dynamic Ledger Solutions der Breitmans vertritt, lehnte es im letzten Monat ab, sich gegenüber Bloomberg Law zu äussern, sagte aber: "Wir freuen uns, dass der Richter den Aufschub bekannt gegeben und anerkannt hat, dass dieser Fall vor das Bundesgericht gehört".
Bundesrat zu optimistisch bezüglich Kryptowährungen?
Der drohende Rechtsstreit kommt zu einer Zeit, da die Finanzaufsichtsbehörde Finma versucht, die Begeisterung der Schweizer Regierung für Kryptowährungen zu dämpfen. Während der Schweizer Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann Zug besuchte, um Crypto Valley zu unterstützen, hat die Finma im Februar Richtlinien herausgegeben, um Investoren daran zu erinnern, dass das Geldwäschegesetz auch für Schweizer ICOs gilt. Die Regulierungsbehörde hat mit den Anlegern Round-Table-Gespräche dazu organisiert, wie sich diese Richtlinien auf ICOs auswirken werden. Die Termine in Zug und Genf am 14. und 21. März sind bereits ausgebucht.
Im vergangenen September hatte die Finma den Kryptowährungs-Anbieter E-Coin geschlossen, weil er Einlagen angenommen hat, ohne eine Banklizenz zu besitzen. Dann begannen Ermittlungen bei verschiedenen ICOs über möglichen Betrug.
Bussmann, der jetzt eine Kryptowährungsberatung in Zug leitet, meint, die Richtlinien würden betrügerische Unternehmer abhalten, und auch mehr Sicherheit für seriöse Investoren bieten.
"Sie müssen Investoren schützen, aber sie können Risikokapital nicht ausschliessen", sagt Bussmann. "Die Schweiz hatte nicht immer einen guten Zugang zu Risikokapital, und ICOs geben ihnen Zugang dazu."
«Notorische Oase»
Die Kläger in Kalifornien haben eine unverblümtere Einschätzung von Zug. In ihrer Klage bezeichnen sie die Stadt als einen zwielichtigen Ort, um ein Geschäft zu starten.
"Zug ist eine notorische Oase für Wirtschaftskriminelle", heisst es in der Klage, in der als Beispiel Marc Rich angeführt wird, ein von Bill Clinton begnadigter Rohstoffhändler. "Die Angeklagten haben zugegeben, dass sie sich dafür entschieden haben, eine Stiftung in Zug zu nutzen, um die ICO zu betreiben und Anlegergelder einzusammeln, weil sie die Aufsicht der Schweiz als schwächer eingeschätzt haben als die der USA."
(Bloomberg)