"Leider geht die Entwicklung nicht in eine Richtung, wie wir sie gewünscht haben" erklärte Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit beim BAG am Dienstag vor den Medien in Bern.
Die Zahlen zeigen einen klaren Trend: In der Schweiz und in Liechtenstein sind dem BAG am Dienstag innerhalb von 24 Stunden 3150 neue Ansteckungen gemeldet worden. Am Dienstag vor einer Woche waren es noch 1910 neue Fälle. Damit liegt der 7-Tage-Schnitt bei 2019 Ansteckungen. Das sind 85 Prozent mehr als noch vor einer Woche.
Zudem wurden zwei neue Todesfälle und 62 Spitaleinweisungen verzeichnet. Bei den Spitaleinweisungen sind es am Dienstag 45 Prozent mehr als in der Vorwoche.
"Seit Juli haben sich die Spitaleinweisungen verzehnfacht", ergänzte Mathys. Rund ein Viertel der PCR-Tests sind heute positiv. So hohe Zahlen verzeichnete die Schweiz zuletzt im vergangenen Jahr während der zweiten Welle, welche Schliessungen und viele Corona-Massnahmen zur Folge hatte.
Am Anfang einer vierten Welle
"Wir stehen am Beginn einer vierten Welle", sagte Mathys schliesslich, "die Möglichkeit, dass eine grosse Welle auf die Schweiz zukommt, die ist da".
Die neuen Varianten hätten dazu geführt, dass bei der heutigen Impfquote die Fallzahlen stärker steigen würden als zuvor angenommen. Diese neue Dynamik habe Anfang August begonnen. Damals habe die "Trendwende" eingesetzt.
"Aber nicht nur die Fallzahlen, sondern auch die Spitaleinweisungen steigen deutlich an", betonte er. Dies sei besorgniserregend, da eine Überlastung der Spitäler um jeden Preis verhindert werden müsse.
Heute könne die Situation auf den Intensivstationen aber noch als unbedenklich eingestuft werden. Wenn die Spitäler an die Grenzen kommen, dann werden auch harte Massnahmen wieder ein Thema werden, sagte Mathys.
"Wenn wir in eine Situation kommen, in der eine harte Triage in den Spitälern notwendig ist, dann sind auch strenge Massnahmen wie ein Lockdown wieder möglich, weil eine solche Triage für ein Land wie die Schweiz nicht tragbar ist."
Exponentielles Wachstum hält an
Die Experten gaben vor den Medien in Bern dann auch wenig Hoffnung, dass dieses exponentielle Wachstum in der nächsten Zeit wieder gebremst wird.
Die Umstände sind ungünstig: Die Menschen kehren aus den Ferien zurück, Kinder und Jugendliche gehen zurück an die Schulen. Und selbst wenn sich heute noch viele Personen für eine Impfung entscheiden würden, dauert es sechs Wochen von der ersten Impfung bis zum vollständigen Impfschutz.
Der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri sprach lieber von einer "Zwischenwelle" als von einer Welle. Fast 20 Prozent Neuansteckungen seien Personen, die aus den Ferien zurückkehrten, sagte er. Wenn man zurück in der Schweiz sei, müsse man sich deshalb testen lassen.
Es mangelt bei der Disziplin
Ganz generell beobachte man in den Kantonen, dass es nun auch mit der Disziplin hapere. "Wir stellen ein Nachlassen bei den Hygiene-Massnahmen fest", sagte Hauri.
Die Massnahmen, wie Händewaschen, Abstandhalten und auf enge Begrüssungsrituale verzichten, seien dazu da, die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Diese Massnahmen seien weiterhin nötig. Das Virus sei immer noch aktiv, und jetzt komme noch die Delta-Variante hinzu, die noch schwer abzuschätzen sei. "All das sind gute Gründe für die Impfung", meinte Hauri.
Impfung effektiver als Ansteckung
Dass die Immunantwort auf eine Impfung stärker ist als auf eine Infektion, zeigten neue wissenschaftliche Ergebnisse, erklärte Milo Puhan vom Forschungsprojekt Corona Immunitas. Puhan ist Direktor des Instituts für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention an der Universität Zürich. Dieser höhere Schutz durch die Impfung gelte vor allem für die neuen Varianten.
Ob und wann eine dritte Impfdosis verabreicht werde, sei noch in der Abklärung, sagte schliesslich Mathys. Mehr Informationen vom BAG wird es wieder in einer Woche geben. Wegen der aktuellen Lage wird das BAG den Point de Presse nun wieder wöchentlich und nicht alle zwei Wochen durchführen.
(AWP)