Günstiger, transparenter, schneller: Die Hoffnungen, die auf der Blockchain ruhen, sind gross. Die Technologie, die hinter der digitalen Währung Bitcoin steckt, ist – einfach ausgedrückt – ein dezentrales Kontobuch. Transaktionen zwischen verschiedenen Usern werden auf den Computern aller Blockchain-Benutzer festgehalten. Mit jedem Geschäft wächst die Blockchain um einen Datenblock, der wiederum verifiziert und nachvollziehbar gespeichert wird.

Durch diese Form des Daten-Managements werden herkömmliche Zwischenstellen wie Banken, Notare oder Amtsstuben ausgeschaltet, was das Geschäftsmodell etlicher Mittelsmänner infrage stellen könnte.

Die Banken stecken deshalb bei der Blockchain-Frage in der Zwickmühle: Entweder sie lassen die aufstrebende Technik und ihre Anwendungsmöglichkeiten links liegen und werden in manchen Bereichen überflüssig. Oder sie nutzen Blockchain und müssen ihr Geschäftsmodell anpassen.

Viel pröbeln und tüfteln

Schätzungen gehen davon aus, dass Banken in naher Zukunft durch den Einsatz von Blockchain-Technologien jährlich rund 20 Milliarden Dollar einsparen können. Zum Beispiel, indem sie internationale Zahlungen einfacher abwickeln oder Aktien und Anleihen effizienter handeln können.

Vor kurzem haben die australische Commonwealth Bank und die amerikanische Wells Fargo für Schlagzeilen gesorgt, als sie eine Baumwolllieferung im Wert von 35'000 Dollar für Brighann Cotton realisierten: die erste reale grenzüberschreitende Transaktion zwischen Banken mit mehreren Blockchain-Anwendungen.

Von solchen Meldungen sind die Schweizer Finanzinstitute noch ein gutes Stück entfernt. Denn momentan wird vor allem viel gepröbelt und getüftelt. Wie die beiden Grossbanken Credit Suisse und UBS auf Anfrage schreiben, haben sie bereits mehrere Blockchain-Initiativen lanciert. Laut einem CS-Sprecher sollen "die Projekte helfen, Erfahrungen zu sammeln und gemeinsam das künftige regulatorische Framework zu entwickeln".

Die UBS ihrerseits ist mit anderen Grossbanken daran, eine digitale Währung zu entwickeln, die Transaktionen unter Banken vereinfachen soll (Utility Settlement Coin). Das Besondere an solchen Forschungsprojekten: Mehrere Grossbanken arbeiten miteinander und nicht gegeneinander. So beteiligen sich am New Yorker Konsortium namens R3 über 70 Finanzinstitute, inklusive der beiden Schweizer Erzrivalen.

Kontrolle und Einnahmen abgeben

Sie tun das vor allem aus Notwendigkeit, wie der Schweizer Fintech-Investor Spiros Margaris im Gespräch mit cash sagt: "Die Grossbanken sind sich bewusst, dass sie den Durchbruch nicht alleine schaffen. Dennoch wollen sie die Kontrolle behalten". Ob die Banken aber auch mit an Bord bleiben, wenn eine Anwendung praxistauglich wird, ist zumindest fraglich. Denn einerseits müssen sie dann einen Teil der Kontrolle abgeben. Kommt hinzu: "Durch vereinfachte und transparente Prozesse gehen möglicherweise auch Einnahmen verloren", sagt Margaris, der kürzlich zum weltweit einflussreichsten Fintech-Experten gekürt wurde.

Während die grossen Banken also schon aktiv an der Rolle von Blockchain mitarbeiten, stehen kleinere Schweizer Institute noch an der Seitenlinie. Die Raiffeisen Bank etwa hält sich an ihre allgemeine Philosophie, nicht zu den Trendsettern zu gehören, sondern zu den 'Early Followers', wie Mediensprecherin Cécile Bachmann auf Anfrage schreibt. "Dies trifft auch auf das Thema Blockchain zu, dessen Entwicklung wir derzeit gespannt verfolgen, aber noch nicht für die Abwicklung unserer Bankgeschäfte einsetzen."

Dabei spielt das Geld eine grosse Rolle, das nötig ist, um sich an Blockchain-Projekten zu beteiligen. Szenekenner erwarten jedoch, dass auch kleine und mittelgrosse Banken einsteigen werden, sobald eine neue Technologie auf den Markt kommt. Unter dem Strich wäre das immer noch die günstigere Variante.

Auch die Glarner Kantonalbank (GLKB), die sich schon des Öfteren mit digitalen Neuerungen wie Hypomat, Kontomat oder Risikomat hervorgetan hat, überlässt bei der Blockchain-Forschung das Feld den anderen. "Wir beobachten und verfolgen die Entwicklung aber mit grossem Interesse", sagt GLKB-Sprecher Patrik Gallati.

Die Schweiz hat viel zu gewinnen

Neben dem Engagement der Banken ist das Verhalten des Regulators mitentscheidend für Verbreitung und Erfolg von Blockchain. Diesbezüglich hat sich in der Schweiz unlängst etwas getan. Der Bundesrat hat beschlossen, Fintech- und ausdrücklich auch Blockchain-Startups in der Schweiz nicht unnötig auszubremsen.

Dennoch fordert Experte Margaris noch weniger Hürden: "In der Schweiz ist mir die Finma noch nicht schnell genug, obwohl wir meiner Meinung nach nicht viel zu verlieren und sogar alles zu gewinnen haben." In die richtige Richtung gehe deshalb das bewilligungsfreie Fintech-Entwicklungsfeld 'Sandbox'. Damit sollen Startup-Unternehmen mit Kundengeld-Volumen bis zu 200'000 Franken weitestgehend unbehelligt ihre Geschäftsideen ausprobieren können.

Die Einsatzmöglichkeiten von Blockchain sind nicht auf die Finanzbranche beschränkt. So prüfte jüngst das EU-Parlament den Einsatz von Blockchain zur Abwicklung von Wahlen. Und Dubai will bis 2020 sämtliche Regierungsdokumente auf der Blockchain verwalten. Es ist denn auch sehr gut möglich, dass der Durchbruch von Blockchain nicht in der Finanz-, sondern zuerst in einer anderen Branche geschieht.

Und in der Schweiz waren es in letzter Zeit nicht etwa umtriebige Finanzinstitute, die für Blockchain-Schlagzeilen sorgten, sondern der als langsam verschriene Staat: Ab Mitte November steigen die SBB in den Handel mit Bitcoin ein, und seit rund drei Monaten akzeptiert die Stadt Zug die Internetwährung als Zahlungsmittel.

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