Nun ist es belegt: Alexej Nawalny, der grösste und hartnäckigste Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin, wurde laut der deutschen Regierung in seiner Heimat mit einem Nervenkampfstoff vergiftet. Deutschland vermutet staatliche Stellen in Russland als Täter. Nawalny war vor zwei Wochen plötzlich ins Koma gefallen und wird nun in Berlin behandelt. Sein Zustand ist weiterhin kritisch.
Der Fall reiht sich nahtlos ein in ähnliche Vorfälle in den letzten Jahren mit mutmasslich staatlicher russischer Täterschaft. Da wurden Systemkritiker eingesperrt, perfid vergiftet oder auf offener Strasse erschossen. Aufgeklärt wurden die Fälle nie. Moskau bestreitet immer - und lacht sogar über Opfer wie Nawalny. Die eigene Glaubwürdigkeit? I don't care.
Nun kann man behaupten, das seien innenpolitische Vorgänge, die uns nichts angehen. Diese Argumentation ist falsch. Der russische Staatsterrorimus findet immer wieder schamlos im Ausland statt. So bei der Vergiftung von Sergej Skripal in Grossbritannien. Oder beim Mord an einem Exiltschetschenen im Berliner Tiergarten nicht weit vom Bundeskanzleramt. In diesen Kontext gehören auch russische Hackerangriffe auf politische Einrichtungen im Westen.
Staatsterrorimus gibt's ja nicht nur "Made in Russia". An Dreistigkeit kaum zu überbieten war die Aktion einer anderen Ölmacht, Saudi-Arabien. Vor fast zwei Jahren tötete ein Sonderkommando aus der Hauptstadt Riad den regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul auf brutale Weise. Von seiner Leiche fehlt bis heute jede Spur. Man vermutet, dass sie in Säure aufgelöst wurde.
Die Reaktionen des Westens waren meist bloss lauwarm. Es gab ein paar Sanktionen gegen Einzelpersonen, Geschäftsleute und Politiker mieden für ein paar Monate Reisetätigkeiten in die autoritären Länder. Bis Gras über die Sache gewachsen war. Es winken in solchen Staaten schliesslich lukrative Aufträge für westliche Industrieunternehmen, Banken erzielen schöne Erträge bei der Verwaltung der Ölmilliarden von wohlhabenden Leuten.
Viele Banken und Vermögensverwalter sind es auch, die Finanzprodukte und Anlagefonds auf solche Staaten und Regionen herausgeben, deren Umgang mit Menschenrechten bestenfalls noch als zynisch beurteilt werden kann. Ziemlich bizarr wirkt es vor diesem Hintergrund dann aber, dass sich solche Banken nachhaltiges und verantwortungsvolles Investieren auf die Fahnen geschrieben haben und dies werbewirksam postulieren.
Als Anleger kann man Zeichen setzen - und solche Produkte ignorieren. Oder man erwirbt keine Aktien von Firmen, bei denen russische Oligarchen ihre Milliarden parkiert haben. Auch wir kennen einen prominenten Oligarchen, der seit Jahren an vier börsenkotierten Schweizer Gesellschaften beteiligt ist.