Schuld ist der endgültige Ausbruch des Handelskriegs zwischen China und den USA. Peking hat Gegenstrafzölle von 84 Prozent auf US-Produkte angekündigt. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump die Zölle für Waren aus dem «Reich der Mitte» auf 104 Prozent hochgeschraubt. «Damit tritt der Handelsstreit in die Handelskriegphase», kommentierte ein Marktbeobachter: Nun stelle sich die Frage, bis wohin dieser Showdown der beiden Grossmächte gehen werde.

Im Schnitt würden die USA nun 24 Prozent Zoll auf Einfuhren aus aller Welt erheben. Das sei der höchste Satz seit 1909, erklärte Ökonom Eric Winograd von AllianceBernstein. Die Deglobalisierung habe begonnen. Dabei würden Handelsbeziehungen und sogar Wirtschaftszyklen zunehmend voneinander getrennt und isoliert. Die Weltwirtschaft dürfte weniger effizient werden. Unternehmen müssten sorgfältig abwägen, auf welche Märkte sie sich konzentrieren wollen, erklärte Winograd. Ein anderer Börsianer meinte, es scheine genau das Szenario einzutreten, was sich alle Marktteilnehmer nicht gewünscht hätten. Entsprechend würden die Märkte weiter durchgeschüttelt, die Unsicherheit steige.

Der Leitindex SMI sackte um 4,15 Prozent auf 10'887,73 Punkte ab. Zeitweise hatte der SMI gar über 650 Punkte verloren und war knapp unter die Marke von 10'700 Zählern gefallen. Das war der grösste Einbruch seit dem 12. März 2020, als die Coronapandemie in der Schweiz ausbrach. Damals rasselte der Leitindex um 882 Punkte oder 9,6 Prozent in die Tiefe. Seit Trump die Welt mit seiner Zollkeule am so genannten «Liberation Day» am 2. April schockte, hat der SMI 14,2 Prozent eingebüsst.

Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, sank am Mittwoch um 3,91 Prozent nach auf 1752,71 und der breite SPI um 3,94 Prozent auf 14'604,46 Zähler. Alle 30 SLI-Werte mit Ausnahme der Swisscom (unv.) erlitten teils happige Verluste. So sackten 12 von 30 Aktien um über 4 Prozent ab. Gleichzeitig schnellte das Angstbarometer VSMI um 61 Prozent in die Höhe. Der Volatilitätsindex gilt als Mass für die Unsicherheit an den Märkten.

Damit war die Schweizer Börse nicht alleine. Auch die anderen grossen Handelsplätze in Europa schlossen tiefrot, während die US-Börsen etwas zulegten.

Die Kommentare von Analysten und Händlern wurden angesichts des anhaltenden Ausverkaufs drastischer. Die Analysten der Deka-Bank vergleichen die Aktionen Trumps mit denen eines «religiösen Fanatikers, der für seine kruden Ziele die bestehende Ordnung ohne Rücksicht auf die Kosten zerstöre». Ein anderer Händler meinte, dass angesichts der Volatilität und Unberechenbarkeit auch durchaus grosse Hedgefonds und Banken in Schieflage geraten könnten. Allerdings sei von Panik nichts zu spüren, sagte ein weiterer Händler: «Es hat heute auch schon schlechter ausgesehen.»

An der Spitze der Verlierer standen die Pharmaaktien. Sandoz tauchten um 7,8 Prozent, Novartis um 6,4 Prozent und Roche um 5,8 Prozent. Die beiden Basler Pharmariesen radierten ihre Gewinne seit fast einem Jahr vollständig aus. Es mehren sich nun die Anzeichen, dass Zollausnahmen der US-Regierung für Pharmaprodukte ein jähes Ende finden könnten. So sagte Trump zuletzt, dass er schon «sehr bald» Abgaben auf im Ausland hergestellte pharmazeutische Produkte ankündigen werde.

Auch der Stellenvermittler Adecco tauchte wegen Rezessionsängsten um 5,7 Prozent auf 20,64 Franken. Die Adecco-Aktien sackten zeitweise unter 20 Franken ab und damit so tief wie seit fast 30 Jahren nicht mehr.

Ebenfalls unter die Räder gerieten Logitech (-5,4 Prozent), die ebenfalls unter den US-Zöllen leiden, weil sie in China produzieren und viel in die USA liefern. Auch andere Technologietitel wie AMS Osram und Sensirion (je -8,1 Prozent) oder VAT (-2,8 Prozent) standen ganz weit oben auf den Verkaufslisten.

Herbe Einbussen erlitten auch die Finanzwerte. So mussten Julius Bär (-5,3 Prozent), UBS (-4,9 Prozent) oder Swiss Re (-4,8 Prozent) kräftig Federn lassen.

Im breiten Markt gerieten Mobilezone unter die Räder (-17,3 Prozent oder 1,97 Fr. auf 9,45 Franken). Dabei war etwa die Hälfte des Tauchers dem Abgang der Dividende von 90 Rappen je Aktie geschuldet.

(AWP)