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An den Aktienmärkten wird Geschichte geschrieben – ich spiele da nicht nur auf die neuen Rekorde beim breit gefassten Swiss Performance Index (SPI) an. Schon seit Wochen kennt die Kursentwicklung nur eine Richtung: die nach oben.
Das kommt nicht von ungefähr, flossen den Aktienfonds seit Januar unter dem Strich doch 1700 Milliarden Dollar an neuen Anlagegeldern zu. Das belegen Statistiken der amerikanischen Investmentbank Merrill Lynch. Und darf man der Rivalin Goldman Sachs Glauben schenken, dann davon alleine fast 70 Milliarden Dollar im Laufe der letzten Woche. Gerade die Technologieaktien stehen wieder hoch in der Gunst der Anleger. Am Montag lachten sich letztere innerhalb weniger Stunden in bester Buy-the-Dip-Manier Anteile des beliebten börsengehandelten Fonds "Triple Q" auf den Nasdaq-100-Index im Gegenwert von fast 5 Milliarden Dollar an.
Wenn das mal nicht auf eine Überhitzung hindeutet. Apropos Überhitzung: Das viel beachtete Put-Call-Verhältnis fiel zu Wochenbeginn in New York auf 0,38 und damit auf den tiefsten je gemessenen Stand. Das wiederum lässt auf eine beinahe grobfahrlässige Ausgelassenheit dortiger Marktakteure schliessen.
Und dann wären da noch die Kurskapriolen bei Aktien wie GameStop. Am einen Tag um 30 Prozent tiefer, am nächsten dann wieder um über 50 Prozent höher. Mit dem richtigen Timing lässt sich viel Geld verdienen.
Zur Erinnerung: Über soziale Netzwerke verabreden sich Kleinstanleger, um mit geballter Kraft die Leerverkäufer in die Knie zu zwingen. Das Rezept ist denkbar einfach: Man nehme ein Unternehmen, bei dem bekannt ist, dass umfangreiche Wetten gegen dessen Aktien laufen und treibe den Kurs kräftig nach oben. Irgendwann ist die Schmerzgrenze für die Leerverkäufer erreicht. Diese kapitulieren dann und müssen Aktien zukaufen, um ihre Wetten zu schliessen – was dann erst recht eine Aufwärtsspirale in Gang setzt.
Allerdings beissen den letzten bei GameStop und Co. vermutlich die Hunde. Gerade die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist übrigens nicht ganz unschuldig am Höhenflug der New Yorker Börse.
Angesichts all dieser Anhaltspunkte einer Überhitzung überrascht es nicht, dass der eine oder andere Grossaktionär Kasse macht. So wurden der Schweizer Börsenbetreiberin SIX in den letzten Tagen gleich zwei grössere Titelverkäufe aus dem Verwaltungsrat von Straumann gemeldet – in beiden Fällen mit einem Verkehrswert in Höhe von rund 17 Millionen Franken. Eigentlich kommt da nur einer in Frage: Grossaktionär Thomas Straumann.
Beim Halbleiterzulieferer Comet trennte sich hingegen der Grossaktionär und frühere Partner Tetra Pak von einem Teilpaket. Im Zuge dessen wurden insgesamt 600'000 Aktien im Gegenwert von 127 Millionen Franken bei neuen Investoren platziert. Nur der nicht abbrechen wollenden Abfolge von Kaufempfehlungen und Kurszielerhöhungen aus der Analystengemeinde dürfte es zu verdanken sein, dass die platzierten Titel so gut absorbiert werden konnten.
Mit einigen wenigen Ausnahmen war die Grundstimmung am hiesigen Aktienmarkt allerdings gut. Ohne die Genussscheine von Roche würde der Swiss Market Index (SMI) vermutlich sogar noch deutlicher über 11'000 Punkten aus der Handelswoche hervorgehen. Alleine am Dienstag und Mittwoch kostete das Schwergewicht den SMI nämlich knapp 60 Punkte.
Erst war da der Studienabbruch für den Wirkstoff Tominersen zur Behandlung der Huntington Krankheit, dann folgten enttäuschende Absatzstatistiken der Beratungsfirma Symphony Health Solutions für die beiden Krebsmedikamente Perjeta und Herceptin.
Zur Erinnerung: Herceptin zählt gemeinsam mit Rituxan und Avastin zu den drei umsatzstärksten Medikamenten des Pharma- und Diagnostikkonzerns aus Basel. Seit dem Verlust des Patentschutzes leiden alle drei an einer Umsatzerosion, ausgelöst von günstigeren Nachahmerpräparaten.
Als Roche in den ersten Februar-Tagen den Zahlenkranz für das vergangene Geschäftsjahr veröffentlichte, warteten die Basler mit eher vorsichtigen Vorgaben für dieses Jahr auf. Angestrebt wird ein im tiefen bis mittleren einstelligen Prozentbereich liegendes Wachstum bei Umsatz und Gewinn, beides zu konstanten Wechselkursen.
Diese Vorgaben seien im Wissen um die Umsatzerosion bei den drei umsatzstärksten Medikamenten und die noch nicht ausgestandene Covid-19-Pandemie womöglich absichtlich konservativ gehalten, so mutmassten einige Analysten damals. Wo Roche im Vergleich mit den Vorgaben denn nun eigentlich steht, wird wohl erst die Veröffentlichung der Quartalsumsatzzahlen zeigen.
Die Aktionärinnen und Aktionäre von Sonova dürfen nach einem Rückschlag von Frequency Therapeutics mit dem Wirkstoff FX-322 erleichtert aufatmen. Denn FX-322 sollte die Sinneszellen im Innenohr wiederherstellen und durch chronischen Lärm verursachten Hörverlust heilen. So war das zumindest gedacht. Laut einem Zwischenergebnis einer klinischen Studie führte der Wirkstoff allerdings zu keinerlei Verbesserung des Hörvermögens.
Der betroffenen Patienten Leid, ist der Hörgeräteindustrie ihre Freud'. Denn lange Zeit sah es danach aus, als ob der innovative Wirkstoff Anbietern wie Sonova künftig das Wasser abgraben könnte. Dazu wird es nun wohl nicht kommen.
Um gut 4 Prozent ging es für die Aktien des Hörgeräteherstellers aus Stäfa am Dienstag denn auch nach oben, wobei Kurszielerhöhungen durch J.P. Morgan und Jefferies das ihre beisteuerten.
Dass der Appetit amerikanischer Investmentbanken meist erst beim Essen kommt, zeigte sich diese Woche einmal mehr bei Siegfried. Quasi zu Höchstkursen nimmt Merrill Lynch die Erstabdeckung der Aktien des Pharmazulieferers aus Zofingen mit "Buy" und einem Kursziel von 875 Franken auf.
Analyst Patrick Woods hebt die guten Aussichten im Geschäft mit Kleinmolekülen hervor und hält dieses für in Börsenkreisen unterschätzt. Auch die aktive Rolle des Unternehmens im Konzentrationsprozess sowie die damit verbundenen Skaleneffekte würden sich noch nicht adäquat im Aktienkurs widerspiegeln, so Woods weiter.
Apropos Siegfried: Am Mittwoch gaben die Behörden in Hongkong bekannt, vorübergehend niemanden mehr mit dem von Biontech und Pfizer entwickelten Covid-19-Impfstoff impfen zu wollen. Ausschlaggebend seien Probleme mit defekten Chargen in mehr als 50 Fällen gewesen, so berichtete die South China Morning Post.
Mitte September kündigte Siegfried eine Zusammenarbeit mit Biontech zur grosstechnischen Abfüllung und Verpackung dieses Covid-19-Impfstoffs an. Die ersten Chargen würden ab Mitte 2021 im Werk in Hameln abgefüllt, so hiess es damals. Das wiederum lässt darauf schliessen, dass wohl nicht der hiesige Pharmazulieferer für die Probleme in Hongkong verantwortlich sein kann. Dementsprechend entspannt reagierte auch die Börse.
Einen schmerzhaften Rücksetzer hatten gestern Donnerstag die Aktien von SoftwareOne zu verkraften. Der Spezialist für Softwarelizenzen wartete einerseits mit einem enttäuschenden Zahlenkranz für die zweite Hälfte letzten Jahres, andererseits aber auch mit vorsichtigen Vorgaben für dieses Jahr auf. Das bescherte den Papieren einen satten Tagesverlust von fast 20 Prozent. Unangenehme Fragen muss sich nun vor allem Analyst Cengizhan Sen von Julius Bär gefallen lassen. Er hatte die Aktien zuletzt sogar mit einem Kursziel von 40 Franken zum Kauf angepriesen. Nun krebst er zurück und will sowohl Kaufempfehlung als auch Kursziel überdenken. Meine Vermutung: Zumindest an der Kaufempfehlung dürfte er festhalten.
ABB-Chef Björn Rosengren löste diese Woche ein Versprechen seines Vorgängers Ulrich Spiesshofer ein. Nach dem Aktienrückkaufprogramm ist beim schweizerisch-schwedischen Industriekonzern vor dem Aktienrückkaufprogramm. Eigene Aktien im Gegenwert von 3,5 Milliarden Dollar hat das Unternehmen bereits zurückgekauft. Nun legt es mit einem neuen Programm in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar nach, um auch den verbleibenden Erlös aus dem Verkauf des Stromnetzgeschäfts and die japanische Hitachi wie geplant an die Aktionäre zurückzuführen.
Bei Kursen zwischen 20 und 25 Franken machten Aktienrückkäufe ja Sinn. Ob dem bei 29 Franken und mehr immer noch so ist, wage ich hingegen zu bezweifeln. Mal schauen, ob die Aktien von ABB den Schwung in die neue Woche mitnehmen können. Womöglich sind wir diesbezüglich nächsten Freitag schlauer, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
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