Der cash Insider berichtet im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.

+++

Wenn ich jemandem Mitte März gesagt hätte, dass der Swiss Performance Index (SPI) mit einem leichten Plus aus dem Börsenjahr 2020 hervorgeht – ich wäre vermutlich für verrückt erklärt worden. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Stimmung unter den Marktakteuren pandemiebedingt nahe am Gefrierpunkt und liessen Rezessionsängste die Aktienkurse auch hierzulande purzeln.

Heute – gut neun Monate später und fast 4000 Punkte beim breit gefassten Börsenbarometer höher – kann von einem Stimmungstief keine Rede mehr sein. Gerade an der Leitbörse in New York kocht die Stimmung regelrecht über.

So ist dort das Put-Call-Verhältnis auf den tiefsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen gefallen. Mit anderen Worten: Anstatt sich über Put-Optionen gegen Rückschläge abzusichern, spekulieren die Marktakteure lieber über Call-Optionen auf steigende Kurse. Und das am besten mit "weit aus dem Geld" liegenden Call-Optionen. Es liesse sich schon fast von grobfahrlässigem, wenn nicht gar gefährlichem Leichtsinn sprechen.

Nicht weniger von gefährlichem Leichtsinn zeugen die kreditfinanzierten Aktienkäufe. In New York schwoll die Summe sämtlicher auf Pump erworbenen Aktien alleine im Laufe des Novembers um fast 10 Prozent auf 722 Milliarden Dollar an. Auch das ist ein neuer historischer Höchstwert.

Auch die amerikanischen Aktienanalysten strotzen nur so vor Zuversicht und heizen damit die Stimmung – ob nun gewollt oder ungewollt – weiter an. Erhebungen der Nachrichtenagentur zufolge weisen neun von zehn Kurszielanpassungen für Aktien aus dem breit gefassten S&P 500 Index positive Vorzeichen auf. Das ist der höchste je gemessene Wert, höher als unmittelbar vor dem Börsenrücksetzer im Frühjahr 2018. Ähnliches lässt sich übrigens auch bei uns am Schweizer Aktienmarkt beobachten.

Auch wenn die hiesigen Aktienindizes noch nicht wieder zu den Bestmarken von Ende Februar aufschliessen konnten, sind günstig bewertete Aktien auch hierzulande Mangelware. So hoch bewertet war der Schweizer Aktienmarkt noch nie zuvor.

Ich gehe zwar davon aus, dass die ab Mitte Januar anlaufende Jahresberichterstattung mehrheitlich für positive Zahlenüberraschungen sorgen dürfte. Inwiefern das für die drei Schwergewichte Nestlé, Roche und Novartis gilt, wird sich allerdings erst noch zeigen müssen. Gemeinsam sind sie beim SPI für knapp die Hälfte der Gesamtkapitalisierung verantwortlich und entscheiden deshalb massgeblich darüber, in welche Richtung sich das Börsenbarometer bewegen wird.

Die Valoren von Nestlé, Roche und Novartis scheinen mir momentan eher moderat bewertet. Nachhaltig höhere Kurse sind wohl aber nur dann möglich, sollten mächtige ausländische Grossinvestoren die Indexschwergewichte – aus was für Gründen auch immer – wiederentdecken. Günstig bewertete Aktien sind ansonsten Mangelware. Meine Vermutung deshalb: Das einfache Geld ist gemacht. Etwas verdienen dürfte im nächsten Jahr nur noch, wer auf die richtigen Aktien setzt.

Etwas Sorgen bereitet mir die heissgelaufene Stimmung an der New Yorker Börse. Leider befürchte ich, dass sich diese spätestens ab Februar in einer schmerzhaften Korrektur entladen könnte. Eine solche bliebe auch bei uns am Schweizer Aktienmarkt nicht ohne Folgen.

Alle diese Überlegung lasse ich auch bei meinen Schweizer Aktienfavoriten für das Börsenjahr 2021 einfliessen. Anders als in den letzten Jahren räume ich jeder Aktie ein unterschiedliches Gewicht ein und gehe mit einer taktischen Liquiditätsquote von 10 Prozent ins Rennen. Meine persönliche Favoritenliste sieht (nach Gewichtung absteigend) wie folgt aus:

Nestlé (Gewichtung: 15 Prozent)

Das Indexschwergewicht soll bei meinen Schweizer Aktienfavoriten für Stabilität sorgen. Noch immer trennen die Aktien gut 10 Prozent vom Rekordhoch vom Spätsommer 2019 bei etwas mehr als 113 Franken. Das völlig zu Unrecht, hat der Nahrungsmittelkonzern aus Vevey unter Firmenchef Mark Schneider doch an Profil gewonnen. Vermutlich hat sich das organische Umsatzwachstum im vierten Quartal weiter beschleunigt. So genau wissen wir das erst, wenn das Unternehmen am Morgen des 18. Februar das Jahresergebnis vorlegt. Ich wäre jedenfalls nicht überrascht, wenn es nicht nur mit einer Wachstumsbeschleunigung, sondern auch mit kräftigen Margenverbesserungen aufwarten würde. Ein grosses Lob gebührt Mark Schneider und seinem Geschäftsleitungskollegium auch für die sehr umsichtige Umsetzung des milliardenschweren Aktienrückkaufprogramms.

Kurs-Gewinn-Verhältnis 2021: 23
Dividendenrendite: 2,7 Prozent

 

LafargeHolcim (Gewichtung: 15 Prozent)

Als ein allzu erfolgreiches Kapitel dürfte der Schulterschluss von Holcim mit der französischen Lafarge zu LafargeHolcim wohl nicht in die traditionsreiche Firmengeschichte des Zementherstellers aus Jona eingehen. Die ursprünglich ach so gerühmten Pläne bleiben den Erwartungen in verschiedenster Hinsicht bis heute vieles schuldig. Mit Jan Jenisch ist meines Erachtens jedoch der richtige Mann an der Konzernspitze. Der frühere Sika-Chef konnte bereits erste Erfolge feiern. Dennoch kosten die Aktien seines jetzigen Arbeitgebers noch immer fast 17 Prozent weniger als an dem Tag, an dem seine Verpflichtung bekannt wurde. Ich verspreche mir in den nächsten 12 Monaten weitere Verbesserungen beim Tagesgeschäft sowie Veränderungen im Firmenportfolio. Ausserdem dürfte der Zementhersteller als einer der Profiteure milliardenschwerer neuer Investitionen in die Infrastruktur hervorgehen.

Kurs-Gewinn-Verhältnis 2021: 14
Dividendenrendite: 4,1 Prozent

 

Stadler Rail (Gewichtung: 12,5 Prozent)

Anstatt den beiden anderen Indexschwergewichten Roche und Novartis räume ich lieber den Aktien von Stadler Rail ein ziemliches Gewicht bei meinen Aktienfavoriten ein. Da wären zum einen die randvollen Auftragsbücher in Höhe von mehr als 16 Milliarden Franken. Von diesen Aufträgen lässt sich auf Jahre hinaus zehren. Zum anderen dürfte der Hersteller von Schienenfahrzeugen von zusätzlichen staatlichen Milliarden in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs profitieren – während der Rivale Alstom nach der Übernahme der ähnlich gelagerten Geschäftsaktivitäten der kanadischen Bombardier erst einmal mit sich selber beschäftigt sein dürfte. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass das Tagesgeschäft in der zweiten Hälfte dieses Jahres noch nicht die erhoffte Verbesserung erfahren hat. Die Talsohle dürfte jedoch durchschritten worden sein und Firmenpatron Peter Spuhler künftig endlich Turnaround-Erfolge feiern. Das macht diese Aktien im Hinblick auf das neue Jahr zu einem Muss. Eine mögliche Platzierung der Rest-Beteiligung durch die RAG-Stiftung dürfte hingegen rasch verdaut sein.

Kurs-Gewinn-Verhältnis 2021: 21
Dividendenrendite: 2 Prozent

 

Zurich Insurance (Gewichtung: 10 Prozent)

Es ist schon ziemlich beeindruckend, wie widerstandsfähig das Tagesgeschäft von Zurich Insurance in Krisenzeiten ist. Selbst die pandemiebedingten Kosten steckt die Versicherungsgruppe bislang ziemlich gut weg. Die grosszügige Dividendenpolitik war zu keiner Zeit in Gefahr. Die kürzlich bekanntgegebene Übernahme des Sachversicherungsgeschäfts des Rivalen Metlife zeigt, in welche Richtung es unter Firmenchef Mario Greco auch im neuen Jahr gehen wird. Eine kräftige Gewinnerholung erhoffe ich mir insbesondere von Prämienverbesserungen im amerikanischen Firmenkundengeschäft. Hauptattraktion bleibt die attraktiv hohe Dividendenrendite.

Kurs-Gewinn-Verhältnis 2021: 12
Dividendenrendite: 5,4 Prozent

 

Oerlikon (Gewichtung: 10 Prozent)

Treue Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen, dass ich die Aktien des Oberflächenspezialisten Oerlikon schon vor Jahresfrist zu meinen Favoriten zählte. Mit eher überblickbarem Erfolg. Wie andere Automobilzulieferaktien gerieten auch jene des hiesigen Industrie-Urgesteins unter die Räder. Zu Unrecht, wie ich finde. Denn spätestens seit dem Verkauf von Oerlikon Drive an den amerikanischen Rivalen Dana bewegt sich die Abhängigkeit von Kunden aus der Automobilindustrie in einem überblickbaren Rahmen. Ausserdem führt das Textilmaschinengeschäft über ein Eigenleben, was die Ergebnisschwankungen auf Konzernebene ausnivelliert. Kursseitiges Aufwärtspotenzial verspreche ich mir nicht zuletzt auch von den in der Vergangenheit eingeleiteten Sparmassnahmen sowie von der soliden Bilanz. Letztere lässt ergänzende Firmenübernahmen oder eine weitere Sonderdividende zu.

Kurs-Gewinn-Verhältnis 2021: 25
Dividendenrendite: 2,2 Prozent

 

Credit Suisse (Gewichtung: 10 Prozent)

Als langfristige Anlage taugen weder die Aktien der UBS, noch jene der etwas kleineren Rivalin Credit Suisse. Keine der beiden Schweizer Grossbanken konnte in all den Jahren nachweislich Aktionärswerte schaffen. In der Vermögensverwaltung gehören die goldenen Jahre der Vergangenheit an – und das nicht erst seit dem "Aus" für das Schweizer Bankgeheimnis. Und im Investment Banking gräbt den hiesigen Grossbanken immer öfter die übermächtige Konkurrenz aus Übersee das Wasser ab. Nichtsdestotrotz sollten diese Valoren über die nächsten Monate von leicht steigenden Zinsen profitieren. Erst wollte ich aufgrund des defensiveren Geschäftsmodells eigentlich die Papiere der UBS für ein weiteres Jahr auf meiner Favoritenliste belassen. Wäre da nicht der anstehende Berufungsprozess in Frankreich. Dieser entscheidet darüber, ob die grössere der beiden Schweizer Grossbanken die in erster Instanz gegen sie verhängte Milliardenstrafe bezahlen muss oder nicht. Unnötig zu erwähnen, dass der Entscheid auch Folgen für die Ausschüttungspolitik der UBS hat. Ich gehe deshalb auf Nummer Sicher und starte mit den Aktien der Credit Suisse ins neue Börsenjahr.

Kurs-Gewinn-Verhältnis 2021: 8
Dividendenrendite: 2,6 Prozent

 

Helvetia (Gewichtung: 10 Prozent)

Seit dem Kurssturz vom März dieses Jahres haben sich die Aktien von Helvetia nie mehr richtig erholt. Das mag nicht zuletzt mit dem eher enttäuschenden Wertschriftenergebnis der Versicherungsgruppe zu tun haben. Wie das Halbjahresergebnis vermuten lässt, verloren die Anlageverantwortlichen die Nerven, als die Aktienkurse pandemiebedingt ins Rutschen gerieten. Noch ist unklar, ob auch Folgen für das Tagesgeschäft erwartet werden müssen. Erweisen sich die damit verbundenen Ängste als übertrieben, winkt den Papieren eine kräftige Kurserholung. Den Abschlag gegenüber dem bereinigten Buchwert – Analysten schätzen den Buchwert auf rund 120 Franken je Aktie – macht Helvetia gar zu einem möglichen Übernahmeziel.

Kurs-Gewinn-Verhältnis 2021: 10
Dividendenrendite: 5,5 Prozent

 

Valora (Gewichtung: 5 Prozent)

Valora ächzt noch immer unter den Folgen pandemiebedingter Restriktionen. Ob der Trend in Richtung Arbeiten von zu Hause aus von Dauer sein wird, bleibt abzuwarten. Falls ja, träfe das auch die Baselbieter Kiosk-Mutter. Von der Covid-19-Krise geht allerdings ein positiver Nebeneffekt aus: Die zuvor teils exzessiven Mietansätze an gut frequentierten Passantenlagen mässigen sich. Und obschon ich trotz Impfstoffen nicht mit einer raschen Rückkehr zur Normalität rechne, sehe ich in den Valora-Aktien eine nicht uninteressante Wette. Ich räume dieser bei meinen Favoriten denn auch nur ein Gewicht von 5 Prozent ein.

Kurs-Gewinn-Verhältnis 2021: 50
Dividendenrendite: 0 Prozent

 

Meyer Burger (Gewichtung: 2,5 Prozent)

Ist der Vorstoss Meyer Burgers in die Produktion von Solarmodulen von Erfolg gekrönt oder nicht? Das ist die alles entscheidende Frage. Fakt ist: Auf dem Weg zum Erfolg wartet auf Firmenchef Gunter Erfurt und seine Kollegen aus Geschäftsleitung und Verwaltungsrat viel Arbeit – auch Überzeugungsarbeit. Erste wichtige Meilensteine sind erreicht. Dazu zähle ich einerseits die im Sommer vollzogene Bilanzsanierung, andererseits aber auch der Kauf eines früheren Produktionsstandorts von Solarworld. So weit, so gut. Bis dort Solarmodule vom Fliessband laufen und diese auch Abnehmer finden, dürfte es noch dauern. Deshalb räume ich auch dieser Wette auf einen Green New Deal vorerst bloss ein Gewicht von 2,5 Prozent ein – stets mit dem Hintergedanken, eventuell zu einem späteren Zeitpunkt noch Aktien zukaufen zu können.

Kurs-Gewinn-Verhältnis 2021: n.a.
Dividendenrendite: 0 Prozent

 

Der cash Insider nimmt Marktgerüchte sowie Strategie-, Branchen- oder Unternehmensstudien auf und interpretiert diese. Marktgerüchte werden bewusst nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Gerüchte, Spekulationen und alles, was Händler und Marktteilnehmer interessiert, sollen rasch an die Leser weitergegeben werden. Für die Richtigkeit der Inhalte wird keine Verantwortung übernommen. Die persönliche Meinung des cash Insiders muss sich nicht mit derjenigen der cash-Redaktion decken. Der cash Insider ist selber an der Börse aktiv. Nur so kann er die für diese Art von Nachrichten notwendige Marktnähe erreichen. Die geäusserten Meinungen stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an die Leserschaft dar.