Der cash Insider berichtet im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv. Schauen Sie sich doch auch das Tracker Zertifikat auf die Schweizer Aktienfavoriten des cash Insider an.

+++

Noch vor wenigen Jahren galt Temenos als Vorzeigeunternehmen, das hierzulande seinesgleichen suchte. Und auch an der Schweizer Börse war die Bankensoftwareschmiede aus Genf das Mass aller Dinge, erfuhr der Aktienkurs zwischen Juli 2012 und September 2018 doch nicht weniger als eine Verfünfzehnfachung.

Seither bekommt die Erfolgsgeschichte allerdings immer mehr Risse. Auch am späten Donnerstagabend erwartete die Aktionärinnen und Aktionäre wieder eine kalte Dusche, als die Genfer der Weltöffentlichkeit ihren Zahlenkranz für das dritte Quartal präsentierten.

Mit einem Umsatz von 231,6 Millionen Dollar und einem Gewinn von 92 Cents je Aktie blieb die Geschäftsentwicklung auf den ersten Blick zwar nur leicht unter den bei 235,6 Millionen Dollar beziehungsweise 93 Cents je Aktie liegenden Schätzungen der Analysten zurück.

Wie so oft in den letzten Jahren steckte der Teufel jedoch im Detail, etwa in Form steigender Kosten oder üppiger aktienbasierender Lohnbestandteile. Ausserdem wurde enttäuscht, wer mit einer Erhöhung der Jahresvorgaben gerechnet hatte.

Die Börse kannte am Freitag jedenfalls keine Gnade und watschte die Temenos-Aktien zeitweise mit Kursverlusten von 15 Prozent und mehr ab. Die jüngere Firmengeschichte der Bankensoftwareschmiede zeigt, wie nahe gerade an der Börse Erfolg und Misserfolg beieinander liegen können.

Auch der für Julius Bär tätige Analyst Cengizhan Sen räumt ein, dass die Genfer auf ein nicht wirklich sehr überzeugendes drittes Quartal zurückblicken. An seiner Kaufempfehlung sowie am Kursziel von 165 Franken für die Aktien hält er dennoch fest.

Was als Analyst tun, wenn sich der Kurs einer Aktie nicht in die gewünschte Richtung bewegt? Richtig: Man greife einfach mal beherzt in die Trickkiste. Denn Sen begründet seine Kaufempfehlung neuerdings auch damit, dass er in Temenos ein "heisses" Übernahmeziel für einen grösseren Softwareanbieter sieht. Ganz neu ist das nicht, wurde in der Vergangenheit doch schon SAP oder Microsoft ein Interesse am Unternehmen nachgesagt.

Übernahmefantasien bescheren den Temenos-Aktien zu Wochenbeginn eine Kurserholung (Quelle: www.cash.ch)

Das macht den Julius-Bär-Analysten übrigens zum Wiederholungstäter. Im Februar zog er schon beim Sensorenhersteller AMS die "Übernahme-Karte". Der eine oder andere Leser meiner Kolumne dürfte sich wohl noch daran erinnern.

Zum Thema AMS schrieb ich damals:

Eine Aktie aufgrund von Übernahmefantasien zu kaufen ist immer so eine Sache. Manchmal kann es – wie im Fall des Luftfrachtspezialisten Panalpina – Jahre dauern, bis ein Unternehmen übernommen wird. Nicht selten wartet man aber auch vergeblich auf eine Offerte, wie beim Spezialitätenchemiekonzern Clariant. Und der Dentalimplantatehersteller Nobel Biocare muss als mahnendes Beispiel dafür herhalten, dass Aktionärinnen und Aktionäre bei einem Verkauf eines Unternehmens ins Ausland manchmal auch bloss mit Brosamen abgespeist werden.

Nicht nur Julius Bär, auch Goldman Sachs lässt bei Temenos übrigens die Wahrscheinlichkeit ins Bewertungsmodell mit einfliessen, dass das Unternehmen übernommen werden könnte. Allerdings kommt der für die amerikanische Investmentbank tätige Analyst Gautam Pillai bloss auf ein 12-Monats-Kursziel von 110 (zuvor 115) Franken. Das Anlageurteil lautet deshalb unmissverständlich "Sell".

 

Der cash Insider nimmt Marktgerüchte sowie Strategie-, Branchen- oder Unternehmensstudien auf und interpretiert diese. Marktgerüchte werden bewusst nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Gerüchte, Spekulationen und alles, was Händler und Marktteilnehmer interessiert, sollen rasch an die Leser weitergegeben werden. Für die Richtigkeit der Inhalte wird keine Verantwortung übernommen. Die persönliche Meinung des cash Insiders muss sich nicht mit derjenigen der cash-Redaktion decken. Der cash Insider ist selber an der Börse aktiv. Nur so kann er die für diese Art von Nachrichten notwendige Marktnähe erreichen. Die geäusserten Meinungen stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an die Leserschaft dar.