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Unter den Investmentbankern haben die Aktienanalysten den wohl zweifelhaftesten Ruf. Mittlerweile sind zwar klare organisatorische Vorschriften einzuhalten, welche einen Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Abteilungen einer Bank unterbinden sollen. Allerdings steht noch immer der Vorwurf im Raum, dass die Aktien positiver eingeschätzt werden, sofern das Unternehmen Kunde der jeweiligen Bank ist. Doch die Berufsgruppe muss sich auch anderweitig Kritik gefallen lassen, beispielsweise für ihr nicht selten eher reaktives als proaktives Verhalten.

Dass es auch anders geht, beweist der für die Berenberg Bank tätige Bankenanalyst. Schon seit Jahren empfiehlt er die Aktien der Credit Suisse zum Verkauf. Der Experte hatte es nicht immer leicht, wurde er für die optisch tiefen Kursziele doch von vielen seiner Berufskollegen belächelt.

Erst vor wenigen Wochen ging ein lautes Raunen durch unser kleines Land, als er das Kursziel auf 9 Franken reduzierte. Die Valoren der traditionsreichen kleineren der beiden Schweizer Grossbanken im einstelligen Kursbereich - das war damals bei 13,32 Franken noch völlig undenkbar.

In den letzten Tagen bliesen ausländische Hedgefonds gleich mehrmals zum Angriff auf die magische Kursmarke von 10 Franken. Weil ihnen der Erfolg bis zuletzt verwehrt blieb, wurde auf Stützungskäufe durch die Grossbank oder einen ihrer Grossaktionäre spekuliert. Heute nun scheint der Damm gebrochen.

Seit Montag ist der Bankenanalyst der Berenberg Bank nun übrigens nicht mehr alleine mit seinem mutigen Kursziel: Auch die für BNP Paribas tätigen Kollegen sehen den Kurs der Aktien der Credit Suisse neuerdings auf 9 (11) Franken tauchen.

Beide Banken äussern Zweifel daran, dass das Unternehmen die Eigenkapitaldecke aus eigener Kraft stärken kann. Am deutlichsten wird dabei die Berenberg Bank. Sie veranschlagt das nachhaltige Ertragspotenzial auf gerademal einen Franken je Aktie und befürchtet, dass einmal mehr die Aktionäre zur Kasse gebeten werden müssen.

Unter einem etwas weniger guten Stern steht die Verkaufsempfehlung des Analysten von Helvea für die Aktien von Temenos. Diese reicht in den Sommer letzten Jahres zurück. Im Zuge eines überzeugenden Tagesgeschäfts und prominenter Neuzugänge beim Kundenportfolio hat sich der Börsenwert seither nahezu verdoppelt.

Obschon erst vor wenigen Tagen auch noch ein Auftrag von Standard Chartered bei der Softwareschmiede aus Genf eingegangen ist, hält der Experte an seiner Verkaufsempfehlung fest. Obschon er einräumt, dass dieser Auftrag das zweite Quartal gerettet haben dürfte, erachtet er das firmeneigene Jahresziel für die Lizenzeinnahmen als zu optimistisch. Vom 28 Franken lautenden Kursziel errechnet sich noch immer ein Rückschlagspotenzial von über 40 Prozent.

Dass es auch in die andere Richtung gehen kann, stellt der Berufskollege der MainFirst Bank eindrücklich unter Beweis. Ende Mai sah er sich bei den mit "Outperform" empfohlenen Aktien von Leonteq zu einer Reduktion des Kursziels auf 105 (190) Franken gezwungen. Allerdings traut er dem Anbieter strukturierter Produkte damit noch immer fast eine Verdoppelung des Börsenwerts zu. Erst kürzlich sorgte eine hohe ausserbörsliche Blocktransaktion für Gerüchte, wonach die Raiffeisen Gruppe weitere Titel zugekauft habe.

Mit Vorsicht sind optisch hohe Kursziele von Banken zu geniessen, welche einst mit der Publikumsöffnung eines Unternehmens betraut waren. An Anschauungsbeispielen mangelt es bei uns in der Schweiz diesbezüglich nicht. Nehmen wir die Aktien von Sunrise Communications. Seit gut einem Jahr an der Börse, wird die Nummer zwei im Mobilfunkmarkt Schweiz sowohl von den Analysten der UBS als auch von jenen der Deutschen Bank, Morgan Stanley und der Berenberg Bank zum Kauf empfohlen. Mit 84 Franken hat Morgan Stanley das höchste Kursziel ausstehend. Es legt ein Aufwärtspotenzial von 35 Prozent nahe. Eines haben diese vier Banken allerdings gemeinsam: Sie alle waren im Februar 2015 in den Börsengang involviert.

Zu Verzerrungen kommt es auch, wenn Aktien innerhalb kürzester Zeit stark im Wert steigen oder fallen. Das war zuletzt bei den Valoren von EFG International so zu beobachten. Obschon Goldman Sachs, UBS und Berenberg Bank diese nur mit "Neutral" einstufen, legen die zwischen 5,50 und 6,50 Franken angesiedelten Kursziele nahezu eine Kursverdoppelung nahe.

Es gibt folglich gute Gründe, weshalb sich Anleger nicht alleine aufgrund eines optisch hohen oder tiefen Kursziels blindlings in ein Aktienabenteuer stürzen sollten. Dennoch darf man nicht alle Aktienanalysten verteufeln, gibt es doch auch in dieser Berufsgilde so etwas wie Ausnahmetalente.
 

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