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Die Aktienkurse wollen nach oben, während die Gewinnerwartungen fallen. Die Bewertungen steigen und steigen. Und das in völlig neue Sphären. Man braucht kein eingefleischter Börsenprofi zu sein, um zu erkennen, dass diese Entwicklung wohl kaum gesund ist.
Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten, wie sich diese Schere wieder schliesst. Entweder es stellt sich bei den Unternehmensgewinnen eine Belebung ein, oder die Aktienkurse fallen auf ein etwas vernünftigeres Niveau. Der Coronavirus-Ausbruch in China und die damit verbundenen Folgen für die Weltwirtschaft lassen vermuten, dass viele Analysten bei ihren Gewinnerwartungen eher noch einmal den dicken Rotstift ansetzen müssen.
Es dürfte kein Zufall sein, dass mächtige angloamerikanische Grossinvestoren schon vor Wochen damit begonnen haben, in Deckung zu gehen. So flossen auch hierzulande Milliarden von Franken in die als weitestgehend konjunkturresistent geltenden Valoren von Roche, Givaudan oder Nestlé. Auch beliebte Wachstumsaktien wie jene von Straumann, Lonza oder Sonova waren schwer "en vogue". Zu welchem Preis, war eigentlich völlig egal.
Eines haben diese Unternehmen übrigens gemeinsam: Ihnen verzeiht die Börse momentan fast alles - egal ob enttäuschende Zahlenkränze oder von Vorsicht geprägte Zielvorgaben. Ich war auch am gestrigen Dienstag wieder beeindruckt, wie locker die Börse momentan Enttäuschungen wie etwa bei Straumann einfach so wegsteckt...
Christopher Potts von Kepler Cheuvreux sieht in dieser geballten Kapitalkonzentration eine nicht ungefährliche Entwicklung. Die Schlüsselbotschaft des bekannten Aktienstrategen: Das Handelsgeschehen ist spekulationsgetrieben und Aktien kaufen so riskant wie lange nicht mehr.
Die Straumann-Aktien haben die jüngste Kursdelle mehr als wettgemacht (Quelle: www.cash.ch)
Auch Potts weiss zu berichten, dass immer öfter Gier um sich greift - etwas das ich durchaus bestätigen kann. Seit die amerikanische Notenbank vor gut einem Jahr eine geradezu spektakuläre geldpolitische Kehrtwende vollzog und ihre Leitzinsen im weiteren Jahresverlauf nicht weniger als dreimal senkte, geniessen die Marktakteure - zumindest gefühlt - völlige Narrenfreiheit.
So etwas wie den Wirtschaftszyklus oder Börsenkorrekturen scheint es nicht länger zu geben - der "Politik des billigen Geldes" sei Dank. So schmerzhaft Rezessionen und Börseneinbrüche auch sein mögen: Sie sind bereinigend und schaffen eine gesunde Basis für die Zukunft.
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Seit dem frühen Mittwochmorgen steht fest: Der langjährige Grossaktionär Artisan Partners hat sich vergangene Woche bei ABB von Titeln getrennt. Als Verkäufer muss er sich nur deshalb zu erkennen geben, weil dadurch der Schwellenwert von 3 Prozent unterschritten wurde.
Ob sich der Finanzinvestor ganz aus dem Aktionariat zurückzieht und was für Überlegungen hinter der Beteiligungsreduktion stehen, ist nicht bekannt.
Auch Cevian Capital meldet Veränderungen bei der Höhe der Beteiligung. Neuerdings hält die schwedische Beteiligungsgesellschaft fast 6 Prozent an ABB. Die letzte vergleichbare Meldung liegt schon ein paar Jahre zurück. Damals hielt der Finanzinvestor bloss 5,3 Prozent am schweizerisch-schwedischen Industriekonzern.
Anders als bei Artisan Partners zwingt eine Änderung in der Zusammensetzung der Gruppe den Grossaktionär, sich zu offenbaren. Aktien zugekauft hat Cevian Capital zuletzt wohl nicht - wobei ich bei dieser Abfolge von Offenlegungsmeldungen nicht so recht an einen Zufall glauben will. Letzteres ist vermutlich auch der Grund, weshalb die Aktien nach der Beteiligungsreduktion durch Artisan Partners nicht unter Druck geraten.
Kursentwicklung der Aktien von ABB über die letzten zehn Jahre (Quelle: www.cash.ch)
Wenn ABB ab dem Frühsommer den milliardenschweren Erlös aus dem Verkauf des Stromübertragungsgeschäfts an die Aktionäre zurückführt, wären die beiden Finanzinvestoren eigentlich am Ziel angelangt. Den einstigen Forderungen wäre dann entsprochen worden.
Eine bessere Gelegenheit, um den Rückzug anzutreten, dürfte sich ihnen so schnell nicht wieder bieten. Folglich müssen die Grossaktionäre Farbe bekennen.
Auch bei Finanzinvestoren kommt der Appetit für gewöhnlich erst mit dem Essen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass zumindest Cevian Capital mit an Bord bleibt - zumal der Aktienkurs ja noch immer weit unterhalb der angestrebten 35 Franken notiert. Sprich: Es müssen dringend Erfolgsmeldungen her, will der schweizerisch-schwedische Industriekonzern den "ewigen Fluch der 25 Franken" an der Börse abschütteln.
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