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Die amerikanische Leitbörse ist nicht zu bremsen. Ein historischer Rekord folgt dem nächsten. In den dortigen (Finanz-)Medien ist deshalb bereits von einem "Melt-up" - einem endgültigen Sieg der Haussiers über die Baissiers - die Rede.

Und tatsächlich sehen sich die Leerverkäufer nicht nur in New York bei immer neuen Aktien zur Kapitulation gezwungen. Auch bei uns kostete das überraschend starke Schlussquartal beim Sanitärtechnikkonzern Geberit, die Erhöhung der diesjährigen Zielvorgaben beim Kultunternehmen Logitech oder der spekulationsgetriebene Höhenflug beim Solarzulieferer Meyer Burger die Leerverkäufer viel Geld. Dementsprechend blank liegen die Nerven...

Doch nicht nur bei den Leerverkäufern: Wer dem Börsentreiben die letzten Jahre unbeteiligt zuschaute, erhält seit wenigen Wochen den Eindruck, wirklich etwas zu verpassen.

Neuerdings werde ich sogar im Fitnessstudio darauf angesprochen, ob und bei welchen Aktien ich jetzt noch einsteigen würde. Übel nehmen kann ich das den Leuten angesichts der beeindruckenden Rekordjagd an den Aktienmärkten und der geradezu überschwenglichen Medienberichterstattung nicht.

Umso überraschter die Gesichter, wenn ich erzähle, dass ich meine Aktienengagements jüngst etwas zurückgefahren und mich von den risikoreichsten Titelpositionen getrennt habe.

Nicht weniger häufig werde ich übrigens gefragt, ob sich nach dem jüngsten Rückschlag nicht der Bitcoin für eine Wette aufdränge. Wobei sich bei diesem Pionier unter den Kryptowährungen wieder einmal eindrücklich zeigte: Spätestens wenn auf den Titelseiten von "20 Minuten" oder "Blick" darüber berichtet wird, lässt der Stimmungsumschwung meist nicht mehr lange auf sich warten.

Ein ähnliches Schicksal - wenn auch nicht im selben Ausmass - droht der amerikanischen Leitbörse in New York. Die davon ausgehenden Schockwellen werden auch bei uns am Schweizer Aktienmarkt schmerzhaft zu spüren sein.

Während ein Gros der Anlageexperten mit Verweis auf die weiterhin tiefen Zinsen, die wirtschaftliche Wachstumsbelebung rund um den Globus oder die unternehmensfreundliche Wirtschaftspolitik der amerikanischen Regierung (verabschiedete Steuerreform, in Aussicht gestelltes Infrastrukturpaket) unbeirrt zum Kauf von Aktien rät, schwimmt derzeit gefühlt nur Christopher Potts gegen den Strom.

Der für das Cross Asset Research von Kepler Cheuvreux tätige Aktienstratege bleibt bei seiner Aussage von vor zwei Wochen und sagt schon für Februar einen Stimmungsumschwung vorher (siehe "Die Stimmung dürfte spätestens im Februar kippen" vom 9. Januar).

Nicht etwa, dass Potts die wirtschaftliche Wachstumsbelebung oder der unternehmensfreundliche Kurs der amerikanischen Regierung in Abrede stellen würde - vielmehr argumentiert er mit der von diesen beiden Faktoren ausgehenden Gefahr steigender Zinsen.

Verhältnis des S&P-500-Index zum Anleihenmarkt auf quartalsweiser Basis. (Quelle: Bloomberg Finance L.P., Julius Bär)

Der Aktienstratege ist sich deshalb sicher: Auch in Europa werden Aktien später im Jahr wieder günstiger zu haben sein.

Anders als seine Berufskollegen empfiehlt er seinen Anlagekunden, in defensiven Aktien aus der Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie sowie in den als defensiv geltenden Schweizer Aktien "in Deckung" zu gehen.

Ich teile gleich zwei dieser Ansichten: Zum einen sehe ich vom amerikanischen Aktienmarkt und zum anderen von steigenden Zinsen Gefahren ausgehen. Ob sich Schweizer Aktien als ein sicherer Hort erweisen, dessen bin ich mir hingegen alles andere als sicher.

Was mich nachdenklich stimmt: Vermögensverwalter und Fondsmanager sind bis über beide Ohren in Aktien investiert und so schlecht gegen Rückschläge abgesichert wie seit Jahren nicht mehr. Darüber hinaus wird gerade in New York wieder im grossen Stil auf Pump spekuliert (siehe die beiden nachstehenden Grafiken).

Summe kreditfinanzierter Aktienkäufe (rot) im Vergleich mit dem Wilshire 5000 Index (blau). (Quelle: Ed Yardeni, www.yardeni.com)

Fremdfinanzierte Aktienkäufe in Prozent der amerikanischen Wirtschaftsleistung. (Quelle: Alan Newman, www.cross-current.net)

Dennoch rate ich entschieden davon ab aus Angst vor einem Rückschlag sämtliche Aktien zu verkaufen. In Phasen wie der jetzigen kann es allerdings nicht schaden, mal den einen oder anderen aufgelaufenen Kursgewinn mitzunehmen und sich ein taktisches Liquiditätspolster aufzubauen (siehe auch "Euphorie unter Fonds-Managern - das Endspiel hat begonnen" vom 17. Januar). Meine Einschätzung deckt sich nämlich mit jener von Christopher Potts: Aktien werden später im Jahr wieder günstiger zu haben sein.

Ich lasse deshalb auf Worte auch Taten folgen und nehme im Rahmen meiner Schweizer Aktienfavoriten für das Börsenjahr 2018 bei Burckhardt Compression die in den letzten Wochen aufgelaufenen zweistelligen Kursgewinne (15,5 Prozent) mit.
 

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