Die Schweizerische Nationalbank (SNB) dürfte bei der ersten Zinssitzung in diesem Jahr nach mehrheitlicher Einschätzung von Ökonomen die Füsse weiter stillhalten. 25 von 32 oder knapp 80 Prozent der von der Nachrichtenagentur Reuters befragten Volkswirte erwarten, dass die Notenbank am Donnerstag den Leitzins bei 1,75 Prozent belassen wird. Eine erste Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte erwarten 14 der Befragten dann bei der nächsten turnusmässigen Zinssitzung im Juni. Elf Experten gehen davon aus, dass die Notenbank erst im September oder sogar noch später die Zinsen lockern wird.

Im Schnitt erwarten die Ökonomen, dass der Leitzins dieses Jahr um insgesamt 50 Basispunkte auf 1,25 Prozent sinken wird. Die SNB würde damit weniger stark lockern als die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB), von denen Ökonomen 75 bis 100 Basispunkte Zinssenkung erwarten. Aus dem Führungskreis der EZB hatten sich jüngst die Hinweise auf eine Abkehr von der Hochzinspolitik ab Mitte des Jahres gemehrt. Fed-Chef Jerome Powell hatte den Zeitpunkt einer Zinssenkung zuletzt offengelassen und will erst weitere Gewissheit über den Rückgang der Inflation.

Inflation liegt im SNB-Zielbereich - Franken hat abgewertet

Ökonomen sehen das dreiköpfige SNB-Direktorium um Notenbank-Präsident Thomas Jordan dank einer robusten Wirtschaftsentwicklung und der jüngsten Abwertung des Franken nicht unter Handlungsdruck. «Der Schweizer Franken hat seit Jahresbeginn gegenüber dem Euro 3,5 Prozent an Wert verloren und gegenüber dem Dollar sogar 5,3 Prozent», erklärten etwa die Volkswirte der Grossbank UBS. «Diese Abwertung des Frankens hat die monetären Bedingungen in der Schweiz entspannt und den Druck auf die SNB verringert, ihren Leitzins rasch zu senken.»

Ähnlich sieht das Jörg Angele, Volkswirt beim Asset Manager Bantleon. «Die Inflation ist zwar deutlich rückläufig, sie liegt aber weiterhin oberhalb der Mitte des Zielbands», erklärte er. «Es besteht mithin kein Handlungsbedarf, zumal die Wirtschaftsleistung und insbesondere der private Konsum im zweiten Halbjahr 2023 überraschend solide expandiert haben.» Die Notenbank dürfte daher eine «Politik der ruhigen Hand verfolgen» und zuwarten, was EZB und Fed machen. «Zinssenkungen sehen wir daher – wenn überhaupt – deutlich nach den ersten Schritten speziell von der EZB.»

Die Schweiz hat eine der niedrigsten Inflationsraten unter den grossen Volkswirtschaften, sie liegt seit einigen Monaten wieder im Zielbereich der SNB von null bis zwei Prozent. Im Februar war die Jahresteuerung mit 1,2 Prozent so tief wie seit fast zweieinhalb Jahren nicht mehr. Im gesamten Jahr rechnet die Zentralbank mit 1,9 Prozent und 2025 dann mit 1,6 Prozent. Die SNB geht zudem dieses Jahr von einer Verlangsamung beim Wirtschaftswachstum auf 0,5 bis 1,0 Prozent aus. 2023 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) einer ersten Schätzung zufolge noch um 1,3 Prozent gestiegen.

Die Schweizer Währungshüter entscheiden in der Regel viermal jährlich gegen Ende des Quartals über die Zinsen. 

(Reuters)