Rund 11 Prozent ist der Swiss Performance Index seit seinem Jahreshöchststand vom 8. Mai gefallen. Der breit gefasste Schweizer Aktienindex befindet sich damit in einer Korrekturphase - wie auch der S&P 500 in den USA.

Man kann diesen Rückgang unterschiedlich interpretieren. Die positive Perspektive: Angesichts des Sammelsuriums von sehr schlechten Einflussfaktoren wie hohen Anleiherenditen, einer drohenden Rezession in den USA und hoher geopolitischer Spannungen ist der Rückgang moderat. Die negative Sicht: Die Börsen sind im Vergleich zu anderen Anlageklassen noch immer zu hoch bewertet - und im Vergleich zum Börsenjahr 2022, dem elftschlechtesten in der Schweiz seit 1926, ist dieses Aktienjahr bislang auch kein Fortschritt.

Klar ist: Aktieninvestitionen brauchen in solchen Phasen Mut. Aber gerade langfristig orientierte Investorinnen und Investoren kaufen in fallenden Märkten dazu. Geduldige Anleger wissen, dass sich die Börsen früher oder später erholen und auf lange Sicht nach oben zeigen. Die jährliche Durchschnittsrendite bei Schweizer Aktien liegt rückblickend auf die letzten Jahrzehnte bei knapp 6 Prozent.

“Die grösste Gefahr für die langfristigen Gesamtrenditen besteht darin, dass Anleger aufgrund einer kurzfristigen Performanceschwäche den Aktienanteil drastisch reduzieren und dann den anschliessenden Marktaufschwung verpassen”, schreibt denn auch der Vermögensverwalter Pictet im Anlagekommentar “Die langfristige Performance von Schweizer Aktien und Anleihen (1926–2022)”.

cash.ch hat unter diesem Aspekt Schweizer Aktien herausgesucht, die in den letzten Wochen und Monaten teils stark korrigiert haben. Kaufbereite Investoren müssen dabei unterschiedlich hohe Risiken beachten.

Gefallene Schweizer Aktien mit eher tiefem Kauf-Risiko

Ein tiefes Risiko bedeutet hier vor allem der Blick auf die Kursentwicklung der letzten rund 20 Jahre, der Solidität der Firma und die Branche, in der die Unternehmen tätig sind. Dazu gehören die Aktien der Defensiv-Könige Nestlé oder Roche. Krass abgefallen an der Börse ist Nestlé, der Titel notiert heute mit 97 Franken sogar fast auf dem Niveau des Corona-Tiefstandes vom März 2020. Noch im Mai dieses Jahres waren die Titel 117 Franken wert, im Januar 2022 erreichten sie einen Rekord bei 130 Franken.

Die derzeitigen Bedenken des Marktes, wonach die neue Gruppe von Medikamenten gegen Fettleibigkeit die Nachfrage nach Lebensmitteln deutlich einschränken werde, sind zu Recht überzogen. Beruhigend für Aktionäre: Seit 20 Jahren zeigt das Kursbild von Nestlé nach oben. 2003 kostete die Aktie noch 25 Franken, Anfang 2009 35 Franken. 

Klar: Der Pharmakonzern Roche ist derzeit in einer schlechten Verfassung - der “schwierigsten seit 2010”, als mehrere Schlüsselstudien für neue Wachstumstreiber fehlschlugen, wie Pharma-Experte Michael Nawrath kürzlich gegenüber cash.ch sagte. Er beurteilt die Medikamenten-Pipeline von Roche mit Produktkandidaten, die kurz vor einer Zulassung stehen, als dünn. Der Genussschein notiert derzeit auf einem Fünf-Jahres-Tief bei 230 Franken.

Solche Schwäche-Phasen gibt bei Pharmakonzernen immer wieder, und sie können auch lange dauern. Sobald Konkurrent Novartis an der Börse aber wieder schwächelt, dürfte auch der Genussschein von Roche wegen Verlagerung wieder profitieren. Zur Erinnerung: 2011 notierte der Genussschein von Roche noch unter 120 Franken, dann hatte er sich zeitweilen mehr als verdreifacht. Und ebenfalls zur Erinnerung: Sowohl Roche wie auch Nestlé zählen zu den zuverlässigsten Dividendenzahlern im Swiss Market Index.

Die Aktie von Galenica, mitunter auch als die kleine Alternative zu Roche und Novartis angepriesen, ist vom Stand von 82 Franken Mitte April bis kürzlich auf 65 Franken abgerutscht. Das ist der tiefste Stand seit 16 Monaten und war vor allem den durchzogenen Halbjahresresultaten geschuldet. Seit dem Investorentag von letzter Woche, als sich der Gesundheitskonzern neue Mittelfristziele gesetzt hat, geht es mit der Aktie wieder aufwärts. Mit dem Joint Venture mit Redcare will Galenica die führende Online-Apotheke der Schweiz werden.

Die Aktien von Sandoz gehören in eine ähnliche Liga wie Galenica. Man muss sie nach dem deutlichen Kursanstieg nach dem Börsendebut vor einem Monat nun bereits als deutlich gefalllene Titel schubladisieren. Nach einem Hoch von fast 30 Franken sackte der Kurs kürzlich wieder unter 24 Franken und damit knapp unter den Ausgabepreis vom Börsenstart am 4. Oktober. Es wird noch eine gewisse Zeit dauern, bis sich das Aktionariat von Sandoz stabilisiert hat. Massive Kurssteigerungen wie bei klassischen Wachstumstiteln wird man beim Novartis-Spin-Off kaum erwarten können. Der Markt mit Nachahmerprodukten hat in Zeiten steigender Gesundheitskosten aber Zukunft und spricht für eine gewisse Stabilität bei der Sandoz-Aktie.

Gefallene Schweizer Aktien mit mittlerem Kauf-Risiko

Ein mittleres Risiko wird bei den folgenden Unternehmen vor allem Unsicherheiten wegen der Konjunkturentwicklung einer möglichen weiteren Aufwertung veranschlagt. Ein Risiko stellt auch eine gewisse eingeschränkte Kurssteigerungsmöglichkeit dar.

Der Partizipationsschein (PS) von Schindler ist seit Ende Juli von 217 auf rund 180 Franken abgesackt. Die ganze positive Jahresperformance wurde damit ausgelöscht. Das Unternehmen spürt die gestiegenen Zinsen und die Krise am chinesischen Immobiliensektor - das ist auf unabsehbare Zeit ein Zukunftsrisiko für die Aktie.

Dabei hat der Rolltreppen- und Liftkonzern kürzlich die für 2023 gesetzten Zielen leicht angehoben. Die Profitabilität soll mit Massnahmen zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung erhöht werden. Schindler will sein Geschäftsmodell geographisch künftig auch breiter abstützen. Ein Blick zurück zeigt das Kurssteigerungspotenzial von Schindler: Der PS stieg Anfang 2009 von einem Niveau von 50 Franken bis auf über 300 Franken Ende 2021, danach folgte ein herber Rückschlag.

Die Aktien von Vaudoise Assurances haben sich seit dem SPI-Jahreshoch im Mai von 480 auf rund 420 Franken zurückgebildet. Wie andere Versicherer profitiert das Unternehmen von den gestiegenen Zinsen. Die Dividende wurde 2023 erhöht. Die Bewertung der Aktie liegt derzeit laut Rahn und Bodmer auf dem halben Buchwert. Die Performance-Historie zeigt, dass allzu grosse Kursteigerungen kaum drinlegen.

Die Aktien des Zugbauers Stadler Rail sind von 38 Franken Anfang Mai bis auf 30 Franken gefallen. Eigentlich befindet sich die Aktie seit Ende 2019 im Abwärtstrend, als der Titel noch fast 50 Franken kostete. Nach dem Einbruch im Vorjahr hat der Zughersteller im ersten Semester 2023 wieder deutlich mehr Gewinn erzielt. Die Aktie ist laut der UBS nach dem Rückgang wieder attraktiv bewertet. Als Langfrist-Risiko kommt bei Stadler Rail Chinas Zughersteller CRRC dazu, der zunehmend nach Europa drängt.

Gefallene Schweizer Aktien mit hohem Kauf-Risiko

Ams Osram hat schon sehr viele Anleger vergrault. Auch dieses Jahr steht erneut ein spektakulärer Kurssturz beim österreichisch-deutsche Chip- und Sensor-Konzern zu Buche. Das Unternehmen ist wegen der Übernahme des Münchner Lichttechnik-Konzerns Osram hoch verschuldet. Nun will die an der SIX kotierte Firma ihre 800 Millionen Euro schwere Kapitalerhöhung noch in diesem Jahr durchziehen. Die Aktie ist nur Anlegern zu empfehlen, die potentiell weitere hohe Verluste aussitzen können, zumal der Handel von einem hohen Anteil von Leerverkäufern geprägt ist.

Wegen der wieder gestiegenen Reise- und Ferienlust müsste eine Aktie wie Dufry eigentlich zulegen. Tut sie aber nicht. Der Reisedetailhändler ist an der Börse seit Ende Juli sogar von 45 Franken auf 30 Franken abgesackt. Die Halbjahreszahlen wurden am Markt eigentlich gut aufgenommen. Trotzdem bleibt die Skepsis wegen tatsächlicher künftiger Synergien und Wachstum nach der Autogrill-Übernahme bestehen. Barclays sieht die Aktie in zwölf Monaten bei 50 Franken. Nüchtern betrachtet müsste dann aber ziemlich alles zusammenpassen, inklusive einer Befriedung der Situation in Nahost.

Die soliden Halbjahreszahlen und der kurzzeitige Kursanstieg des Laborausrüsters Tecan waren Mitte August nur ein Strohfeuer. Denn Tecan bietet an der Börse in diesem Jahr gesamthaft ein Bild des Grauens: Die Aktie stürzte von 430 im Januar auf nun 256 Franken ab. Das Unternehmen spürte im ersten Halbjahr noch einmal die weggefallenen Einnahmen aus der Pandemie, es stellte aber für das Gesamtjahr Wachstum in Aussicht. Daran hat der Markt aber offensichtliche Zweifel. Die Gewinnwarnung des deutschen Pharma- und Laborausrüsters Sartorius Mitte Oktober lieferte quasi den Beweis. Spitzenkurse wie 600 Franken zu den Corona-Höchstzeiten sind illusorisch. Risikobewusste Anleger würden sich aber auch mit weniger zufriedengeben.

Daniel Hügli
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