Kaffee, Soja, Kautschuk, Palmöl - Rohstoffe wie diese sollen einem neuen EU-Gesetz zufolge nur noch in den europäischen Binnenmarkt gelangen, wenn sie nicht mit der Abholzung und Schädigung von Wäldern in Verbindung stehen. Andernfalls drohen hohe Strafen.

Angesichts dieser Null-Toleranz-Politik zeigen sich grosse Investoren besorgt über ihr Engagement in Konsumgüterfirmen: "Die Geldbussen können ein Risiko für die Performance dieser Unternehmen am Aktienmarkt darstellen", sagt Henrik Pontzen, Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung (ESG) bei der Fondsgesellschaft Union Investment, die Beteiligungen an Konsumgüterkonzernen wie Nestle, Pepsico, Danone und L'Oreal hält.

Firmen drohen hohe Strafen

Auch der norwegische Staatsfonds NBIM mit einem verwalteten Vermögen von über 1,3 Billionen Dollar zeigt Bedenken: Die neuen Regeln könnten den Marktzugang von Unternehmen beeinflussen und zu erhöhten Kosten führen, sagt NBIM-Manager Snorre Gjerde. Firmen, die sich nicht auf das im Dezember beschlossene Gesetz vorbereiteten, dürften das zu spüren bekommen. Denn die Unternehmen müssen künftig sicherstellen, dass ihre Lieferketten nicht zur Zerstörung der Wälder beitragen.

Unter die neuen Vorschriften, die nach einer Übergangszeit gegen Ende 2024 greifen, fallen Rinder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja und Holz sowie daraus hergestellte Erzeugnisse. Verstösse werden mit einer Geldstrafe von mindestens vier Prozent des gesamten Jahresumsatzes des Unternehmens in der EU geahndet. "Die Konzerne müssen sauberer als sauber sein, da die Strafe so hoch ist", sagt Jonathan Toub, Portfoliomanager bei Aviva Investors.

Frust über mangelndes Engagement der Firmen

Die Union Investment schrieb im vergangenen Jahr 56 Konsumgüterhersteller an, um mehr über mögliche Abholzungen in deren Lieferketten zu erfahren. Allerdings fiel die Rücklaufquote mit lediglich 30 Antworten mau aus. Von diesen gaben wiederum nur vierzehn an, dass sie das Ziel verfolgen, die Entwaldung auf null herunterzufahren.

"Für einen Grossinvestor ist das sehr untypisch, normalerweise erhalten wir von jedem Unternehmen, das wir anschreiben, eine Antwort", sagt Pontzen. Die Fondsgesellschaft schrecke nicht davor zurück, Unternehmen aus ihrem Portfolio auszuschliessen, sollten diese drängende Fragen letztlich nicht beantworten.

Mit seinem Frust über das mangelnde Engagement der Firmen bei dem Thema ist Pontzen nicht allein. Acht grosse institutionelle Aktionäre - neben der Union Investment sind darunter Schroders, Janus Henderson, NBIM, KLP, Aviva, Fidelity International und Ninety One - erklärten der Nachrichtenagentur Reuters, dass sie mit Konsumgüterherstellern über dieses Thema sprechen. Drei von ihnen prüften bereits, aus welchen Aktien sie aussteigen könnten.

Der Anbau von Palmöl und Soja zerstört Wälder

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen schätzt, dass zwischen 1990 und 2020 durch Rodung 420 Millionen Hektar Wald verloren gegangen sind - eine Fläche grösser als die EU. Nach Angaben des Europäischen Parlaments entfallen rund zehn Prozent der weltweiten Entwaldung auf den EU-Verbrauch. Der Anbau von Palmöl und Soja ist für mehr als zwei Drittel davon verantwortlich.

Die neue Vorschrift verpflichtet Unternehmen, den Zollbeamten elektronische Sorgfaltspflichtformulare vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass ihre Lieferketten nicht zur Zerstörung der Wälder beitragen. Darin müssen sie belegen, wann und wo die Rohstoffe produziert wurden. Zudem verlangt der Gesetzgeber nachprüfbare Informationen darüber, dass diese nicht von Flächen stammen, die nach 2020 abgeholzt wurden.

KI als Teil der Lösung?

Mehrere Konsumgüterriesen geben an, dass sie kurz davor sind, ihre ehrgeizigen Ziele in Bezug auf die Vermeidung von Abholzung zu erreichen. Der Nahrungsmittelhersteller Nestle will etwa bis 2025 bei Kakao und Kaffee abholzungsfrei sein. Der britische Konsumgüterkonzern Unilever strebt bis Ende 2023 eine abholzungsfreie Lieferkette für Palmöl, Papier und Karton, Tee, Soja und Kakao an.

Die Konzerne setzen dabei auch auf Technologien wie Satelliten und künstliche Intelligenz (KI). "KI ist definitiv ein Teil der Lösung", sagt David Croft, Nachhaltigkeitschef beim Sagrotan-Hersteller Reckitt Benckiser.

Unilever wendet nach eigenen Angaben KI auf Satellitenbildern an, um Veränderungen im Baumbestand zu erkennen und vor Abholzung zu warnen. Doch diese Bemühungen reichen möglicherweise nicht aus, um die Vorschriften einzuhalten, sagt der EU-Abgeordnete Christophe Hansen.

"Sie wollen natürlich den Prozess verlangsamen oder weniger ehrgeizig sein." Vielleicht seien die Regeln ein wenig ehrgeizig, hält Nestle-Manager Magdi Batato dagegen: "Es gibt in der Branche noch einiges zu tun." Doch wenn sich die Dinge nicht änderten, "können wir Unternehmen ausschliessen", warnt Arild Skedsmo, leitender Analyst bei Norwegens grösstem Pensionsfonds KLP. "Die EU-Vorschriften machen die Abholzung nicht nur zu einem Umweltrisiko, sondern auch zu einem finanziellen Risiko." 

(Reuters)