Mit der Sitzung der Europäischen Zentralbank ist das Highlight der nächsten Börsenwoche bereits gesetzt. Eine grosse Mehrheit der Börsianer rechnet am kommenden Donnerstag mit einer weiteren Zinssenkung, nachdem die Euro-Hüter im Juli die Füsse stillgehalten hatten. Zuletzt hatten mehr und mehr EZB-Vertreter für eine weitere Senkung plädiert. Rückläufige Inflationsdaten dürften ebenfalls grünes Licht dafür geben. Ob die europäischen Märkte in der neuen Woche ausreichend Rückenwind für einen neuerlichen Angriff auf die Rekordmarken erhalten, wird Experten zufolge aber vor allem von den ausblickenden Kommentaren von EZB-Präsidentin Christine Lagarde abhängen.

In der vergangenen Woche hatte der europäische Stoxx 600 es zunächst knapp unter das Allzeithoch von 529,9 Zählern vom Juni 2024 geschafft. Enttäuschende Daten zur Entwicklung der US-Industrie hatten der Börsen-Euphorie dann aber einen Dämpfer versetzt. Am Freitagmittag wies der europäische Benchmark mit 506,5 Punkten ein Wochenminus von rund 3,7 Prozent auf.

Mehr oder weniger solide Arbeitsmarktdaten

Auch der Schweizer Aktienmarkt hat den Handel am Freitag in einer von massiven Kursverlusten geprägten Woche erneut tiefrot abgeschlossen. Das Geschäft war von einem Auf und Ab geprägt: Der Leitindex SMI startete zunächst klar tiefer, rückte dann nach Vorlage des US-Arbeitsmarktberichts am frühen Nachmittag ins Plus, ehe schwache US-Indizes auch den SMI zurück wieder ins Minus zogen. Ökonomen sprachen von mehr oder weniger soliden Daten, die für die Zinswende in den USA sprächen. Kurz vor dem Wochenende hätten aber viele Investoren Gewinne ins Trockene gebracht, hiess es am Markt.

Die Verlierer unter den Schweizer Blue Chips wurden vom Luxusgüterkonzern Richemont (-2,6 Prozent) angeführt. Deutlich tiefer schloss erneut auch Branchennachbar Swatch Group (-2,2 Prozent) den Handel ab. Die Aktie des Hayek-Konzerns kostete nur noch 163,65 Franken, nachdem das Börsenjahr noch mit 220 Franken eröffnet worden war.

Händler verwiesen auf die Aktien der europäischen Konkurrenten Kering, Burberry oder Pandora, die ebenfalls unter die Räder kamen. Zuletzt seien Befürchtungen laut geworden, dass die Krise im Luxusgütersektor nicht nur zyklischer, sondern auch struktureller Natur sein könnte, so ein Händler. Vor allem im Geschäft mit chinesischen Kundinnen und Kunden harzt es nach wie vor.

Mit dem Rezessionsgespenst im Nacken fielen auch andere Zykliker wie ABB (-2,5 Prozent), VAT (-2,2 Prozent) oder Kühne+Nagel (-1,6 Prozent) mit deutlichen Kursverlusten auf. Und die Sorge vor Verwerfungen an den Börsen setzte den Finanzwerten zu: UBS verloren deutliche 2,3 Prozent, Swiss Re 2,1 Prozent, Julius Bär 1,9 Prozent.

Zinssenkungen ante portas

Leicht fallen dürfte der EZB das Abstecken der weiteren Zinsroute nicht. Die Inflationsentwicklung erfordere angesichts nominal hoher Stundenlöhne und gestiegenen Dienstleistungspreisen eigentlich ein Festhalten an hohen Zinsen, sagt Volkswirt Axel Angermann von Feri Economics. Deswegen werden Investoren die endgültigen Inflationsdaten für Deutschland am Montag genau unter die Lupe nehmen. Auch aus China stehen Preisdaten an. Die anhaltend schwache konjunkturelle Dynamik im Euroraum könne wiederum das Argument fördern, mit weiteren Zinssenkungen die Wirkung der restriktiven Geldpolitik auf die Wirtschaft abzuschwächen. Erfahrungsgemäss gebe es im EZB-Rat Verfechter für beide Ansätze, welches Lager sich durchsetze und welche Position Christine Lagarde einnehme, sei kaum abzuschätzen, so der Ökonom. «Für Finanzmärkte wie auch für Unternehmen bedeutet dies ein zusätzliches Unsicherheitsmoment.»

Auch für die USA rechnen die Marktteilnehmer mehrheitlich mit sinkenden Zinsen, wenn die Notenbank Fed am 18. September zusammentritt. Im Fokus stehen deswegen die Verbraucherpreise, die am Mittwoch veröffentlicht werden. Ökonomen rechnen damit, dass sich der Preisdruck im August weiter beruhigt hat. Börsianer rätseln, ob die US-Notenbank die erwartete Zinswende mit einer Senkung um einen halben oder um einen Viertel Prozentpunkt einleitet.

Konjunktur auf dem Prüfstand - US-Wahlen rücken in den Fokus

Die Sorgen um den Zustand der Weltwirtschaft dürften die Anleger jedenfalls weiterhin umtreiben. «Auch wenn wir eine Rezession für unwahrscheinlich halten, dürften in den nächsten Wochen schwächere Konjunkturdaten regelmässig Rezessionsängste am Aktienmarkt auslösen», sagt Commerzbank-Stratege Andreas Hürkamp. «Wir erwarten daher eine nervöse, von Rückschlägen geprägte Aktienmarktentwicklung – also einen typischen September.» Am Freitag stehen noch weitere Daten an: Im Euroraum wird die Industrieproduktion für Juli veröffentlicht und das von der Uni Michigan erhobene US-Verbrauchervertrauen.

Neben den wirtschaftlichen und geldpolitischen Unsicherheiten dürfte auch die in zwei Monaten anstehende US-Präsidentschaftswahl mehr Schwankungen an den Börsen mit sich bringen, sagt Merck-Finck-Stratege Robert Greil. Das erste Fernsehduell zwischen den Kandidaten Donald Trump und Kamala Harris am Dienstag dürfte die Märkte beschäftigen. «Die heisse Phase der US-Präsidentschaftswahl kommt jetzt erst richtig ins Rollen.»

Bei den Unternehmen steht mit der voraussichtlichen Vorstellung des neuen iPhones 16 von Apple ein wichtiges Event ins Haus. Der Konzern verspricht sich von der neuen Smartphone-Generation dank zusätzlicher KI-Funktionen frischen Wind für den zuletzt schwächelnden Absatz, vor allem im wichtigen chinesischen Markt.

(Reuters/AWP)