Branchenexperten fürchten, dass die Elektroautobranche damit weiterhin von Lieferanten aus der Volksrepublik abhängig bleibt. Sie weisen Northvolt eine besondere Bedeutung für die Branche zu. Sollte das Unternehmen scheitern, wäre das ein herber Rückschlag für die europäische Industrie, sich unabhängiger von China zu machen, sagte Benchmark Mineral Intelligence-Analyst Evan Hartley. Andy Leyland, Mitgründer des Lieferketten-Spezialisten SC Insights, verweist auf die Bedeutung von Northvolt - kein anderes europäisches Unternehmen sei so weit wie die Schweden.

Northvolt, geführt vom ehemaligen Tesla-Mitarbeiter Peter Carlsson, will die weltweit umweltfreundlichsten Batterien produzieren. Doch Produktionsprobleme und ein wegfallender Auftrag bremsten das Unternehmen aus. Am Montag hatte Carlsson unter anderem angekündigt, auf die Produktion von Kathodenmaterial zu verzichten, das für die Batterien benötigt wird. Für das Werk in Danzig soll ein Investor gefunden werden. Dort werden Batteriezellen zu fertigen Modulen montiert. Insbesondere der Verzicht auf die Produktion von Kathodenmaterial sei für Europa ein weiterer Rückschlag, sagte Benchmark-Experte Hartley.

Ob auch andere Standorte von dem Umbau betroffen sind, liess Northvolt zunächst offen. An der geplanten Fabrik in Heide in Schleswig-Holstein hält das Unternehmen fest, es könnte jedoch Verzögerungen geben. Die schleswig-holsteinische Landesregierung erwartet keine Änderungen für das Projekt. Northvolt habe sich klar zu dem Standort bekannt, die Arbeiten vor Ort gingen weiter, erklärte sie. Northvolt will sich im Herbst zu Heide und weiteren Batteriezell-Standorten in Schweden und Kanada äussern.

Verzögerungen und das Wegbrechen eines zwei Milliarden Euro schweren Auftrags des bayerischen Autobauers BMW hatten Northvolt zuletzt ausgebremst. Analysten verweisen darauf, dass das Unternehmen Schwierigkeiten gehabt habe, die Produktion auf grosse Stückzahlen hochzufahren. Erschwert worden sei das durch das breite Geschäftsmodell der Schweden, die von der Produktion von Vorprodukten bis zum Recycling einen grossen Teil der Wertschöpfungskette abbilden wollten. «Die Situation wurde zunehmend schwierig, als Kunden wie BMW Aufträge gekündigt hatten», sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person.

Die Münchner hatten bei Northvolt Batterien für die aktuelle Generation ihrer Elektroautos bestellt, die sich einem Insider zufolge jedoch verzögerten und deswegen zu spät kommen für die Fahrzeuge. Die Batterien sollen nun von den anderen BMW-Lieferanten kommen, wie Samsung SDI, CATL und Eve Energy. An der Zusammenarbeit mit dem schwedischen Unternehmen für die nächste Generation von Fahrzeugen halten die Münchner nach eigenen Angaben fest, BMW sei stark daran interessiert, dass sich ein leistungsstarker Hersteller von zirkulären und nachhaltigen Batteriezellen in Europa etabliere. Allerdings äusserte sich BMW nicht dazu, ob schon ein fester Liefervertrag vereinbart wurde.

«Jeder Rückschlag kostet Geld», sagte Daniel Brandell, Experte beim Angstrom Advanced Battery Centre, das zur Universität von Uppsala gehört. Künftig wolle sich Northvolt auf die Zellproduktion konzentrieren, erklärte das Unternehmen nun. Eine mit dem Vorgang vertraute Person sagte, das Kathodenmaterial komme von chinesischen oder südkoreanischen Zulieferern. Offen ist, was mit den weiteren Projekten ist, wie einer Recycling-Anlage oder einer Lithium-Raffinerie in Portugal. Beides könnte sich verzögern, sagte Lieferketten-Experte Leyland. Auch ein Börsengang könnte nun später kommen, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person. Northvolt selbst äusserte sich nicht.

Die Schweden sind nicht der einzige Zellhersteller, der seine Pläne in Europa zuletzt heruntergeschraubt hat. So verzichtet etwa die chinesische Svolt auf eine Fabrik in Brandenburg und verschob ein Projekt im Saarland, auch das Mercedes-Gemeinschaftsunternehmen Automotive Cells Company (ACC) legte seine Pläne auf Eis. Zu schaffen macht den Unternehmen die derzeitige Flaute bei Elektroautos. Auch bei Volkswagen hat nach Angaben des Betriebsrats der Sparkurs möglicherweise Auswirkungen auf die Batteriezellfabrik in Salzgitter.

(Reuters)