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Börsenwoche im Schnelldurchlauf

Schweizer Aktienmarkt: Auffällige Umstufungen treffen auf wilde Spekulationen

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Der cash Insider kommentiert die wichtigsten Börsenereignisse. Diese Woche: SMI verliert bei Anlagestrategen an Rückhalt, Spekulationen um Lonza und VAT Group - Und: Bank of America will es bei ABB wissen.

29.11.2024   12:00
Von cash Insider
VAT-Stand an der Semicon West in San Francisco (7.2012)

Auch um die VAT Group ranken sich die Spekulationen.

Quelle: ZVG

Der cash Insider berichtet auch im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auf X/Twitter aktiv.

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Zwei Schritte vor – und wieder zwei zurück. Passender liessen sich die letzten Tage am Schweizer Aktienmarkt kaum umschreiben. Der Swiss Market Index (SMI) bewegte sich dabei in einem engen Handelsband von weniger als 200 Punkten.

Während die New Yorker Börse neue Rekorde feiert, hat bei uns der Schlendrian Einzug gehalten. Das könnte man zumindest meinen. Doch der Eindruck täuscht, wie der geschulte Blick auf die Liste der Wochengewinner und -verlierer verrät. Mit Meyer Burger (+20 Prozent), Idorsia (+19 Prozent) oder Medartis (+14 Prozent) verbuchten gleich mehrere Aktien zweistellige Kursgewinne – wenn auch allesamt von sehr tiefem Niveau aus. Andere wie etwa jene von Hochdorf (-18 Prozent), Swiss Steel (-10 Prozent) oder Kudelski (-9 Prozent) gerieten hingegen unter die Räder. Und beim Sorgenkind Pierer Mobility – eigentlich ja einem Gast an der SIX Swiss Exchange aus Österreich – waren Kursschwankungen von 40 Prozent und mehr beinahe an der Tagesordnung.

Dass der hiesige Aktienmarkt kaum vom Fleck kommt, ist nicht zuletzt den Schwergewichten Nestlé, Roche und Novartis geschuldet. Sie alle machen ihrem Ruf, sie seien bloss Bremsklötze, mal wieder alle Ehre. Den Valoren von Nestlé bescherte am Mittwoch selbst eine Heraufstufung von «Underweight» auf «Equal-weight» durch Morgan Stanley einen eher mageren Tagesgewinn. Das mag nicht zuletzt damit zu tun haben, dass die zuständige Analystin Sarah Simon ihre Gewinnschätzungen unter negativen Vorzeichen überarbeitete und neuerdings noch ein Kursziel von 76 (zuvor 80) Franken errechnet. Simon wirft dem Nahrungsmittelmulti aus Vevey übrigens mangelnde Selbstreflexion vor. Man sei am zweitägigen Investorenseminar kaum darauf eingegangen, was bei der bisherigen Strategie denn schiefgelaufen sei, wie sie unverblümt schreibt. An dieser Stelle muss ich der Analystin ein grosses Kränzchen winden. Mit ihrer Verkaufsempfehlung von Mitte September – damals kosteten die Nestlé-Aktien noch um die 88 Franken – lag sie rückblickend goldrichtig.

Zumindest eine «Mitschuld» für die Kursflaute bei den SMI-Schwergewichten trifft die Strategen von Kepler Cheuvreux und Julius Bär. Wie ich gestern Donnerstag berichtete, zählt der Schweizer Aktienmarkt bei Kepler Cheuvreux nicht länger zu den «Most Preferred Equity Markets in Europe». Am Anlageurteil «Overweight» ändert sich indes nichts.

Auf-und-ab beim Swiss Market Index der letzten Tage (Quelle: www.cash.ch)

Einen Schritt weiter gehen Mathieu Racheter und seine Abteilungskollegen bei Julius Bär. Sie stufen den SMI von «Overweight» auf «Neutral» herunter. Dieser Schritt überrascht, hatte man bei der Zürcher Bank dem heimischen Aktienmarkt in den letzten Jahren doch stets ein überdurchschnittliches Gewicht in den Kundenportefeuilles eingeräumt.

Selbst in einem nur wenige Tage zuvor erschienenen Strategiepapier war das besagte Börsenbarometer noch mit «Overweight» eingestuft worden. Mir nicht bekannt ist, ob die Indexprognosen der Autoren noch immer ihre Gültigkeit haben. Darauf abgestützt wurde dem SMI bis in drei Monaten ein Stand von 11'850 Punkten und bis in zwölf Monaten ein Vorstoss auf 12'300 Punkten zugetraut.

Ich hielt in diesem Zusammenhang wie folgt fest:

...und weiter...

Die Herunterstufung kommt zu einer Zeit, in welcher die New Yorker Börse viel Geld aus anderen Weltregionen anzieht. 913 Milliarden Dollar – so viel ist börsenkotierten Indexfonds auf amerikanische Aktien seit Januar unter dem Strich zugeflossen. Dieses Geld fehlt auch am Schweizer Aktienmarkt sträflichst und könnte erklären, weshalb hierzulande stärkere Tage immer wieder zum Verkauf von Aktien genutzt werden.

Ob der Zeitpunkt der Herunterstufung deshalb weise gewählt war, wage ich zu bezweifeln. Sogar dem Strategiepapier vom Montag kann entnommen werden, dass der Schweizer Aktienindex gegenüber dem Weltaktienindex von MSCI relativ betrachtet auf den tiefsten Stand seit 34 langen Jahren gefallen ist.

Kommen wir auf Lonza zu sprechen. Am Mittwoch in der letzten Handelsstunde gerieten die Aktien unter Verkaufsdruck. Von Abgaben aus London war zu hören – allerdings ohne, dass klärende Neuigkeiten vorgelegen hätten. Wie man mir berichtet, hätten erste Analystenkommentare im Hinblick auf den Investorentag vom 12. Dezember den Marktakteuren in Erinnerung gerufen, dass die zweite Jahreshälfte schwächer als die erste Jahreshälfte ausfallen dürfte. Folglich sei die Erkenntnis gereift, wonach das Jahresergebnis am unteren Ende der firmeneigenen Finanzziele liegen könnte. Das wiederum habe grössere Titelverkäufe nach sich gezogen.

In einem mir zugespielten Kommentar geht der für Jefferies tätige Analyst James Vane-Tempest den Ergebnisängsten auf den Grund. Seinen Berechnungen zufolge müssten die Gewinnerwartungen an Lonza bei einem Jahresergebnis in der Mitte der firmeneigenen Zielbandbreite auf Stufe EBITDA um knapp 3 Prozent nach unten angepasst werden. Ein Ergebnis am ganz unteren Ende der Zielbandbreite spräche hingegen für Abwärtsrevisionen im Umfang von 7,5 Prozent, was der Jefferies-Analyst allerdings für unwahrscheinlich hält. Er preist die Aktien wie bis anhin mit einem Kursziel von 700 Franken zum Kauf an.

Die Aktien von Lonza hatten in den letzten Tagen einen eher schweren Stand (Quelle: www.cash.ch)

Beim Blick auf die starke Kursbilanz Lonzas in diesem Jahr sollte eines nicht vergessen gehen: Seit Ende März haben sich die Aktien des Pharmazulieferers eigentlich kaum mehr vom Fleck bewegt. Diese mehrmonatige «Durststrecke» bietet plötzlichen Verleiderverkäufen – wie sie am Mittwochnachmittag zu beobachten waren - einen geradezu idealen Nährboden.

Wertvolle Erkenntnisse in Bezug auf die Pläne des neuen Firmenchefs Wolfgang Wienand erhoffe ich mir vom diesjährigen Investorentag. Bei seinem früheren Arbeitgeber Siegfried stand Wienand vor allem für Wachstum aus eigener Kraft – gepaart mit einigen ziemlich geschickten Ergänzungsübernahmen. Mal schauen, ob wenigstens der Investorentag den Aktien nach langen Wochen des Stagnierens wieder neues Leben einhauchen kann.

Interessant ist übrigens, dass erneut Forderungen laut werden, der Pharmazulieferer solle sich doch vom Kapselgeschäft trennen. Dieses stammt aus der Zeit, als sich die Basler für 5,5 Milliarden Dollar den Pillenhersteller Capsugel anlachten. Damals wurde übrigens gemunkelt, dass sich Lonza mit dem milliardenschweren Firmenkauf einen Übernahmeversuch aus dem Ausland abgewehrt habe. Damit ein solcher Spartenverkauf zum Kurstreiber wird, müsste der Preis stimmen.

Apropos Spekulationen - solche kursieren neuerdings auch um die VAT Group. Wie aus Börsenkreisen verlautet, könnte der Hersteller von Vakuumventilen die Mittelfristziele kassieren. Auslöser dürfte der neuste Kommentar aus der Feder des UBS-Analysten Jörn Iffert sein. Darin schreibt er, dass das Unternehmen für 2025 auf währungsbereinigter Basis von einem Jahresumsatz von 1,4 Milliarden Franken und für 2027 sogar von einem Jahresumsatz in Höhe von 1,8 Milliarden Franken ausgeht. Iffert selber liegt mit seinen Umsatzschätzungen von 1,18 Milliarden Franken für 2025 und von 1,58 Milliarden Franken für 2027 deutlich dahinter zurück. Dieser Umstand spiegelt sich auch im 370 (zuvor 430) Franken lautenden 12-Monats-Kursziel des Analysten für die Aktien der VAT Group wider.

Wie der UBS-Analyst, halte auch ich es für möglich, dass diese Mittelfristziele später als ursprünglich gedacht erreicht werden. Während ein solcher Schritt nicht völlig überraschend käme, ginge er beim Rheintaler Unternehmen dennoch als ein Tolggen ins Reinheft ein. Nicht eben wenige Analysten müssten ihre Umsatz- und Gewinnschätzungen dann noch einmal mit dem dicken Korrekturstift überarbeiten. Für gewöhnlich bleibt sowas nicht ohne Folgen für die Aktienkursentwicklung.

Eine geradezu atemberaubende Umstufung trifft heute Freitag für ABB ein. Der für die Bank of America tätige Analyst Alexander Virgo stuft die Aktien des schweizerisch-schwedischen Industrie-Urgesteins von «Neutral» auf «Buy» herauf. Und um seiner wiedergewonnenen Zuversicht in weitere Margenverbesserungen den nötigen Nachdruck zu verleihen, veranschlagt er neuerdings ein Kursziel von 60 (zuvor 51) Franken. Es ist das höchste mir bekannte Kursziel eines Analysten überhaupt.

Virgo rechnet mit nichts Geringerem, als dass ABB das nächste Kapitel der Erfolgsgeschichte der letzten Jahre öffnet. Er setzt die Valoren deshalb sowohl auf die «Europe 1 List» als auch auf die Favoritenliste für 2025. Bei den operativen Margen (EBITA) liegen die Annahmen des Analysten denn auch um bis zu 60 Basispunkte über den durchschnittlichen Schätzungen seiner Berufskollegen bei anderen Banken. Das ist schon eine ziemliche Ansage.

Zur Erinnerung: Virgo ist derselbe Analyst, welcher die Aktien Mitte April bei Kursen von 42 Franken aufgrund ihrer stolzen Bewertung von «Buy» auf «Neutral» zurückgestutzt hatte. Das Kursziel lautete damals 44 Franken. Bei knapp 50 Franken macht er den damaligen Schritt nun also wieder rückgängig.

Dass die Reaktion der Börse überraschend unterkühlt ausfällt, dürfte zwei weiteren Faktoren geschuldet sein: Zum einen zählen die Aktien mit einem Kursplus von 33 Prozent zu den diesjährigen SMI-Gewinnern und zum anderen wurde unter dem früheren Firmenchef Björn Rosengren bereits ein beachtlicher Teil des Margenverbesserungspotenzial ausgeschöpft. Die tiefhängenden Früchte dürften somit wohl geerntet sein...

Ich wäre nicht überrascht, wenn nächste Woche weitere aufsehenerregende Aktienempfehlungen eintreffen würden. Mehr dazu spätestens am kommenden Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

Der cash Insider nimmt Marktgerüchte sowie Strategie-, Branchen- oder Unternehmensstudien auf und interpretiert diese. Marktgerüchte werden bewusst nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Gerüchte, Spekulationen und alles, was Händler und Marktteilnehmer interessiert, sollen rasch an die Leser weitergegeben werden. Für die Richtigkeit der Inhalte wird keine Verantwortung übernommen. Die persönliche Meinung des cash Insiders muss sich nicht mit derjenigen der cash-Redaktion decken. Der cash Insider ist selber an der Börse aktiv. Nur so kann er die für diese Art von Nachrichten notwendige Marktnähe erreichen. Die geäusserten Meinungen stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an die Leserschaft dar.
 

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