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Gemessen am Swiss Performance Index stieg der Schweizer Aktienmarkt in den letzten Tagen auf den höchsten Stand in seiner Geschichte. Hat Sie das überrascht?

Der seit August 2011 beobachtete Anstieg sucht zweifelsohne seinesgleichen. Der breit gefasste Swiss Performance Index hat sich seit seinem damaligen Zwischentief nahezu verdoppelt. Und auch der Swiss Market Index konnte sich positiv in Szene setzen. Da sich Dividendenabgänge bei diesem Barometer negativ in der Entwicklung niederschlagen, hinkt es dem Swiss Performance Index allerdings hinterher. Als ich im November 2011 davon schrieb, dass sich der Swiss Market Index auf 7000 Punkte erholen werde, wurde ich von vielen Kollegen ausgelacht. Damals notierte das Börsenbarometer bei rund 5500 Punkten. Dass der Swiss Market Index heute sogar bei über 8000 Punkten steht, überraschte sogar mich.

Was ist die treibende Kraft hinter der hierzulande seit dem Sommer 2011 zu beobachtenden Hausse?

Wir befinden uns in einer liquiditäts- und nicht in einer gewinngetriebenen Hausse. Den Nährboden schufen die Notenbanken mit ihrer beispiellos grosszügigen Zins- und Geldpolitik. Auch der unter den führenden Wirtschaftsnationen entbrannte Abwertungswettlauf beschert den Märkten eine gewaltige Liquiditätsschwemme. Die Privatanleger werden heute genauso wie die institutionellen Anleger geradezu dazu zu einer höheren Risikobereitschaft gezwungen, wollen sie überhaupt noch vernünftige Renditen erzielen. Dieser Faktor half in den letzten Monaten insbesondere den dividendenstarken Aktien.

Hat sich der Schweizer Aktienmarkt von der Entwicklung der Unternehmensgewinne abgekoppelt?

Ja, das hat er ganz offensichtlich. Denn obschon die hiesigen Unternehmensgewinne über die letzten 12 Monate mehr oder weniger stagniert haben, konnte der Swiss Performance Index um über 40 Prozent zulegen. Dadurch ist die Bewertung unseres Aktienmarktes gestiegen. Historisch betrachtet allerdings auf ein noch immer recht unbedenkliches Niveau. Ausserdem befindet sich die Schweizer Börse mit dieser Abkoppelung in bester Gesellschaft, erstreckt sich dieses Phänomen doch von New York ausgehend über den ganzen Erdball.
 

Wann läuft die Hausse am Schweizer Aktienmarkt Ihrer Meinung nach aus?

Für gewöhnlich geht unser Heimmarkt ab Ende April in eine saisonal bedingt schwierigere Phase über. Davon will man in unseren Breitengraden derzeit aber noch nichts wissen. Der Grund liegt unter anderem im schwächeren Franken, welcher unseren Exportwerten in den letzten Tagen noch einmal deutlich höhere Kursnotierungen bescherte. Diese Wechselwirkung zwischen Aktienmärkten und ihrer Heimwährung ist auch in Japan zu beobachten. Ähnlich wie die Schweiz ist auch das Land der aufgehenden Sonne in einem hohen Grad vom Export abhängig. Wenn ich in meiner nahezu 20-jährigen Laufbahn etwas gelernt habe, dann dass Trends an den Finanzmärkten meist länger als gedacht andauern. Schwächt sich der Franken über die kommenden Wochen weiter ab, wird der Schweizer Aktienmarkt noch einmal neue Rekorde verbuchen können.

Raten Sie Anlegern jetzt noch zum Einstieg?

Zumindest den Anlegern, welche die Hausse der vergangenen Monate verpasst haben, rate ich derzeit entschieden davon ab. Denn an der Wall Street häufen sich die Anhaltspunkte für eine Überhitzung. Und es ist allgemein bekannt, dass es uns hier in Europa mit einer Grippe ins Bett verschlägt, wenn die Amerikaner schon nur husten. An unserem Heimmarkt erlebe ich die Dominanz angelsächsischer Marktteilnehmer tagtäglich mit. Das Handelsgeschehen wird von mächtigen Vermögensverwaltern wie BlackRock oder Goldman Sachs bestimmt. Selbst unsere institutionellen Grossinvestoren gehen mittlerweile nur noch unter «ferner liefen». Oft wissen meine Kontakte in London mehr über das hiesige Geschehen als meine Schweizer Kontakte. Das ist genauso ernüchternd wie deprimierend.

Die Börsen werden also demnächst konsolidieren?

Möglicherweise stehen uns schon in den kommenden Wochen schwierigere Märkte bevor. Denn irgendwann müssen letztere von einer liquiditäts- in eine gewinngetriebene Hausse übergehen. Ein solcher Übergang ging noch nie einfach so reibungslos über die Bühne. Eine alte Börsenweisheit besagt, dass die Flut alle Boote (sprich alle Aktien) hebt. Dies war in den letzten Monaten zweifelsfrei der Fall. Im weiteren Jahresverlauf wird das Handelsgeschehen wohl deutlich selektiver. Unternehmen, die den Erwartungen nicht gerecht werden, werden abgestraft und umgekehrt.

In den letzten Wochen kursierten gleich bei mehreren Schweizer Unternehmen Übernahmegerüchte. Wie ernst nehmen Sie diese Gerüchte?

In den letzten Tagen gerieten Basilea einmal mehr ins Zentrum von Übernahmespekulationen. Dass Astellas den Basilea-Aktionären früher oder später ein Angebot vorlegen wird, halte ich für sehr wahrscheinlich. Ob das japanische Partnerunternehmen zuerst noch die im weiteren Jahresverlauf erwarteten Studienergebnisse zu wichtigen Entwicklungsprojekten abwartet, wird sich zeigen müssen. Sulzer ist hingegen bei Sulzer Metco gefordert. Entweder die Winterthurer können diesen Bereich mit einer gezielten Übernahme verstärken oder aber sie trennen sich von ihm. OC Oerlikon hat ähnlich gelagerte Geschäftsaktivitäten und denselben Grossaktionär, was solchen Spekulationen natürlich Nährboden bietet.

Und die übrigen Gerüchte?

Ansonsten lassen sich nur die üblichen Verdächtigen wie Clariant, Nobel Biocare oder Temenos nennen. Obschon diese Unternehmen schon seit Jahren immer mal wieder ins Zentrum von Übernahmespekulationen geraten. Zumindest bei Clariant halte ich ein Angebot nach dem erfolgreichen Konzernumbau für weniger wahrscheinlich als in der Vergangenheit. Logitech ist für mich ein nicht oft genannter Kandidat. Allerdings eher für eine auf Restrukturierungen spezialisierte Private Equity Gesellschaft. Immerhin sitzen die Westschweizer auf Nettobarmitteln im Umfang von nahezu 40 Prozent der Börsenkapitalisierung, was Begehrlichkeiten wecken könnte.

Wird der Franken über die kommenden Wochen unter Druck bleiben?

Erst einmal muss ich der Schweizerischen Nationalbank ein Kränzchen winden. Mit der Einführung des Euro-Mindestkurses bewiesen unsere Währungshüter im September 2011 Mut. Und sie wurden dafür belohnt. Dass sie dem politischen Druck standhielten und von einer Erhöhung des Mindestkurses absahen, war ebenfalls goldrichtig. Für mich lässt sich die Kritik an den Verantwortlichen schlichtweg nicht nachvollziehen. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann höchstens, dass die Schweizerische Nationalbank noch immer auf gewaltigen Fremdwährungsreserven sitzt. Ich bin gespannt, ob sie die jetzige Frankenschwäche endlich zur Reduktion dieser Reserven nutzt. Falls ja, könnte dies den beim Euro und beim Dollar beobachteten Anstieg zumindest deutlich verlangsamen. Seit wenigen Tagen greift übrigens die Wechselwirkung zwischen dem Dollar und dem Gold wieder. In den letzten Monaten wurde diese Wechselwirkung aus was für Gründen auch immer vorübergehend ausser Kraft gesetzt. Damit erklärt sich auch der jüngste Rückschlag beim Gold. Der Greenback steigt, das Gold fällt.

Ist der Zeitpunkt gekommen, um beim Gold und Silber einzusteigen oder Positionen auszubauen?

Eine alte Börsenregel besagt, dass man nie in ein fallendes Messer greifen solle. Ich würde beim Gold zuerst eine Bodenbildung abwarten. Bei der US-Notenbank befürworten immer mehr Gouverneure ein vorzeitiges Ende des Rückkaufprogramms für amerikanische Staatsanleihen und verbriefte Kredite. Solange dieser Unsicherheitsfaktor nicht aus der Welt geschafft ist, wird sich das Edelmetall nicht substanziell erholen. Mir fällt allerdings auf, dass die Banken, die das Gold noch vor einem halben Jahr bei 2000 bis 2400 Dollar je Unze sahen, jetzt plötzlich mit einem noch einmal substanziell tieferen Goldpreis rechnen. Und auch in der Presse hat man sich mittlerweile auf das Edelmetall eingeschossen. Ein verlässlicher Frühindikator für das Gold sind meines Erachtens die Goldminenaktien. Letztere kündigten schon die Korrektur an den Edelmetallmärkten an. Wieso sollten sie zu gegebener Zeit nicht auch die Erholung ankündigen?