Frankreich oder Griechenland? Hauptsache Euro-Anleihen, scheinen sich die Zinsanlegerinnen und Zinsanleger zu sagen.

Das veranschaulicht die heutige Grafik mit den Renditeaufschlägen gegenüber vergleichbaren deutschen Bundesobligationen, die trotz Regierungskrise als die sichersten der Euro-Zone gelten.

Die beiden Kurven haben sich angeglichen. Dafür aber gibt es zwei Lesarten. Eine schöne aus Sicht der Griechen – und eine weniger schöne aus Sicht der Franzosen.

Optimismus in Athen

Griechenland hat seine Krisenvergangenheit hinter sich gelassen und wird am Anleihenmarkt heute wie ein normaler Schuldner behandelt. Athen kann sich nun für zehn Jahre zu 3 Prozent refinanzieren. Der Renditeaufschlag zu Deutschland, der ein Mass ist für die Entschädigung des höheren Risikos, beträgt weniger als 1 Prozentpunkt.

Der Rückgang der Zinsaufschläge ist das Ergebnis einer umsichtigen Politik und eines stabilen Wirtschaftswachstums, wodurch die Schuldenquote von über 200 auf 160 Prozent des BIP gesunken ist und sich die Bonität verbessert hat. Die meisten Ratingagenturen stufen das Land wieder als Schuldner mit «Anlagequalität» ein.

Krisenstimmung in Paris

Die Lesart mit Fokus auf Frankreich ist weniger schön: Die Kombination aus steigender Verschuldung und einer blockierten Regierung lässt Investoren zweifeln, ob die Grande Nation immer noch zu den sichersten Schuldnern des Euro-Kerns gehört. Sie verlangen für französische Anleihen eine höhere Risikoprämie. Erst gerade ist sie über das Niveau von Spanien gestiegen, nun hat sie sogar den Spread von Griechenland überholt.

Der Grund ist die Eskalation im Budgetstreit. Um das Defizit, das dieses Jahr auf 6,2 Prozent des BIP geschätzt wird, schnell in den Griff zu bekommen, hat Premierminister Michel Barnier ein Entlastungspaket aus Sparmassnahmen und Steuererhöhungen vorgestellt. Für die Rechtspopulisten des RN und das Linksbündnis NFP sind die Vorschläge jedoch inakzeptabel. RN-Chefin Marine Le Pen droht nun, nächste Woche mit den Stimmen der Linken die Regierung in einem Misstrauensvotum zu stürzen. Mit Folgen für die Staatsanleihen.

Die Lage ist ernst, denn das schwache Wirtschaftswachstum reicht nicht, um die Verschuldungsquote von über 100 Prozent des BIP zu stabilisieren.

Beunruhigend ist die Entwicklung auch wegen der Grössenordnung: 2,6 Billionen Euro an Schuldpapieren hat Frankreich ausstehend. Sie liegen als vermeintlich sichere Obligationen in den Portfolios rund um den Globus, auch bei Schweizer Versicherern, Banken, Pensionskassen und der SNB. Nicht auszumalen, was das Platzen dieser Bombe für Auswirkungen hätte.

Keine Staatsschuldenkrise à la Griechenland 2011

Aber mit einer Schuldenkrise wie in Griechenland vor rund 15 Jahren ist die Situation nicht vergleichbar. Ein Renditeaufschlag von 0,84 Prozentpunkte ist eine kleine Warnung vom Bondmarkt, aber kein Krisensymptom, wodurch der Zugang zu den Kapitalmärkten behindert wäre.

In der Euro-Schuldenkrise schossen die griechischen Zinsen und Renditeaufschläge auf weit über 20 Prozent. Auch Spanien und Italien mussten phasenweise 5 Prozent und mehr Zinsaufschlag bezahlen.

Ausserdem hat die EZB unterdessen die nötigen Tools parat, um gewissen Entwicklungen Gegensteuer zu geben und die Märkte zu beruhigen.

Dieser Artikel ist zuerst in der Handelszeitung erschienen.