Die Aktie der Zurich Insurance Group, eine der beliebtesten Dividendenaktien im Schweizer Markt, rentiert wieder mit 5,9 Prozent. Bevor vor einem Monat die Coronakrise voll auf den Aktienmarkt durchzuschlagen begann, war die Zurich-Aktie bis zu 439 Franken wert gewesen und hatte dabei mit weniger als 4 Prozent rentiert. Denn eine Dividendenrendite korreliert im umgekehrten Sinne mit dem Kursniveau.

Der Lockdown nun, unter dem die Schweiz und viele andere Länder wegen der raschen Verbreitung des Virus stehen, bedroht de facto alle Unternehmen. Cash-Flows und Liquidität müssen im Angesicht von einbrechenden Einnahmen bei fortlaufenden Kosten irgendwie geschützt werden. Dies stellt grosszügige Dividendenzahlungen in Frage. 

Oder gar Ausschüttungen als solches, wie es der Handelskonzern Valora oder die Hotel- und Spitalgruppe Aevis Victoria deutlich gemacht haben: Diese Unternehmen haben ihre Dividenden bereits komplett gestrichen

Finanzkonzerne halten sich an Ankündigungen

Von der Finanzmarktaufsicht Finma erging vor wenigen Tagen besonders an die Unternehmen der Schweizer Finanzbranche der Aufruf, mit Dividendenzahlungen "zurückhaltend" zu sein. Werden nun etwa die guten Dividendenzahler Swiss Life , Helvetia oder Bâloise zu einer solchen Massnahme greifen? 

Soweit dürfte es unmittelbar noch nicht kommen. "Betreffend der Auszahlungen für das Geschäftsjahr 2019, die in den kommenden Wochen fällig werden, sind keine Kürzungen zu erwarten, auch bei Zurich Insurance nicht", sagt Georg Marti, Versicherungsanalyst bei der Zürcher Kantonalbank. 

AktieRenditeEx-/Zahlungs-
termin*
AktieRenditeEx-/Zahlungs-
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Zurich5,9 Prozent3.4. / 7.4.Cembra5,5 Prozent20.4. / 22.4.
Swiss Life4,6 Prozent30.4. / 5.5.Swisscom4,3 Prozent8.4. / 14.4.
Bâloise5 Prozent24.4.LafargeHolcim5,5 Prozent15.5. / 20.5.
Helvetia6,4 Prozent24.4.APG6,1 Prozentn.b.
UBS7,4 Prozent5.5. / 7.5.Mobilezone7,2 Prozent15.4. / 17.4.
BCV4,6 Prozent5.5. / 7.5.Dufry13,7 Prozent7.5.

*Vorgesehe Termine / Angaben: Bloomberg, cash.ch

Die Schweizer Finanzkonzerne sind generell gut bis sehr gut kapitalisiert. Die UBS hat am (heutigen) Montag mitgeteilt, dass sie ihre Dividende wie geplant ausschütten werde. Auch andere Banken dürften so verfahren: "Ich gehe im Moment davon aus, dass die bereits angekündigten Dividenden auch ausgeschüttet werden", sagt Bankenspezialist Andreas Venditti von Vontobel.

Somit werden wohl auch die Aktionäre von anderen guten Banken-Dividendenzahlern wie der Banque Cantonale Vaudoise oder der Cembra-Bank an ihren Generalversammlungen die geplanten, üppigen Ausschüttungen gutheissen können. Auch eine Swisscom, mehrheitlich in Staatsbesitz und seit langen ein beliebter Dividendentitel, wird bei ihrer Aktie den Ruf als "Obligationenersatz" nicht los. Zumindest nicht in dieser Ausschüttungssaison.

Dividendenkürzungen sind heikel...

Gut aus Aktionärssicht ist, auch in der jetzigen Krise: Dividendenzahlungen haben bei den meisten Unternehmen eine sehr hohe Priorität. Der Ruf, eine gute Dividendenzahlerin zu sein, ist bei vielen börsenkotierten Gesellschaften der Schweiz über die Jahre aufgebaut worden. Eine solide "dividend history" ist in Zeiten rekordtiefer Zinsen viel wert.

"Kürzungen oder gar der Ausfall von Dividenden wären zum jetzigen Zeitpunkt eine Vorsichtsmassnahme", sagt Philipp Lienhardt, Leiter Aktienanalyse bei Julius Bär. Unternehmen würden abwägen, wie dies beispielsweise bei LafargeHolcim zu beoachten gewesen sei. Der Zementkonzern hat am Freitag seine Gewinnziele kassiert, hielt aber an der Dividendenhöhe, die 5,5 Prozent Rendite erlaubt, ausdrücklich fest. 

 

 

Ein Investor sagte zu cash.ch, dass derzeit selbst Dividendenauszahlungen von über 100 Prozent des Gewinns für manche Gesellschaften möglich seien. Starke Bilanzen und Cash-Flows lassen dies offenbar zu.

...können aber dennoch unumgänglich werden

In einer so komfortablen finanziellen Lage sind freilich nicht alle Unternehmen. Mehr noch als vor der Krise zeigt sich, dass Anleger im Grunde genommen nicht nur auf die reine Rendite, sondern auch auf die Solidität des Geschäfts achten müssen.

Gute Dividendenzahler wie das Werbeunternehmen APG oder der Mobilfunk-Retailer Mobilezone sind dem wirtschaftlichen Abschwung stark ausgesetzt. Beim Duty-Free-Konzern Dufry mit derzeit sage und schreibe 13,7 Prozent Rendite wird über eine Dividendensenkung spekuliert, nachdem Konkurrent Lagardère einen solchen Schritt vorgenommen hat.

Dazu kommt: Schwer getroffene und bilanziell weniger solide Unternehmen könnten beim Aktienkurs noch weiter schwer unter die Räder kommen, wenn sich die Krise weiter verschärft. Dies stellt ein Investment bei solchen Unternehmen noch mehr in Frage.

Tiefzinsniveau macht Dividenden weiter attraktiv

Inwiefern in einem Jahr noch hohe Dividenden ausbezahlt werden, lässt sich aufgrund der unsicheren und wenig übersichtlichen Lage nicht verlässlich voraussagen. Bei einer schweren Rezession dürften gleichbleibende Dividendenauschüttungen aber zusehends unhaltbar werden.

Zerrüttete Firmenzahlen würden ihren Teil dazu beitragen. Der dividendenstarke Versicherungssektor wiederum würde beim Eigenkapital getroffen, wenn sich eine grössere Zahl von Firmenpleiten oder Zahungsunfähigkeiten einstellen würde: Im Markt für Unternehmensanleihen sind die Versicherer stark investiert. 

Allerdings: Selbst wenn das durchschnittliche Niveau von Dividendenrenditen von aktuell zwischen 3 und 3,5 Prozent unterschritten würde, würden Aktien nicht automatisch unattraktiv. Zu den rekordtiefen und negativen Zinsen bei Anleihen bliebe immer noch ein sichtbarer Abstand. Dies ziehen Verwaltungsräte und Konzernmanager natürlich in Betracht, wenn sie über Dividendenhöhen entscheiden. 

Aktienrückkäufe werden verschoben

Dividenden sind freilich auch nicht die einzigen Mittel, mit denen Unternehmen ihre Aktionäre mit Geld versorgen können. Wo die Unternehmen schnell reagieren, ist bei den Aktienrückkäufen. Auch diese sind eine Form, wie ein Unternehmen überschüssiges Eigenkapital an die Aktionäre zurückgeben können – wenn auch ein umstrittenes.

Zum einen erhöhen Aktienrückkäufe den Gewinn pro Aktie und haben so zumindest in der Theorie einen positiven Einfluss auf die Aktienkurse. In der Kritik steht dieses Instrument, das in der Schweiz in den vergangenen Jahren bereit angewandt worden ist, weil Unternehmen gewissermassen "fantasielos" Geld an die Aktionäre zurückfliessen lassen. Solche Mittel könnten beispielsweise auch investiert werden.

Sonova-Aktien rauschen nach Aussetzung von Aktienrückkauf in die Tiefe

Credit Suisse wird Umfang der Aktienrückkäufe überprüfen

Eine Reihe von Unternehmen, darunter die Credit Suisse, Swiss Life oder Sonova, haben in der Coronakrise ihre Aktienrückkäufe auf den Prüfstand gesetzt, verschoben oder gestrichen. Auch dies schont die Finanzen. Und im Gegensatz zu gekürzten und gestrichenen Dividenden leidet auch die Reputation weniger.