Wenn vier führende Wall-Street-Banken — Bank of America, JPMorgan, Citigroup und Wells Fargo — am Freitag die Berichtssaison für das Schlussquartal eröffnen, werden die Anleger weniger an den letzten drei Monaten interessiert sein. Vielmehr geht es darum, wie sie sich auf den Abschwung einstellen, den die Zinserhöhungen der Federal Reserve wohl provozieren werden.

"Wir kommen von einer Phase der Stärke in eine Phase der Unsicherheit", sagt Jason Goldberg, Analyst bei Barclays. "Die Kreditausfälle sind auf einem Rekordtief, der Handel bleibt auf hohem Niveau, und die Nettozinserträge werden Rekorde erreichen", so Goldberg. "Aber jeder hat Angst vor seinem eigenen Schatten."

Die Quartalsergebnisse dürften durch einen starken Rentenhandel und einen Rekord-Nettozinsertrag begünstigt werden. Negativ werden höhere Rückstellungen für faule Kredite und ein Einbruch beim Underwriting und bei Fusionen und Übernahmen zu Buche schlagen. Dieser Gegenwind könnte sich verstärken, wenn die Konjunktur schwächelt und die geopolitischen Krisen anhalten.

Die folgenden Themen werden bei den Bankergebnissen besonders im Fokus stehen:

1) Zinsüberschuss

Dank steigender Zinsen erwarten von Bloomberg erfasste Analysten bei den vier grössten Banken rund 59 Milliarden Dollar Zinsertrag — nach 45 Milliarden Dollar im Vorjahreszeitraum. Doch die guten Zeiten sind wohl nicht von Dauer. "Das vierte Quartal wird ein Rekord für den Nettozinsertrag sein, aber wir gehen davon aus, dass er sich im weiteren Jahresverlauf abflachen wird", so Goldberg.

Eine Rezession könnte die Gewinne aufzehren und das Wachstum bremsen. Kreditzurückhaltung bei Verbrauchern und Unternehmen und höhere Kosten werden ebenfalls eine Rolle spielen. Bisher haben die Banken vor allem den Kreditnehmern höhere Zinssätze berechnet, weniger eilig hatten sie es damit, die höheren Zinsen an die Sparer weiterzugeben. Schon gibt es erste Anzeichen von Abflüssen, was Banken unter Druck setzen könnte, mehr Zinsen zu zahlen und damit den Nettozinsertrag zu mindern.

2) Handel und Investmentbanking

Die Volatilität hat das Handelsgeschäft weiter beflügelt und die Erträge in diesem Bereich auf den höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren getrieben. Die fünf grössten Handelsabteilungen an der Wall Street werden in diesem Quartal voraussichtlich einen Ertrag von 22 Milliarden Dollar erzielen, was einem Zuwachs von 9,9 Prozent entspricht. Der grösste Teil davon entfällt auf den Handel mit Festverzinslichen, wo die Rohstoff-, Devisen- und Renten-Händler eines der erfolgreichsten Jahre aller Zeiten erlebten. Schlechter sah es im Aktienhandel aus.

Im Unterschied dazu war das Umfeld für Emissionen und Transaktionen im Jahr 2022 schwierig. Die Erträge im Investmentbanking der sechs grössten Banken werden im vierten Quartal voraussichtlich um 51Prozent gegenüber dem Vorjahr einbrechen, als sie stark angestiegen waren.

3) Risikovorsorge und Ausblick

Das Potenzial für faule Kredite zwingt die Banken, mehr Geld auf die Seite zu legen — eine Umkehrung der Auflösung solcher Reserven nach der Pandemie. Analysten erwarten insgesamt 5,4 Milliarden Dollar an Rückstellungen für Kreditausfälle bei den vier grössten Banken. Auch Kostensenkungen stehen auf der Agenda. Goldman Sachs, die am Dienstag berichtet, arbeitet an einer neuen Runde des Stellenabbaus. Morgan Stanley, Credit Suisse und Barclays haben bereits Mitarbeiter entlassen oder Streichungen angekündigt.

Existenzielle Ängste um den Bankensektor hat freilich niemand. Der Unterschied zur Finanzkrise ist “wie Tag und Nacht”, nicht zuletzt weil sich die Banken seit mehr als einem Jahrzehnt darauf vorbereitet haben, den nächsten Abschwung zu überstehen, meint der Bankenanalyst Mike Mayo von Wells Fargo.

(Bloomberg)