Nachdem sich die Wirtschaft vom harten Pandemie-Einbruch erholen konnte, wurde sie in der ersten Jahreshälfte erneut durch mehrere Krisen gebeutelt. Die Folge: Im ersten Halbjahr haben sich die Finanzmärkte weltweit so schlecht entwickelt wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Die Unsicherheit an den Märkten führte zu grossen Ausverkäufen bei Tech-Aktien. Defensiv-Titel stiegen zwar wieder in der Gunst der Anlegerinnen und Anleger, was sie aber von Kursverlusten mehrheitlich nicht bewahrte.
Der Schweizer Aktienmarkt blieb von den globalen Ereignissen nicht unberührt: So spiegelt der Swiss Market Index (SMI) klar die Geschehnisse des letzten halben Jahres. Mit einer bisherigen Jahresperformance von gut minus 17 Prozent war im SMI im letzten Halbjahr bei den im Index enthaltenen Einzelwerten nur wenig an Renditen zu erzielen. Dies sah zum gleichen Zeitpunkt vor einem Jahr noch anders aus, dort lag der Wert nämlich bei knapp plus 12 Prozent.
Als Folge des Kursrückgangs ist auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für den SMI auf einen Wert bei knapp 15 abgesackt. Ein ähnliches Bewertungsniveau wurde zuletzt im Jahr 2011 erreicht. Die Notenbanken weltweit versuchen momentan die Inflation einzudämmen, indem sie ihre Leitzinsen erhöhen. Da diesbezüglich jedoch noch viel Unsicherheit bei den Anlegerinnen und Anlegern herrscht, ist nicht davon auszugehen, dass sich der Abwertungsdruck so schnell legen wird.
Zurich Insurance, Swisscom und Novartis als Gewinner im SMI
Unter den 20 Titel des SMI konnten im letzten Halbjahr nur Zurich Insurance (+4,1 Prozent), Swisscom (+1,1 Prozent) und Novartis (+0,8 Prozent) einen Kursgewinn verzeichnen. Von diesen verdient Novartis eine spezielle Erwähnung: Bereits Mitte Dezember des vergangenen Jahres hatte der Basler Pharmakonzern angekündigt, dass man ein Aktienrückkaufprogramm mit einem Wert von 15 Milliarden Dollar starten wird. Profitieren konnte Novartis auch von der Mitteilung, bis 2024 eine umfassende Restrukturierung zu erreichen. Als Konsequenz hat der Konzern letzten Dienstag bekannt gegeben, dass jede zehnte Arbeitsstelle in der Schweiz gestrichen werden soll.
SMI-Aktien seit Anfang Jahr (Grafiken: Bloomberg).
Dass es im Pharmabereich auch anders aussehen kann, zeigt Roche. Die Genussscheine haben sich im Halbjahr in eine gänzlich andere Richtung entwickelt als die Novartis-Aktie: So verzeichnet das Unternehmen in den letzten sechs Monaten einen Kursverlust von 15,9 Prozent, was immerhin noch minim besser war als das Minus beim SMI.
Ein Mitgrund für diesen Kurszerfall liegt darin, dass das Pharmaunternehmen während der letzten Monate gleich in zwei Studien Misserfolge für einen neuen Krebskanditen erlitten hat. Doch dabei sollte es nicht bleiben: Denn auch mit einem Alzheimer-Kandidaten hatte Roche Mitte Juni Rückschläge einzustecken. Das hat sich aber auf weniger dramatische Weise auf den Kursverlauf ausgewirkt hat, als es bei den Krebsstudien zuvor der Fall gewesen war.
Kaufempfehlung trotz Kursverlust
Wie sehr Technologie-Aktien abgestraft wurden, zeigt sich in der Schweiz bei Logitech (-35,2 Prozent). Das Unternehmen aus Lausanne hatte mit Umsatzeinbussen in Russland und der Ukraine zu kämpfen. Der Konzern musste die Prognosen für das Jahr 2022/23 senken. Das Geschäftsjahr 2021/22 war in dieser Hinsicht noch wesentlich ergiebiger: So konnte Logitech dazumal noch einen Rekordumsatz von 5,5 Milliarden Dollar erzielen, was der grossen Nachfrage nach Tastaturen, Gaming-Ausrüstung und Computer zu verdanken war.
Sowieso zählte das Unternehmen wegen der weltweiten Homeoffice-Pflichten zu den klaren Gewinnern der Pandemie. Und trotz diesjährig grossen Kursverlusten erhielt Logitech im Mai von der UBS eine Kaufempfehlung. Die Überraschung war bei vielen Börsenexperten entsprechend gross. Doch nicht nur die UBS, sondern auch andere Schweizer Banken wie Vontobel oder Julius Bär haben zum Einstieg geraten, was sich als schlechter Rat entpuppt hat.
Auf der Schlussposition des SMI ist aber das Bauchemie-Unternehmen Sika (-43,1 Prozent). Im April war sich Sika umsatzmässig noch in einem Höhenrausch. Im Startquartal legte der Absatz in ähnlichem Umfang zu wie im Vorjahr und konnte die Markterwartungen klar übertreffen. In den ersten drei Monaten des Jahres wurde das Unternehmen aber vor allem durch Lieferengpässe bei den Rohmaterialien belastet. Die Preise für diese hatten sich nämlich auf ein permanent hohes Niveau eingependelt. Ob der Abwertungsdruck nachlässt, ist wegen des für einen Industrietitel hohen KGV von 33 mehr als fraglich.
Unter den Verlierern des SMI sind vor allem zyklische Aktien. Neben Sika gaben auch Geberit (-38,0 Prozent), SGS (-28,1 Prozent) oder ABB (-26,3 Prozent) deutlich nach. Holcim bildet diesbezüglich die Ausnahme und schlägt sich mit minus 11 Prozent besser als der Gesamtmarkt. Von den Grossbanken konnte die UBS (-4,4 Prozent) von steigenden Zinsen profitieren, wohingegen die Credit Suisse (-36,9 Prozent) selbstverschuldet abstürzte. 2022 ist bisher genauso ein Krisenjahr für die Bank gewesen wie 2021, und das Anlegervertrauen leidet weiter.
Lieferkettenerholung und Fusionspläne
Auch im breitgefächerten Swiss Performance Index (SPI) ist die Ausverkaufs-Stimmung an den Märkten spürbar gewesen. Nichtsdestotrotz konnten sich auch einige Aktien durch Kursgewinne im letzten halben Jahr auszeichnen.
SPI-Aktien seit Anfang Jahr.
So geschehen beim Sensorenhersteller U-blox (+36,7 Prozent). Wegen des spürbaren Erfolgs konnte das Unternehmen auch seine Jahresprognose für 2022 erhöhen. So gab U-blox Ende Mai bekannt, dass es mit einem bereinigten Umsatzwachstum von 27 bis 39 Prozent rechnet. Dabei spielte vor allem die Erholung der Lieferketten eine Rolle, aber auch, dass die Nachfrage nach neuen und bestehenden Produkten auf einem robusten Level geblieben ist.
Doch die Inflation und der Ukraine-Konflikt gelten auch weiterhin als Risikofaktoren. So musste das Unternehmen im März alle Lieferungen nach Russland und Belarus einstellen.
Auch die Aktie von Burkhalter konnte in den letzten sechs Monaten Gewinne verbuchen (+15,6 Prozent). Fusionspläne könnten dazu einen wesentlichen Beitrag geliefert haben. Ende Mai wurde an der Generalversammlung des Elektrotechnik-Dienstleisters nämlich Zusammenlegung mit dem Haustechnik-Unternehmen Poenina zugestimmt. Die neue Burkhalter-Namenaktie wird ab morgen, Donnerstag, in den Handel gehen. Einer Dividende von 3,80 Franken pro Aktie wurde an dieser Generalversammlung ebenfalls der Zuspruch erteilt, womit die Dividendenrendite bei 5,2 Prozent zu liegen kommt.
Biopharma und Arzneimittel-Händler mit Verlusten
Zu den Verlierern des SPI gehört aber der Luftfahrtzulieferer Montana Aerospace (-54,9 Prozent). Zwar konnte das Unternehmen im ersten Quartal seinen Umsatz markant steigern und sogar sein Niveau übertreffen, welches vor der Pandemie herrschte. Aber das Unternehmen liegt auch weiterhin in den roten Zahlen. Im Mai wurde bekannt gegeben, dass das Unternehmen künftig durch zwei Co-CEOs geführt werden soll. Das führte zu einer leicht positiven Reaktion an den Börsen. Gleichzeitig gab das Unternehmen bekannt, dass der eigene Fokus verstärkt auf den drei Segmenten "Aerospace", "Energy" und "E-Mobility" liegen soll.
Das Biopharma-Unternehmen Molecular Partners (-62,7 Prozent) gehört ebenfalls zu den grössten Verlierern des SPI. Dies, obwohl das Unternehmen im ersten Quartal schwarze Zahlen schreiben konnte, einer Novartis-Meilensteinzahlung im Umfang von 150 Millionen sei Dank. Die liquiden Mittel von Molecular-Partners sollten nun dafür reichen, um bis ins Jahr 2026 Projekte finanzieren zu können. Diese Ausgangslage wurde zur Makulatur als Ende April bekannt wurde, dass die Entwicklung eines Coronamedikaments länger dauern dürfte und eine Zusammenarbeit mit dem US-Konzern Amgen zur Entwicklung eines Krebswirkstoffs beendet wird.
Zur Rose (-69,3 Prozent) hatte ebenfalls mit grossen Kursverlusten im letzten Halbjahr zu kämpfen. Vor einer Woche stürzte die Aktie des Arzneimittel-Händlers nach einer neuen Analysten-Einstufung auf ein Rekordtief ab. Der betreffende Börsenexperte begründete dies damit, dass auch weiterhin grosse Probleme hinsichtlich der Einführung eines elektronischen Rezepts in Deutschland vorhanden seien. Gerade an diesem E-Rezept sind aber viele Hoffnungen geknüpft, die bislang enttäuscht worden sind.