Der Tourismus in Spanien boomt. Das heizt das Wirtschaftswachstum des Landes an und bringt das einstige Sorgenkind der EU auf die Überholspur. Doch auch wenn das für mehr Beschäftigung und den niedrigsten Stand der Arbeitslosigkeit seit 16 Jahren sorgt, wächst der Unmut in der Bevölkerung. Denn die Folgen sind steigende Immobilienpreise und Wohnungsmangel. Die Einheimischen haben zunehmend das Gefühl, dass sie von der Entwicklung nicht profitieren. So protestierten im April tausende Bewohner der Kanaren gegen den Massentourismus und für einen Verkaufsstopp von Immobilien an Ausländer. Aufgabe der Politik ist es, den Boom nachhaltig zu gestalten und die Menschen stärker am Erfolg teilhaben zu lassen.

Rund 85 Millionen Menschen kamen im vergangenen Jahr nach Spanien, ein neuer Rekord. Dieser Trend setzte sich im ersten Quartal 2024 fort: Die Besucherzahlen stiegen um fast 18 Prozent auf 16,1 Millionen. Spanien erwartet dank des Tourismusbooms ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent in diesem Jahr. «Es ist wahr, dass die Entwicklung förmlich explodiert ist. Doch dieses Phänomen muss unter Kontrolle gebracht werden», sagte Tourismusminister Jordi Hereu im Mai. «Wir werden den Menschen nicht verbieten, nach Spanien zu kommen, aber wir können das touristische Angebot einschränken.»

Einige sehen eine Begrenzung des Massentourismus und eine Hinwendung zu Luxusurlaubern als einen möglichen Weg aus der Bredouille. Die Bemühungen zur Entwicklung des Luxusmarktes tragen erste Früchte: Touristen zücken ihre Kreditkarten immer öfter in Designerläden und Restaurants - im ersten Quartal gaben sie 27 Prozent mehr aus als im Vorjahreszeitraum. Im vergangenen Jahr liessen die Besucher 109 Milliarden Euro in Spanien, in Frankreich nur 63,5 Milliarden Euro.

Arbeitslosigkeit dank Tourismus auf 16-Jahres-Tief

Einige örtliche Regierungen ergreifen bereits Massnahmen: So beschränken sie etwa die Anzahl neuer Ferienhausgenehmigungen. In Barcelona verschwand eine Buslinie zum beliebten Touristenziel Park Güell aus einigen Apps, da die Busse voll mit Touristen waren und Einheimische kaum mehr Platz fanden.

Andererseits profitiert das Land vom Tourismus. Daten der staatlichen Tourismus-Agentur Turespaña zufolge wurde in diesem Sektor im ersten Quartal 197.630 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das entspricht einem Viertel der in diesem Zeitraum entstandenen Arbeitsplätze. Die Arbeitslosigkeit fiel auf ein 16-Jahres-Tief. Das kurbelt wiederum den privaten Konsum an.

Günstige Löhne machen auch die Eröffnung von Hotels attraktiv - alle vier Tage geht ein neues an den Start. Spanien wird dem Immobilienspezialsten CBRE zufolge dieses Jahr Grossbritannien als attraktivstes Land Europas für Investoren in Hotelimmobilien überholen.

Warnende Worte kommen aber von Wirtschaftsexperten. Spaniens Wirtschaftsboom sei nicht nachhaltig, mahnt Angel Talavera, Leiter der europäischen Wirtschaftsabteilung bei Oxford Economics. «Der Tourismus kann nicht dauerhaft mit dieser Geschwindigkeit wachsen, und auch die öffentlichen Ausgaben können nicht weiter steigen.» 

(Reuters)