Israel und die radikal-islamische Hisbollah haben sich im Grenzgebiet zum Libanon am Sonntag die heftigsten Gefechte seit Beginn des Gaza-Kriegs geliefert. Die Hisbollah feuerte Hunderte Raketen und Drohnen auf den Norden Israels ab. Die israelischen Streitkräfte griffen nach eigenen Angaben zuvor mit etwa 100 Kampfjets Raketenabschussrampen der Hisbollah im Süden des Libanon an.

Raketen waren im Morgengrauen am Himmel zu sehen, hinterliessen dunkle Rauchspuren, während in Israel Luftschutzsirenen ertönten. Über den Häusern von Chiam im Südlibanon stieg Rauch auf. Im Libanon wurden drei Tote bestätigt, in Israel gab es demnach keine Opfer, und es entstanden nur geringere Schäden. Die Hisbollah liess erkennen, vorerst keine weiteren Angriffe zu planen, während Israels Aussenminister erklärte, das Land strebe keinen umfassenden Krieg an.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, die Streitkräfte hätten präventive Massnahmen gegen die von Iran unterstützte Hisbollah im Libanon ergriffen. Zudem seien alle auf ein strategisches Ziel in Zentralisrael gerichteten Drohnen abgefangen worden. Die Führer der Hisbollah und des Iran sollten wissen, dass die Reaktion «ein weiterer Schritt zur Veränderung der Lage im Norden und zur sicheren Rückkehr unserer Bewohner in ihre Heimat» sei. Dies sei «nicht das Ende der Geschichte», betont Netanjahu.

Die vom Iran kontrollierte Hisbollah erklärte, 320 Katjuscha-Raketen auf Israel abgefeuert und elf militärische Ziele getroffen zu haben. Dies sei die erste Phase der Vergeltung für die Ermordung von Fuad Schukr, einem hochrangigen Kommandeur, im vergangenen Monat, wofür Israel verantwortlich gemacht wird. Nach israelischen Angaben wurden mehr als 40 Abschussrampen der Hisbollah im Südlibanon angegriffen.

«Wir sind entschlossen»

Das israelische Kabinett trat am frühen Morgen zusammen. Verteidigungsminister Joaw Gallant rief den Notstand aus. Aussenminister Israel Katz sagte, sein Land werde auf Entwicklungen am Boden reagieren, strebe jedoch keinen umfassenden Krieg an. Flüge von und nach dem Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv wurden für etwa 90 Minuten ausgesetzt.

«Wir sind entschlossen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um unser Land zu verteidigen, die Bewohner des Nordens sicher in ihre Häuser zurückzubringen und eine einfache Regel aufrechtzuerhalten: Wer uns schadet - dem schaden wir», erklärte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Auch der geschäftsführende libanesische Regierungschef Nadschib Mikati traf sich mit Ministern zu einer Sondersitzung. Die Hisbollah teilte mit, ihr Führer Hassan Nasrallah werde im Lauf des Tages im Fernsehen sprechen. Die Friedenstruppe der Vereinten Nationen im Libanon und das Büro des Sonderkoordinators der UN riefen alle Seiten auf, das Feuer einzustellen, und sprachen von einer «besorgniserregenden» Entwicklung.

In Kairo gingen unterdessen die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung der verbliebenen israelischen Geiseln weiter. Ausgangspunkt der Eskalation war das Hamas-Massaker in Israel am 07. Oktober, bei dem rund 1200 Menschen ermordet und weitere etwa 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Bei dem anschliessenden Vergeltungsfeldzug Israels im Gazastreifen sind nach palästinensischen Angaben bislang mehr als 40.000 Menschen getötet worden.

(Reuters)