Die Aussagen von Credit-Suisse-Verwaltungsratschef Axel Lehmann zu den Abflüssen von Kundengeldern haben ein Nachspiel. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma habe die Grossbank in der Angelegenheit kontaktiert, wie zwei mit der Sache vertraute Personen zur Nachrichtenagentur Reuters sagten. Die Finma wolle klären, was der Wissensstand von Lehmann war, als er Anfang Dezember sagte, dass die Abflüsse von verwalteten Vermögen zum Erliegen gekommen seien. Danach waren aber nochmals Milliarden von dem krisengeplagten Institut abgezogen worden.

Die Credit Suisse erklärte, sie kommentiere Spekulationen nicht. Auch die Finma wollte sich nicht äussern. Nach der Veröffentlichung der Jahreszahlen hatte die Behörde erklärt: "Es ist klar, dass die Finma die Banken in solchen Situationen sehr genau überwacht."

Die Verunsicherung über den Zustand der Bank hatte im vierten Quartal eine regelrechte Kundenflucht ausgelöst. Netto zogen sie von Oktober bis Dezember 110,5 Milliarden Franken von der zweitgrössten Schweizer Bank ab, wie Credit Suisse bei der Veröffentlichung des Jahresergebnisses im Februar bekannt gab. Davon entfielen rund 65 Prozent auf Oktober und 20 Prozent auf November, präzisierte das Management. Damit bleiben rund 15 Prozent der Abflüsse für Dezember.

Diese fielen deutlich stärker aus als Anleger erwartet hatten und waren ein Grund, wieso die Aktie am Tag der Veröffentlichung des Abschlusses um rund 15 Prozent einbrach. Andreas Thomae, Corporate-Governance-Spezialist bei der Fondsgesellschaft Deka Investment, erklärte einen Tag später, die Anleger seien enttäuscht gewesen, dass die Abflüsse entgegen der Aussagen von Firmenvertretern angehalten hätten.

Waren die Aussagen irreführend?

Lehmann hatte am 1. Dezember in einem Interview mit der "Financial Times" erklärt, nach starken Abflüssen im Oktober hätten sich diese "völlig abgeflacht und teilweise gedreht". Am Tag darauf sagte er zu "Bloomberg Television", die Abflüsse seien "im Wesentlichen gestoppt".

Nach diesen Aussagen legte die Credit-Suisse-Aktie, die zwölf Sitzungen in Folge nachgegeben hatte, kräftig zu und beendete den Tag mit einem Plus von rund neun Prozent. Wenige Tage später bekräftigte Lehmann nochmals, dass sich die Abflüsse stabilisiert hätten.

Die Finma wolle nun in Erfahrung bringen, ob Lehmanns Aussagen irreführend gewesen seien, erklärte einer der Insider. Es handle sich nicht um eine formelle Untersuchung, sondern um eine Anfrage der Behörde, um zu klären, was Lehmann und andere Spitzenvertreter der Bank damals wussten. Es gebe Hinweise, dass Lehmann intern nicht richtig informiert worden sei, bevor er diese Äusserungen gemacht habe.

Die Entwicklung der Neugelder ist eine Schlüsselkennzahl für die Beurteilung von Vermögensverwaltungsbanken. Ziehen die Kunden in grossem Stil Geld ab, ist das oftmals ein Ausdruck von Misstrauen. Sehr hohe Abflüsse können ein Institut in Liquiditätsengpässe bringen. Die Abflüsse kamen für die Credit Suisse zu einem heiklen Moment. Nach einer Kette von Fehlschlägen und Skandalen ist die Bank unter Lehmann und dem seit dem Sommer amtierenden Konzernchef Ulrich Körner dabei, das Institut grundlegend umzubauen.

Kern des Unterfangens ist der Abbau des riskanten Investmentbankings und der Ausbau des Geschäfts mit Millionären und Milliardären. Die Abflüsse sind ein Rückschlag bei diesem Vorhaben. Die verwalteten Vermögen der Gruppe betrugen Ende 2022 rund 1,3 Billionen Franken. Damit fällt die Credit Suisse immer weiter hinter die UBS zurück, die im Geschäft mit Reichen und Superreichen Weltmarktführer ist.

(Reuters)