Denn Firmen haben gemerkt, dass viele Gespräche auch über Videokonferenzen erfolgreich geführt werden können. Sie wollen nun die Gelegenheit nutzen, ihre Kosten gering zu halten und ihre Klimabilanz zu verbessern.

Niklas Andreen, der für das Tagesgeschäft beim weltweit tätigen Geschäftsreisemanagement-Unternehmen CWT zuständig ist, hält eine schnelle Rückkehr zum vorpandemischen Niveau für unwahrscheinlich: "Es wird einige Jahre dauern, bis wir wieder dahin zurückkommen."

Im Jahr vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie hatte die Zahl der Geschäftsreisen in der deutschen Wirtschaft mit 195 Millionen noch ein Rekordhoch erreicht. Durch Lockdowns, Homeoffice und Reisebeschränkungen in der Pandemie brach das Volumen nach Daten des Verbandes Deutsches Reisemanagement (VDR) um mehr als vier Fünftel auf 33 Millionen ein.

Im gleichen Ausmass seien damit im Gastgewerbe und Transportwesen Umsätze weggefallen. Fast jeder dritte Mittelständler hätte komplett auf Geschäftsreisen verzichtet. Da Videokonferenzen inzwischen geübte Praxis sind, wollen nach Daten des VDR fast neun von zehn Unternehmen die Anzahl der Geschäftsreisen künftig reduzieren.

Unternehmen wollen sparen

Ein Grund dafür sei das Ziel, Kosten dauerhaft zu senken, erklärt Anthony Jackson, Experte für Luftfahrt beim Beratungsunternehmen Deloitte in den USA. "Früher bin ich für einen Tag von Dallas nach New York geflogen, um eine Sitzung mit drei oder vier Personen abzuhalten. Ich glaube nicht, dass das so schnell zurückkommt", sagte er.

Der Süsswarenhersteller Mars zum Beispiel will seine Geschäftsreisen mehr als halbieren. Das wären 145'000 Flüge weniger im Jahr - allein nur für diesen Konzern. Als Gründe führte Mars Überlegungen zu Kosten, Umweltschutz und Gesundheit der Beschäftigten an. Mit weniger Reisen seien Führungspositionen für Menschen mit Familie attraktiver, erklärt Nici Bush, Personalmanagerin bei Mars für den Wandel von Arbeitsplätzen.

Wie CWT weiter herausfand, wollen aber 58 Prozent der befragten Beschäftigten wieder auf Dienstreise gehen. Nach der Umfrage des VDR erwarten aber 80 Prozent der grösseren deutschen Unternehmen und 72 Prozent der kleineren dauerhaft weniger Geschäftsreisen.

Sollte es dazu kommen, bedeutet das nach Einschätzung des Verbandes im Schnitt einen Rückgang um 30 Prozent. "Die persönliche Begegnung wird auch in Zukunft nicht vollständig durch Videokonferenzen zu ersetzen sein", erklärte VDR-Vizepräsidentin Inge Pirner. Doch der Planungsaufwand werde wegen Corona-Auflagen vorerst grösser als üblich sein.

Zudem versuchen Unternehmen, ihre CO2-Emissionen möglichst gering zu halten. Etwa die Hälfte der Befragten in der Deloitte-Studie wolle ihre Geschäftsreisepraxis innerhalb des nächsten Jahres anpassen, um die Umweltbelastung zu verringern. Der Schweizer Versicherer Zurich Insurance etwa will die durch geschäftliche Flugreisen verursachten Emissionen im Vergleich zum Stand von vor der Pandemie um 70 Prozent senken.

Verlierer und Schattenseiten

Das Nachsehen hat bei diesem Wandel die Veranstaltungs- und Reisebranche - wie Airlines, Bahn, Taxiunternehmen, Hotels und Restaurants. Lufthansa verzeichnete laut Vorstandschef Carsten Spohr in den letzten Wochen einen Nachfrageschub von 15 Prozent für Regionalflüge zwischen Deutschland, Österreich, der Schweiz und Belgien und einen Anstieg von 30 Prozent bei Inlandsflügen im Vergleich zum pandemiegeprägten Vorjahr.

Langfristig erwartet die Airline eine Erholung auf immerhin 90 Prozent des besonders profitablen Geschäftsreisevolumens vor der Pandemie. Auch die Lufthansa-Tochter Eurowings beobachtet seit September wieder mehr Buchungen auf klassischen Geschäftsreisestrecken. Es gebe einen starken Nachholeffekt, erklärte Eurowings-Chef Jens Bischof in dieser Woche. "Natürlich sind wir noch lange nicht auf Vorkrisenniveau."

Auch Unternehmen selbst können unter dem neuen Trend leiden, besonders in Branchen, die direkten Kundenkontakt brauchen. "Es ist schwer, ein Geschäft abzuschliessen, ohne sich in die Augen zu sehen", sagt CWT-Manager Andreen. Treffen mit Kunden sind laut der Deloitte-Umfrage der Hauptgrund für die Wiederaufnahme von Reisen.

Und viele Branchen können einfach nicht nur rein virtuell agieren. So erzählt Filippo Baldazzi, Chef des italienischen Seidenherstellers "Serica 1870", er schicke Stoffmuster an seine Kunden. "Ich hasse Videoanrufe", sagt er. Kunden wie die Edelmodemarken Vuitton oder Gucci wollten verwöhnt werden. "Und sie müssen die Stoffe anfassen und sehen."

(Reuters)