Im November wählen die Amerikanerinnen und Amerikaner nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern besetzen auch die beiden Kammern des Kongresses neu. Sichern sich die Republikaner die Präsidentschaft, das Repräsentantenhaus und den Senat? Oder verteidigen die Demokraten das Weisse Haus, während der Kongress zwischen Demokraten und Republikanern aufgeteilt wird?

Je nach Wahlausgang ergeben sich unterschiedliche Folgen für die Zinspolitik der US-Notenbank Fed, für die Aktienmärkte und für den US-Dollar. Experten haben mehrere Szenarien durchgespielt:

  • Vollerfolg der Republikaner: Sie stellen den Präsidenten und kontrollieren beide Kongress-Kammern.
  • Teilerfolg der Demokraten: Sie stellen die Präsidentin und regieren mit einem gespaltenen Kongress.
  • Teilerfolg der Republikaner: Sie stellen den Präsidenten und regieren mit einem gespaltenen Kongress.

Einen Vollerfolg der Demokraten erachten die Beobachter für eher unwahrscheinlich. Dies hängt mit der aktuellen Sitzverteilung respektive den von den Demokraten zu verteidigenden Sitzen in mehreren republikanisch geprägten Bundesstaaten zusammen.

Szenario 1: Vollerfolg der Republikaner limitiert Fed-Zinssenkungen

Ein aus heutiger Sicht erst noch einsetzender Zinssenkungszyklus der US-Notenbank Fed könnte schon im zweiten Quartal 2025 wieder enden, wenn die Republikaner mit ihrem Präsidentschaftskandidaten Donald Trump ins Weisse Haus einziehen und zugleich die Kontrolle über den Kongress erlangen. Konkret: Die Fed könnte die Leitzinsen nicht unter vier Prozent senken, wie die Experten von Lombard Odier schreiben. Denn das republikanische Programm sieht wachstumsfördernde Massnahmen, Steuersenkungen und Zölle vor. Das begünstigt eine höhere Inflation, gegen welche die amerikanische Notenbank angehen müsste.

Weiter erwarten die Experten einen Anstieg des S&P 500 bis zum Jahresende auf nahezu 6’000 Punkte, sollten die Republikaner einen Vollerfolg einfahren. Damit würde der vielbeachtete US-Aktienindex auf neue Rekordstände klettern. Überdurchschnittlich abschneiden dürften Banken, unter anderem wegen des stärkeren Wirtschaftswachstums und der erhöhten Zinsen. Vergleichsweise stark profitieren dürfte auch Verteidigungssektor, dies aufgrund einer Priorisierung der Verteidigungsausgaben.

Positive Folgen dürften sich auch für den US-Dollar einstellen. Zurzeit kostet ein Euro rund 1,10 Dollar. Bei einer republikanischen Führung sehen die Experten von Lombard Odier den Euro-Dollar-Kurs in einer Spanne von 1,01 bis 1,06. Jene der Bank ING können sich eine Aufwertung auf 0,95 Dollar je Euro bis Ende 2025 vorstellen. Besser halten dürften sich der Schweizer Franken, zumal geopolitische Unsicherheiten nicht verschwinden dürften und sich die Zinsdifferenz zwischen den Währungsräumen einengen dürfte.  

Szenario 2: Teilerfolg der Demokraten gibt Raum für weitere Zinssenkungen

Einen Sieg von Kamala Harris verbinden die Fachleute mit grösserer politischer Kontinuität. «In diesem Fall könnte die Fed die Zinsen an jeder Sitzung bis Mitte 2025 weiter reduzieren», heisst es im Kommentar von Lombard Odier.

Bis Mitte nächsten Jahres finden sieben Fed-Sitzungen statt. Geht man folglich von sieben Zinsschritten um je 0,25 Prozentpunkte aus, so werden die US-Leitzinsen im Sommer 2025 in der Spanne von 3,5 bis 3,75 Prozent zu liegen kommen. Laut der CME FedWatch beträgt die Wahrscheinlichkeit für diese Spanne zurzeit 37,2 Prozent. Mit diesem Wert ist sie höher als die Wahrscheinlichkeit aller anderen möglichen Leitzinsniveaus.

Gedämpft ist der Ausblick unter einer Harris-Regierung für den Aktienmarkt. Der S&P 500 würde das Jahr zwischen 5’300 bis 5’700 Punkten beenden. Im Vergleich zum aktuellen Stand von rund 5600 Punkten dürfte er also entweder fallen oder leicht steigen. Unter Druck sehen die Experten insbesondere den Gesundheitssektor - dies angesichts der anhaltenden Bemühungen einer demokratischen Regierung, die Gesundheitskosten zu senken, wie Lombard Odier ausführt. 

Die Privatbank sieht den Euro-Dollar-Kurs nach einem Harris-Sieg «wahrscheinlich in einer Spanne von 1,08 bis 1,13» notieren. Eine mittelfristig stärkere Bewegung sehen die ING-Ökonomen. Ihnen zufolge würde ein Euro per Ende 2024 rund 1,12 Dollar kosten. Bis Ende 2025 sehen sie einen Kurs von 1,18 Dollar je Euro, sollte Kamala Harris mit einem gespaltenen Kongress regieren. So tief stand der Greenback zuletzt im Herbst 2021.

Szenario 3: Teilerfolg der Republikaner «moderat positiv» für Aktien

«Eine höhere Inflation schränkt Zinssenkungen der Federal Reserve ein», sagen die ING-Ökonomen zum Szenario, in dem der republikanische Präsident Donald Trump mit einem gespaltenen Kongress regiert. Dem Grundton nach gleichen sich das erste und das dritte Szenario also, was die Geldpolitik angeht.

Für die Aktienmärkte rechnen die Experten mit einem «moderat positiven» Einfluss. Eine Outperformance dürften zyklische Sektoren aufweisen.

Zu den Devisen schreibt Lombard Odier: «Auf Währungsebene wären die Auswirkungen immer noch positiv für den Dollar, aber weniger ausgeprägt.» Sie sehen eine Aufwertung des Dollars gegenüber dem Euro auf eine Spanne 1,04 bis 1,09. Derweil sieht ING das Euro-Dollar-Währungspaar bis Ende 2025 zwischen 0,98 und 1,06 schwanken. Besser als der Euro dürften sich wiederum der Schweizer Franken behaupten.

Inwiefern diese Prognosen eintreffen, wird sich zeigen - auch, weil die Märkte von noch anderen Faktoren als den US-Wahlen bestimmt werden. Man kann sich beispielsweise vorstellen, dass der schon strapazierte US-Staatshaushalt ein grösseres Problem auswächst.

Was allerdings die Wahlen betrifft: Aktuell sprechen Umfragen für einen Sieg der Demokratin Kamala Harris. Laut der Nachrichtenplattform «Real Clear Politics» liegt sie im Durchschnitt aller August-Umfragen 1,4 Zähler vor Donald Trump.