Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle: Das Bruttoinlandsprodukt stagnierte von April bis Juni nach zuvor zwei negativen Quartalen. Die Basis für einen Aufschwung sehen Ökonomen trotz der Stabilisierung nicht. Es spricht sogar einiges dafür, dass Europas größte Volkswirtschaft in der zweiten Jahreshälfte erneut schrumpfen könnte:

Stimmungsbarometer

Der wichtigste Frühindikator für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft zeigt nach unten: Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank im Juli bereits den dritten Monat in Folge und landete auf einem Jahrestief, wobei die 9000 befragten Manager sowohl die aktuelle Geschäftslage als auch die Aussichten für die kommenden sechs Monate schlechter bewerteten. "Die Lage der deutschen Wirtschaft verdüstert sich", sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Mit dem Einkaufsmanagerindex für die Industrie zeigt ein weiterer Frühindikator steil nach unten: Er fiel im Juli von 40,6 auf 38,8 Punkte und damit auf den niedrigsten Stand seit mehr als drei Jahren. Erst ab 50 wird ein Wachstum signalisiert. Der Rückgang der Industrieproduktion fiel dabei so stark aus wie seit Mai 2020 nicht mehr, als die Corona-Pandemie durchschlug. Angesichts sinkender Neuaufträge und eines schrumpfenden Auftragsbestandes verkleinerten die Hersteller auch erstmals seit zweieinhalb Jahren ihre Belegschaft.

Baukrise

Höhere Zins- und Materialkosten belasten die Baubranche immer mehr. Von Januar bis Mai brachen die Aufträge im Bauhauptgewerbe inflationsbereinigt um 15,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein. "Zwar leben die Unternehmen noch von ihren Auftragsbeständen, aber spätestens im Herbst dürfte sich die Lage weiter verschärfen", befürchtet der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller. "Schon jetzt ist unsere Branche von einem deutlichen Anstieg der Zahl der Insolvenzen betroffen." In den ersten vier Monaten hätten 437 Unternehmen des Bauhauptgewerbes Insolvenz anmelden müssen, gut ein Fünftel mehr als im Vorjahreszeitraum.

Exportflaute

Die Stimmung in der deutschen Exportindustrie ist so schlecht wie seit über drei Jahren nicht mehr. Das Barometer für die Exporterwartungen fiel im Juli zwar nur um 0,1 auf minus 6,0 Punkte, wie das Ifo-Institut bei seiner Unternehmensumfrage herausfand. Das ist jedoch der schlechteste Wert seit Mai 2020, als die Corona-Pandemie die weltweite Konjunktur abwürgte. "Die Nachfrage aus dem Ausland entwickelt sich eher schwach", sagt der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. "Dies ist auch die Folge der restriktiven Geldpolitik in den USA und Europa, welche nach und nach ihre Wirkung entfaltet." Die Zentralbanken haben auf beiden Seiten des Atlantiks ihre Zinsen kräftig heraufgesetzt, um die Inflation zu bekämpfen. Das treibt die Finanzierungskosten in die Höhe, etwa für den Kauf von Waren "Made in Germany". "Gegenwärtig gibt es auch kaum Hinweise, dass sich dies kurzfristig ändern könnte", ergänzte Wohlrabe mit Blick auf die maue Nachfrage.

Industrieaufträge

Das Neugeschäft der Industrie schrumpft. Von März bis Mai fielen die Aufträge um 6,1 Prozent niedriger aus als in den vorangegangenen drei Monaten. Zudem ist der Auftragsbestand zuletzt drei Monate in Folge geschrumpft, weil die Unternehmen wegen sinkender Materialengpässe frühere Bestellungen nun zügiger abarbeiten können. "Das schwache weltwirtschaftliche Umfeld wird kaum neuen Auftragswind entfachen", sagt der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. "Der Produktionsausblick für das zweite Halbjahr bleibt getrübt."

Konsum

Die Inflation hat ihren Gipfel hinter sich, sind sich die meisten Ökonomen einige. Bis Jahresende dürfte sich die Teuerungsrate in Richtung drei Prozent bewegen, nachdem sie in den beiden ersten Monaten des Jahres noch 8,7 Prozent betragen hatte. Zusammen mit kräftigen Lohnerhöhungen in vielen Branchen plus den oftmals vereinbarten steuerfreien Inflationszuschlägen sowie den am 1. Juli in Kraft getretenen Rentenerhöhungen dürften viele Verbraucher real wieder mehr Geld zur Verfügung haben. Ein Konsumfeuerwerk, das die Schwäche von Industrie, Bau- und Exportwirtschaft vergessen lassen könnte, ist aber dennoch nicht zu erwarten. Das zeigt die Verbraucherumfrage der GfK-Konsumforscher. Das daraus ermittelte Konsumklima-Barometer stieg zwar im August um 0,8 Punkte, verharrte aber mit minus 24,4 Zähler tief im negativen Bereich. "Das Niveau wird in den kommenden Monaten niedrig bleiben", sagt GfK-Experte Rolf Bürkl. "Der private Konsum wird demnach keinen positiven Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung leisten können." 

(Reuters)